eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 6/12

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
121
2003
612 Dronsch Strecker Vogel

Der Kanon in der Bibliothek

121
2003
Hermut Löhr
znt6120018
Hermut Löhr Der Kanon in der Bibliothek Der bedeutende Leidener Gelehrte David Ruhnken schreibt im Jahre 1768 in der » Historia critica oratorum Graecorum«, die seiner Ausgabe des römischen Rhetors P. Rutilius Lupus (1. Jh. n.Chr.) vorangestellt ist: ltaque ex magna oratorum copia tanquam in canonem decem duntaxat retullerunt. 1 Mit dieser Formulierung wird, zunächst noch zögerlich tanquam! -, in Ruhnkens späteren Schriften entschiedener,2 der aus der kirchlichen Tradition seit Euseb' für die Altes und Neues Testament umfassende heilige Schrift des Christentums geläufige Begriff des Kanons auf die pagane antike Literatur übertragen. Der Begriff des Kanons wird von seinem traditionellen christlichreligiösen Kontext gelöst und zu einer literarischkulturellen Größe, zur Bezeichnung dessen, was als »klassisch« und kulturell prägend gelten darf. Der profan-literarische Kanon-Begriff ist wiedergeboren,4 ein Kanon-Begriff, der, so will es scheinen, sich gegenwärtig und im Kontext einer neu aufgeflammten Bildungsdebatte im Gegensatz zum kirchlichen Kanon wachsender Akzeptanz erfreut. Natürlich werden die Inhalte eines solchen Kanons der Literatur, der Bildung oder des Wissens höchst unterschiedlich bestimmt.' Handelt es sich hierbei um ein typisches Phänomen der Säkularisation? Wird eine ursprünglich religiös verankerte Idee profaniert, ihrer sakralen Dimension und Funktion beraubt? Oder haben wir es bei dem (alt)kirchlichen Kanon- Begriff gerade umgekehrt mit einer religiösen Aufladung eigentlich unreligiöser, profaner Inhalte zu tun? Wer so fragt, identifiziert die Unterscheidung von jüdisch-christlichem und paganem Kanon mit derjenigen von religiösem und profanem Kanon ein Fehler, wie zu zeigen sein wird. In der Besinnung auf einen besonderen Aspekt der jüdischen und christlichen Kanonsgeschichte wollen die folgenden Überlegungen dazu beitragen, dass die theologische wie die literarisch-philosophische Kanonsdiskussion auch systematisch wieder enger zusammengeführt werden und dass 18 die gemeinsamen Wurzeln beider canones wieder stärker wahrgenommen werden. Wenn im Begriff des Kanons die Unterscheidung von profaner und religiöser Sphäre überholt werden kann zugunsten der Beschreibung des »kulturellen Gedächtnisses« einer Epoche, eines Kulturkreises o.ä.,' so stellt sich notwendig auch die Frage nach dem Ort der Kodifizierung und Aufbewahrung eines solchen Kanons, eines solchen Gedächtnisses. Im Raum der Schriftkulturen, denen das Judentum des Zweiten Tempels und das frühe Christentum angehören, kommt dabei der Bibliothek eine herausragende Bedeu- 1 tung zu. Bibliotheken in Ägypten Das bedeutendste Archiv des kulturellen Gedächtnisses der Antike war ohne Zweifel die Bibliothek von Alexandrien, die von Ptolemäus 1. Soter (367/ 366-283/ 283 v.Chr.) gegründet wurde. Die dort geleistete Arbeit sukzessive Sammlung, Edition, Klassifikation und Kommentierung der großen Schriftsteller der griechischen Antike veranschaulicht nicht nur in prägnanter Weise den endgültigen Sieg der Buchkultur im hellenistisch geprägten Mittelmeerraum, sondern gebiert auch die Idee des Klassiker- Kanons, die bis in die Gegenwart lebendig ist. An ihrem Anfang steht die Sicherung des griechischen Gründungsmythos, der Werke des Homer.' Die Bedeutung dieser Arbeit erschöpft sich nicht in Philologie und Literaturwissenschaft, mit Homer wird vielmehr der Beginn der griechischen Kultur, ihr gleichsam göttlicher Ursprung, ihre religiöse Fun dierung ein für allemal sichergestellt. Philologisch-kulturelles und religiöses Interesse sind nicht voneinander zu trennen eine Einsicht, die sich durch die ganze Geschichte der literarischen Kanonsidee belegen ließe.9 Ob der jüdische Kanon des Zweiten Tempels oder Teile davon in der antiken Bibliothek von Alexandrien präsent waren, ist nicht zweifelsfrei ZNT 12 (6. Jg. 2003) Hermt,tt Löhr PD Dr. Hermutlöhr,Jahrgang 1963, Studium der Evangelischen Theologie und Geschichte in Bann, Tübingen, Heidelberg und Straßburg, Promotion 1993, Habilitation 2001, lehrt als Privatdozent für Neues Testament in Bonn. Er arbeitet derzeit an einer Geschichte der Tora in frühjüdischer und frühchristlicher Zeit. erwiesen. Ein direkter Beleg hierfür, etwa in Form eines Katalogeintrags, 10 ist nicht erhalten. Für die Tora, den Pentateuch, sind wir auf die Zeugnisse der Septuaginta-Tradition verwiesen, welche uns das antike Judentum überliefert. So berichtet der Aristeas-Brief, auf Initiative des königlichen Bibliothekars Demetrios von Phaleron habe der König Ptolemäus II. Philadelphos (285-246 v.Chr.) eine griechische Übersetzung der jüdischen Tora veranlasst. 11 Ziel ist ausdrücklich die Komplettierung der königlichen Bibliothek in Alexandrien. 12 Diese Angaben bestätigt auch der jüdische Philosoph Aristobul (bei Euseb, Praeparatio Evangelica 13,12,1-2), wohingegen der Bericht Philos in De Vita Mosis 2,25-44 die Rolle des Demetrios und damit zugleich den Bezug auf das Museion unterschlägt. Wird so zunächst die historische Unmöglichkeit beseitigt, dass Demetrios Bibliothekar unter Ptolemaios II. Philadelphos war (der den Gelehrten in Wirklichkeit gefangen nehmen und umbringen ließ), könnte hinter der Gestaltung des philonischen Berichts auch der Wunsch oder das Wissen stehen, dass die jüdische Tora in griechischer Sprache in Alexandrien eine größere und andere Bedeutung hatte als die einer bibliothekarischen Kuriosität. Wenn aber, was die Geschichtswissenschaft heute mehrheitlich annimmt, die Übersetzung der Tora ins Griechische in Alexandrien tatsächlich auf königliche Initiative zurückging, ist auch ihre Aufbe- ZNT 12 (6.Jg. 2003) wahrung in der Bibliothek wahrscheinlich historisch.11 Allerdings ist keine dieser griechischen Tora- Rollen erhalten. Der wohl früheste Textzeuge der Septuaginta, der Papyrus Rylands 458 stammt aus dem zweiten Jahrhundert v.Chr., vermutlich aus dem Faijum. Durch Punktierungen und Spatien ist der Text gegliedert,14 so dass an eine Verwendung für den Vortrag gedacht werden kann. Auch drei Septuaginta-Manuskripte aus Qumran, der vermutlich aus dem ersten Jahrhundert v.Chr. stammende Papyrus 4QLXXLev6, 4QLXXNum und 4QLXXDeut (2. Jh. v.Chr.) enthalten, wenngleich weniger deutlich, solche Lese- und Vortragshilfen.15 Besonders ist in diesem Zusammenhang die griechische Zwölfpropheten- Rolle aus Nahal Hever zu erwähnen, die um die Zeitenwende entstanden sein dürfte. 16 Durch Philo von Alexandrien haben wir Nachrichten über die religiöse, wahrscheinlich jüdische Gemeinschaft der Therapeuten, welche ihr Zentrum, freilich nicht ihren einzigen Aufenthaltsort,17 am Mareotis-See südlich von Alexandrien hatten. In der den Therapeuten gewidmeten Schrift De Vita Contemplativa 24f. beschreibt Philo die Behausungen der Mitglieder dieser Gemeinschaft, die sich im Gegensatz zu den Essenern nicht dem aktiven, sondern dem betrachtenden Leben gewidmet haben: »Die Häuser derer, die (dort) zusammengekommen sind, sind sehr einfach; sie gewähren Schutz für die zwei größten Notwendigkeiten, gegen die feurige Hitze aus der Sonne und gegen die Kälte aus der Luft. Weder sind sie (einander) nahe, wie die (Häuser) in den Städten störend nämlich und unangenehm sind denen, welche nach Einsamkeit eifern und streben, die Nachbarschaften -, noch weit voneinander entfernt, weil sie die Gemeinschaft begrüßen und damit sie, wenn von Räubern ein Angriff geschieht, einander helfen können. In jedem (Haus) ist ein heiliger Raum, der semneion und monasterion genannt wird, in welchem sie für sich allein die Mysterien des heiligen Lebens vollenden, und nichts tragen sie hinein, weder Getränk noch Speise noch etwas von den anderen Dingen, welche für die Bedürfnisse des Leibes nötig sind, sondern Gesetze und Orakelworte durch Propheten und Hymnen und anderes," wodurch Wissen und Frömmigkeit vermehrt und vollendet werden.« Es wäre gewiss übertrieben, in Bezug auf diese Andachtsräume der Therapeuten von regelrech- 19 ten Privatbibliotheken zu sprechen, denn der Bestand der Schriften scheint recht begrenzt gewesen sein, wenn er sich nicht ganz auf die dreiteilige heilige Schrift Israels beschränkt. Doch ist die Beschreibung des Philo ein Indiz dafür, dass im ersten Jahrhundert in aufgrund seines Schriftstudiums zum Verfassen der vorliegenden, nunmehr übersetzten Schrift motiviert worden sei (Vers 3). Es fällt auf, dass die Bezeichnung der beiden ersten Kanonsteile feststeht, während diejenige des dritten schwankt. Dieser Befund lässt die Alexandrien der Zusammenhang von Kanon, den heiligen Schriften der Therapeuten, und Bibliothek bedacht wurde. Dies kann festgestellt werden auch unabhängig von einem Urteil über die Histo- »Die Bibliothek ist fürPhilo Konkretion des kulturellen Vermutung zu, dass auch die Abgrenzung der »Schriften« noch nicht feststeht. 20 Der Enkel brachte diese Vorstellung eines dreigeteilten Kanon aus seinem Mutterland und religiösen Gedächtnisses einer Gemeinschaft.« rizität der Nachrichten Philos. Die Bibliothek ist für Philo Konkretion des kulturellen und religiösen Gedächtnisses einer Gemeinschaft. Bibliotheken in Israel Die Brücke von Alexandrien nach Israel schlägt das bislang älteste erhaltene Zeugnis für den dreigeteilten Kanon der hebräischen Bibel, das Vorwort zum Buch Jesus Sirach, das der Enkel des Verfassers aus Anlass seiner Übersetzung des Werkes aus dem Hebräischen ins Griechische voranstellte. Dieser Text, der sowohl die Entstehung des ursprünglichen Buches wie der Übersetzung beleuchtet, kann aufgrund der Angabe in Vers 8 19 in die Zeit nach 133/ 132 v.Chr. datiert werden. Dreimal erwähnt der Enkel die heilige Schrift Israels, er spricht vom »Gesetz und den Propheten und den anderen nach diesen folgenden [Schriften]« (Vers 1), vom »Gesetz und den Propheten und den anderen Büchern der Väter« (Vers 3) bzw. vom »Gesetz und den Propheten und den übrigen der Bücher« mit, ein Beleg für einen eigenen »alexandrinischen Kanon« der Schriften Israels ist der Prolog also nicht. Aus dem Prolog erfahren wir auch nichts über die genaueren Umstände der vorausgesetzten (privaten) Lektüre der heiligen Schriften, und nichts über den Ort ihrer Aufbewahrung, die Art ihrer Publikation und ihre materiale Gestalt. In der Handschrift Baus der Alt-Kairoer Genizah, die den hebräischen Text von Jesus Sirach überliefert, finden wir jedoch in Sir 51,23 den Ausdruck bet midrasch zum ersten Mal in der jüdischen Literatur bezeugt. 21 Genaueres lässt der Text nicht erkennen, doch kann immerhin vermutet werden, dass in der hier erwähnten Schule auch die heilige Schrift, die Sirach kennt und die er interpretiert, Gegenstand der Unterweisung war. Man kann also davon ausgehen, dass der Kanon im Rahmen der schulischen Unterweisung in Israel vorkam und auch material gegenwärtig war. Die Quellenlage erlaubt uns leider keine präziseren Angaben. 22 Vermutlich wird man sich die Vermittlung literarischer und kanonischer Bildung im Kontext der Synagoge vorzustellen (Vers 7). Die so bezeichnete heilige Schrift ist Gegenstand der privaten Lektüre und des individuellen Studiums. Allerdings mahnt der Enkel: »Darum sollen diejenigen, die sie lesen, nicht nur selbst verständig werden, sondern die » Vermutlich wird man sich. die haben. Die Quellenlage rät zu vorsichtigen Vermutungen. Immerhin wird in der griechischen Synagogen- Inschrift des Theodotos aus Jerusalem," die in das erste Jahrhundert n.Chr. zu datieren Vermittlung literarischer und kanonischer Bildung im Kontext der Synagoge vorzustellen haben.« sich um Erkenntnis bemühen, sollen auch denen draußen nützlich werden, indem sie lesen und schreiben« (Vers 2). Als ein Vorbild solcher Haltung verantwortlicher und sozial orientierter Bildung stellt der Enkel seinen Großvater vor, der 20 sein dürfte, als Bestimmung der Synagoge u.a. die »Verlesung der Schrift« und die »Lehre der Gebote« genannt, was doch wohl das Vorhandensein zumindest eines Exemplars des Kanons heiliger Schriften, mindestens aber der Tora, voraussetzt. Frühe literarische, mehr ZNT 12 (6.Jg. 2003) oder minder direkte Belege für die Aufbewahrung von Tora-Rollen in der Synagoge finden sich bei Josephus und im Neuen Testament. 24 Auch über die heilige Schrift hinaus könnte die Synagoge als Aufbewahrungsort für Dokumente gedient haben.25 Andere Nachrichten über die Schriftlesung in der Frühzeit der Synagoge bestätigen dieses Bild. 26 Die Erwähnung von Schriftgelehrten im Zusammenhang mit Synagogen, die sich wiederholt in der synoptischen Tradition findet," ist ein weiteres Indiz für die Funktion schon der frühen Synagoge in Palästina. Vielleicht hat sich in der Synagoge von Gamla mit dem locus 1010 sogar eine Art Schulraum erhalten. 28 Der wichtigste Ort im Lande Israel für die Aufbewahrung der heiligen Schriften war jedoch ohne Zweifel der Tempel in Jerusalem. Die früheste erhaltene Nachricht hierüber findet sich in 2Makk 2,13-15, im wohl unechten Brief der Jerusalemer und judäischen Juden an die Juden Ägyptens: »Dasselbe wurde auch in den Schriften und Protokollen nach Nehemia dargelegt, und wie er eine Bibliothek gründete und die Bücher über die Könige und Propheten und was von David stammt und Briefe der Könige über Weihegeschenke sammelte. Ebenso hat auch Judas dasjenige, was durch den geschehenen Krieg zerstreut war, für uns gesammelt, und es ist bei uns. Wenn ihr nun Bedarf an diesen Schriften habt, so sendet Leute, die sie euch bringen.« Die Tradition der Jerusalemer Bibliothek, die nicht näher lokalisiert wird, die man sich wohl aber als mit dem Tempel in Zusammenhang stehend vorstellen darf, wird auf N ehemia zurückgeführt. Judas Makkabi hat, so bestätigt dieses Schreiben, diese Tradition wieder aufgenommen. Die genannten Schriften lassen sich zum Teil mit den kanonischen Texten identifizieren,29 ohne dass der ganze hebräische Kanon deutlich genannt würde. 30 Dass die Schriftensammlung Eine typische Schriftrolle ZNT 12 (6. Jg. 2003) In Gefäße wie diese waren die Rollen aus Qumran eingeschlossen etwas anderes als ein Geschichts- und Verwaltungsarchiv war, dürfte jedoch durch die Erwähnung der Propheten und Davids (doch wohl als des exemplarischen Psalmdichters) unzweifelhaft erwiesen sein. Die Funktion der Bibliothek, so wie sie in diesem fiktiven, das Lokalkolorit seiner tatsächlichen Entstehungszeit (1. Jh. v.Chr. ? ) verratenden Schreiben gekennzeichnet wird, geht über diejenige eines Archivs oder auch einer Institution für Privatstudien hinaus; offenbar haben die Schriftexemplare, die aufbewahrt wurden, normierende Funktion gehabt und dienten als kulturelles Gedächtnis, vielleicht sogar als eine Art »Urtext«, nicht nur im Mutterland, sondern auch für die Diaspora. Mehrfach erwähnt auch Flavius Josephus die Aufbewahrung von heiligen Schriften im Tempel, so in Antiquitates judaicae 3,38; 4,303 und 5,61. Allerdings ist aus diesen Angaben nicht zu belegen, dass der ganze Kanon im Tempel aufbewahrt wurde; vielmehr spricht Josephus an den genannten Stellen von Texten, die sich auf einzelne biblische Szenen (Ex 17,6; Dtn 31,24-32,43; Jos 10,12- 14) beziehen. Doch wird unter den Beutestücken aus dem Jerusalemer Tempel, die nach dem Bericht von Josephus in Bellum Judaicum 7 beim Triumphzug in Rom zur Schau gestellt werden, auch an letzter Stelle gewissermaßen als Höhepunkt ein Exemplar des jüdischen Gesetzes genannt (Bell 7,150). 21 Interessant, allerdings historisch fragwürdig ist die Notiz in Ant 11,337, die von einem Exemplar des Daniel-Buches zur Zeit Alexanders d. Großen im Tempel zu berichten weiß. Aus Ant 10,273 mit der Aufnahme von Dan 8,21 wird deutlich, dass Josephus auch diesen visionären Teil des Daniel- Buches für authentisch hält, so dass in Ant 11,337 die Vorhersage des Daniel ihre Bestätigung findet. Allerdings ist für die Bewertung der Aussagen des Josephus zu beachten, dass er in seiner Daniel- Paraphrase Kap. 7 übergeht und nach Ant 10,267 von mehreren Büchern des Daniel weiß. Vielleicht schimmert hier ein Wissen über die sukzessive Entstehung des Daniel-Bu- Schreiben erwähnt, das der Bischof lgnatius von Antiochien an die Gemeinde in Philadelphia richtet. 34 In Phil 8,2 schreibt lgnatius: »Ich ermahne euch, nicht aus Streitsucht zu handeln, sondern nach der Lehre Christi. Als ich welche hörte, die sagten: ,Wenn ich es nicht in den Akten [oder: Archiven] finde, glaube ich nicht an das Evangelium" und ich ihnen sagte: ,Es steht geschrieben" antworteten sie mir: ,Das ist die Frage<.« Kann das in diesem Abschnitt verwendete griechische Lexem archeion sowohl mit »Urkunde« als auch mit »Archiv« übersetzt werden, also ein Schriftstück oder ein Gebäude bzw. eine Institution meiches durch, welches durch die historisch-kritische Forschung zur Gewissheit gemacht und präzisiert wurde. Für Josephus steht jedenfalls der kanonische Charakter des »Dass die Textfunde vom Toten Meer ursprünglich eine Bibliothek gebildet haben, ist eine plausible Annahme.« nen, so ist der Textausschnitt nicht sicher als Bezeichnung eines christliches Archives oder einer Bibliothek zu bestimmen. Doch wird aus Buches Daniel außer Frage (explizit zu den »heiligen Schriften« gerechnet in Ant 10,210), und dies mag seine Gestaltung der Alexander-Szene mit geprägt haben. 31 Einen Sonderfall im Land Israel stellt die Gruppe dar, die uns in den Höhlen von Qumran zahlreiche Handschriften hinterlassen hat. Dass die Textfunde vom Toten Meer ursprünglich eine Bibliothek gebildet haben, ist eine plausible Annahme. Allerdings ist es uns nicht möglich, die Räumlichkeiten dieser Bibliothek zu lokalisieren, auch die berühmte Höhle 4(a), welche die meisten unterschiedlichen Texte enthielt, kommt als Bibliotheksraum nicht in Frage, vielleicht jedoch als Notversteck. 32 Wenn die Textfunde in den Höhlen mit der Siedlung in direktem Zusammenhang stehen was freilich dem Fortgang der Passage deutlich, dass in dem geschilderten Streit den Diskussionspartnern des lgnatius die einfache Behauptung der Schriftgemäßheit des (verkündigten) Evangeliums nicht ausreicht, sondern sie eine Bestätigung an den schriftlichen Quellen - und das heißt doch auch: in einem diese Quellen enthaltenden Archiv oder einer Bibliothek einfordern. Diese Quellen sollen der Bestätigung der Evangeliumsbotschaft dienen; man könnte also konkret an Evangelienschriften denken. 35 Aus dem ersten Jahrhundert sind uns keine direkten Nachrichten erhalten, die auf christliche Privat- oder Gemeindebibliotheken schließen lassen. Doch müssen die christlichen Gemeinden schon recht früh Archive oder Bibliotheken nicht völlig unumstritten ist könnte man in den Ausgrabungen nach entsprechenden Räumlichkeiten suchen. Am ehesten kommen hierfür die loci 1, 2 und 4 der Siedlung in Betracht. 33 »Aus dem ersten Jahrhundert sind uns keine direkten Nachbesessen haben, die nicht nur Teile oder das Ganze der heiligen Schriften Israels enthielten, sondern auch frühchristliche Schriften. Bekannt ist schon aus unseren ältesten Zeugnissen, dem paulinischen Schrifttum, dass frühchristlirichten erhalten, die auf christliche Privat- oder Gemeindebibliotheken schließen lassen.« che Schriften zirkulierten und so darf man annehmen, auch kopiert wurden. 36 Der Kanon in frühchristlichen Bibliotheken So richtet sich der Galater-Brief an die verschiedenen Gemeinden Galatiens, was doch wohl Vielleicht wird eine christliche Bibliothek schon Zirkulation oder Kopie des paulinischen Textes zu Beginn des zweiten Jahrhunderts in dem voraussetzt. Der Brief an die römischen Christen 22 ZNT 12 (6. Jg. 2003) (Röm 1,7, bezeichnenderweise nicht an die ekklesia in Rom! ) dürfte in den verschiedenen Hausgemeinden der Großstadt umgelaufen sein. Ein solcher Austausch von Schriften ist direkt belegt in dem (allerdings pseudo-paulinischen) Kolosser- Brief (Kol 4,16). 37 Auch in der Asia, in Makedonien und Achaia dürften die paulinischen Briefe über die genannten Primäradressaten hinaus gelesen worden sein. Dass die so umlaufenden Briefexemplare mehrfach benutzt und aufbewahrt wurden, kann schon für die frühe Zeit angenommen werden. Einen direkten Beleg für diese Praxis der urchristlichen Korrespondenz besitzen wir aus der Rezeptionsgeschichte eines Briefes der römischen Gemeinde nach Korinth vom Ende des ersten Jahrhunderts, dem ersten Clemensbrief, der noch ca. 100 Jahre später in Korinth im Gottesdienst verlesen wurde. 38 Die Aufbewahrung wich- Hermut löhr Der Kanon in der Bibliothek »Den Hirten aber hat ganz vor kurzem zu unseren Zeiten in der Stadt Rom Hermas verfasst, als auf dem Thron der Kirche der Stadt Rom der Bischof Pius, sein Bruder, saß. Und deshalb soll er zwar gelesen werden, aber öffentlich in der Kirche dem Volke verlesen werden kann er weder unter den Propheten, deren Zahl abgeschlossen ist, noch unter den Aposteln am Ende der Zeiten.« 49 Mit dieser Bemerkung unterscheidet der Text klar zwischen (privater erbaulicher) Lektüre und gottesdienstlicher Verlesung. Neben dem abgeschlossenen alttestamentlichen Kanon können nur die zur gottesdienstlichen Verlesung der Apostel zugelassenen Schriften als kanonisch im späteren Sinne gelten. 50 Apostolizität und gottesdienstliche Benutzung sind als »Kanonsprinzip« deutlich erkennbar; nicht jede bedeutsame und erhaltene frühchristliche Schrift findet Aufnahme in das kodifizierte kulturelle Gedächtnis des christlichen tiger frühchristlicher Schriften in Archiven oder Gemeindebibliotheken wird also verbreiteter Brauch gewesen sein und dürfte bei der Entstehung des neutestamentlichen Kanons eine entscheidende Rolle gespielt haben. 39 •'>»JYie,~'#foewahr/ i#g\{pich~i&ei. .Jtibl: qiisttir: her: Sclmften; Jnt•· · ,Archi,µ~n oder GßrrJt: in.äe~ ·•· · ... : h#>i,th(~enwir~: ~ls°'··~~rkreit 1 • ,1; e.ie: r8"'a~ gewe~,s~n.: Mnd• : Gottesvolkes. Der Kanon wird zur Idee, die unabhängig von den materiellen Bedingungen seiner Existenz überliefert werden kann. Dass der Kanon auf ein Archiv, eine Bibliothek angewiesen ist, ja selber eine solche Bibliothek darstellt, tritt demgegenüber in den Hintergrund. Dass der Kanon Teil einer umfassenderen Buchkultur ist und mit Während wir für die früheste Zeit nicht damit rechnen können, dass diese Bibliotheken sehr umfangreich waren und etwa den ganzen alttesta- <lfi_ffeefbi: i~e,-Bntsli; .n. . ~iJft¼mentliche~ .. .· .... ~f j ,., : em.e: entsc~eid.ewd~ R: olle, ·• 1 \: e. ieltliiilli: il.r. .. . .i.ifl! : .. ... n,<, ". mentlichen Kanon enthielten,4° konnten dann Justin 41 und Irenäus 42 in Rom, Tertullian in Karthago 43 sowie Clemens in Alexandrien 44 auf größere Buchbestände zurückgreifen, die den alttestamentlichen Kanon und bedeutende frühchristliche Schriften nicht nur die später kanonischen enthielten. 45 Die Jerusalemer Bibliothek, aus der Melito von Sardes vielleicht das älteste erhaltene christliche Kanonsverzeichnis des Alten Testaments erarbeitete,46 wurde nach 212 n.Chr. durch Bischof Alexander von Jerusalem angelegt. 47 Kanon und Bibliothek Das älteste erhaltene Verzeichnis des christlichen Kanons stammt vermutlich aus Rom, aus der Zeit um 200 n.Chr. 48 Dieses Verzeichnis, der sogenannte Canon Muratori schreibt über den Hirten des Hermas: ZNT 12 (6.Jg. 2003) ihr zusammen entstanden ist, ist für das im Canon Muratori formulierte Selbstverständnis des christlichen Kanons nicht entscheidend. Blickt man auf die Geschichte des alt- und neutestamentlichen Kanons, so muss man das sich so etablierende Kanonsverständnis als teilweise unaufgeklärt über sich selbst bezeichnen und kritisieren. Eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung der Entstehung des Kanons, die Existenz von Bibliothek und Buchkultur, spricht sich nicht mehr aus. Die Trennung von kirchlichem und kulturellem Kanon bahnt sich an, eine Trennung, die im kollektiven Bewusstsein bis heute fortdauert. Demgegenüber muss gegenwärtige theologische Reflexion auf den kirchlichen Kanon auf die kulturellen Implikationen und Bedingungen seiner Entstehung ebenso hinweisen wie auf die religiös motivierten Ursprünge der kulturellen Kanonsidee. 23 Anmerkungen 1 »Daher nahmen sie [gemeint sind die alexandrinischen Philologen Aristarch und Aristophanes von Byzanz; H.L.J aus der großen Menge der Redner gleichsam wie in einen Kanon nur zehn auf«, so Ruhnken, Historia Critica Oratorum Graecorum, in: P. Rutilii Lupi De Figuris Sententiarum et Elocutionis Libri Duo, Leiden 1768, XXXV-C: XCV. 2 Vgl. R. Pfeiffer, Geschichte der klassischen Philologie. Von den Anfängen bis zum Ende des Hellenismus, München 2 1978, 255. 3 Vgl. Euseb, Kirchengeschichte 6,25,3: »Diese Schriften zählt Origenes in den erwähnten Kommentaren auf. In dem ersten Buche seines Matthäuskommentares bezeugt er in Übereinstimmung mit dem kirchlichen Kanon, dass er nur vier Evangelien kenne« (Übersetzung von H. Kraft, München 2 1981, 299). 4 Schon Quintilian (Inst 10, 1) bezieht den Begriff Kanon auf die in Alexandrien erarbeiteten Zusammenstellungen »klassischer« Autoren der verschiedenen Literaturbereiche. 5 Zur aktuellen Reflexion auf den Kanon in den Geistes- und Kulturwissenschaften vgl. nur H.L. Arnold (Hrsg.), Literarische Kanonbildung, Sonderband von Text und Kritik IX, 02, München 2002; Kaiser, G.R./ Matuschek, S. (Hrsg.), Begründungen und Funktionen des Kanons, Heidelberg 2001. • Einschlägig zur Konzeption des »kulturellen Gedächtnisses« ist die anregende Studie von J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992. Assmann greift dabei u.a. auf Ideen von Maurice Halbwachs zurück; vgl. z.B. Halbwachs, La memoire collective, Paris 1950. Den Zusammenhang von griechischer und jüdischer Kanon-Bildung betont auch Assmann, Gedächtnis, 164, allerdings unter dem mir anachronistisch scheinenden Aspekt der »Sicherung nationaler Identität«. 7 Merkwürdigerweise gehen die wichtigen neueren Untersuchungen zur Kanonsgeschichte von Th.K. Hecke! , Vom Evangelium des Markus zum viergestaltigen Evangelium (WUNT 120), Tübingen 1999; D. Trobisch, Die Entstehung der Paulusbriefsammlung (NTOA 10), Fribourg / Göttingen 1989; ders., Die Endredaktion des Neuen Testaments. Eine Untersuchung zur Entstehung der christlichen Bibel (NTO A 31 ), Fribourg / Göttingen 1996 nicht auf die Frage nach der Aufbewahru,ng der urchristlichen Literatur ein. Vgl. dagegen die Uberlegungen von C.-J. Thornton, Der Zeuge des Zeugen. Lukas als Historiker der Paulusreisen (WUNT 56), Tübingen 1991, 48-53. ' Der vermutlich erste Bibliothekar der Bibliothek von Alexandrien, Zenodotos von Ephesus, ist bekannt geworden für seine Arbeit an zuverlässigen Texten des Homer und des Pindar. 9 Eine eindringliche Würdigung der Bedeutung der alexandrinischen Hermeneutik findet sich in dem im deutschen Sprachraum zu wenig beachteten Buch von G. Gusdorf, Les origines de l'hermeneutique, Paris 1988. Vgl. ferner Pfeiffer, Geschichte, 114ff. mit Diskussion der verschiedenen Überlieferungsprobleme. 10 Die berühmten und viel zitierten pinakes (»Tafeln«) des 24 alexandrinischen Bibliothekars Kallimachos sind keine Bibliothekskataloge, wie man leider immer noch hier und da liest, sondern stellen eine Art Bio-Bibliographie monumentalen Ausmaßes dar, die auf Vorarbeiten in der Bibliothek und wohl mit den vorhandenen Bibliothekskatalogen zurückgeht; vgl. Christas Fakas, Art. Pinax, Der Neue Pauly 9, 1029; Otto Regenbogen, Art. Pinax, PW 20, 1420. 11 Josephus, Ant 12,12-118 bietet eine Paraphrase des Aristeas-Briefes. 12 Vgl. Arist l0f.29-32. 13 Vgl. M. Harl/ G. Dorival/ O. Munnich, La bible grecque des septante. Du judai'sme hellenistique au christianisme ancien (Initiations au christianisme ancien), Paris 1988, 39-78; N.F. Marcos, The Septuagint in Context. Introduction to the Greek Versions of the Bible, Boston / Leiden 2001, 35-66; vgl. das Fazit S. 63: »Accordingly, an historical nucleus has to be accepted in the traditions included in this letter [i.e. Arist; H.L.J«. Möglicherweise gibt noch das erste sichere pagane Zitat der Septuaginta bei Pseudo-Longin (1. Hälfte 1. Jh. n.Chr.) einen Hinweis auf den alexandrinischen Bibliothekar Kallimachos und seine pinakes; vgl. Harl/ Dorival/ Munnich, La bible, 76f. NachJustin (Mitte 2. Jh. n.Chr.), Apol 1,31,5 sind die übersetzten Schriften »bis heute« in der Bibliothek vorhanden. 14 Vgl. die knappe Beschreibung bei K. Aland, Repertorium der griechischen christlichen Papyri. I. Biblische Papyri (PTS 18), Berlin/ New York 1976, 96. 15 Vgl. P.W. Skehan u.a., Qumran Cave 4. IV. Paleo-Hebrew and Greek Biblical Manuscripts (DJD 9), Oxford 1992, 168.188.194. 16 Edition: E. Tov, The Greek Minor Prophets Serail from Nahal Hever (8HevXIIgr) (DJD 8), Oxford 1990, 9. Als Spezialstudie zu diesem Themenkomplex ist zu nennen: E.J. Revell, Biblical Punctuation and Chant in the Second Temple Period, JSJ 7 (1957), 181-198. Auch in einer der ältesten erhaltenen neutestamentlichen Handschriften, P 46 aus dem Faijum, finden sich Spatien vor Sinnabschnitten; vgl. Aland, Repertorium, 275. 11 Vgl. VitCont 21. 18 Möglicherweise ist an die in VitCont 29 genannten Schriften gedacht. Oder »anderes« meint zusammen mit den »Hymnen« den dritten Teil der heiligen Schriften Israels. 19 »Im achtunddreißigsten Jahr nämlich unter dem König Euergetes kam ich nach Ägypten und blieb dort während seiner [Lebens-] Zeit, und ich fand ein Beispiel nicht geringer Bildung ... « ' 0 Vgl. zur Frage der bei Jesus Sirach vorauszusetzenden biblischen Schriften M. Hengel, Die Septuaginta als »christliche Schriftensammlung«, ihre Vorgeschichte und das Problem ihres Kanons, in: ders. / A.M. Schwemer (Hrsg.), Die Septuaginta zwischen Judentum und Christentum (WUNT 72), Tübingen 1994, 182-284; 257: »Eine Durchsicht des Werks, und hier vor allem der im Lob der Väter Sir 44-50,24 verwendeten Schriften zeigt, daß der Großvater alle Bücher des hebräischen Kanons außer Ruth, Hoheslied, Esther und Daniel kannte bzw. zitierte ... «; H.P. Rüger, Le Siracide: un livre a 1a frontiere du Canon, in: J.-D. Kaestli/ O. Wermelinger (Hrsg.), Le canon de l'Ancien Testament, Genf 1984, 47-69: 60-66. ZNT 12 (6. Jg. 2003) 21 Die Weisheit spricht von »meinem Haus des Lehrens«. Die griechische Textüberlieferung bietet oikos paideias, die syrische bet yulpano. Dies entspräche dem hebräischen bet musar (»Haus der Erziehung«). In der Vulgata fehlt der Vers. Vgl. F. Vattioni, Ecclesiastico. Testo ebraico con apparato critico e versioni greca, latina e siriaca (Testi 1), Neapel 1968, 280f. 22 C. Hezser, Jewish Literacy in Roman Palestine (TSAJ 81), Tübingen 2001, 40-68 kritisiert das klassische, wesentlich von Wilhelm Bacher (1903) wissenschaftlich fundierte, sich besonders auf yKet 8,11 (32c) und bBB 21a berufende Bild einer jüdischen Elementarschulerziehung schon in der Zeit des Zweiten Tempels. Dass es zu dieser Zeit in Qumran schon eine Art Schulwesen gab (lQSa 1,6-8), in dessen Rahmen Tara unterrichtet wurde, muss die Autorin (S. 47f.) allerdings zugestehen. Ist die jüdische Elementarschule also in Qumran erfunden worden? Kaum! Den Beleg aus Sir übersieht Hezser. Weiter Nachrichten über (Schul-? ) Bildung und Lesefähigkeit von Juden bei Philo, Leg 115.210; SpecLeg 2,233; Lk 4,16; Josephus, Ap 2,204. Auf eine schulische Funktion der Synagoge deutet auch die Bezeichnung didaskaleion (nur) bei Philo, Mos 2,216; Dec 40; SpecLeg 62; Praem 66; Leg 312. 23 Vgl. A. Deissmann, Die Synagogen-Inschrift des Theodotos zu Jerusalem, in: ders., Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-römischen Welt, Tübingen 4 1923, 378-380 (Abb. S. 379). 24 Vgl. Josephus, Bell 2,291 (Cäsaraea); Lk 4,16-20. 25 Vgl. D.D. Binder, Into the Temple Courts. The Place of the Synagogues in Second Temple Period (SBL.DS 169), Atlanta (GA) 1999, 433. 2• Vgl. Philo, Hypoth 7,11-14; Apg 13,15; 17,2f.; ferner Josephus, Ap 2,175; Philo, Op 128; Apg 15,21. 2' Vgl. Mt 23,6; Mk 1,22f.; 12,29; Lk 11,43; 20,46. 28 Vgl. Binder, Temple Courts, 434 (mit Abbildung). Die frühen Synagogen in Palästina (neben Gamla auf Masada, dem Herodeion, in Qumran sowie in Kafarnaum) lassen keinen festen Tara-Schrein erkennen. 29 Vgl. F.-M. Abel, Les livres des Maccabees (EtB), Paris 2 1948, 308. 30 Gerade diese Tatsache spricht für die Historizität der Notiz, vgl. M. Hengel, Judentum und Hellenismus (WUNT 10), Tübingen 2 1973, 207 Anm. 42. M. Kellermann, » Wenn ihr nun eines von diesen Büchern braucht, so laßt es euch holen.« (2Makk. 2,15). Eine antike Aufforderung zur Fernleihe, ZDPV 98 (1982), 104-109: 107ff. spielt Tendenz und historischen Hintergrund in problematischer Weise gegeneinander aus. 31 Nach dem späten, außerkanonischen Traktat Soferim 6,4 (R. Simon b. Laqisch, ein Amoräer der zweiten Generation) gab es im Tempel drei Tara-Exemplare. Vgl. ferner mMQ 3,4; mKel 15,6; tKel BM 5,8 (Buch Esras); ySheq 4,2 (48a) sowie den Aufsatz von S. Talmon, The Three Serails of the Law that were found in the Temple Court, Textus 2 (1962), 14-27. Im Brief des Julius Africanus an Aristides (Anf. 3. Jh. n.Chr.) wird erwähnt, dass die jüdischen Geschlechtsregister in den (wohl Jerusalemer) Archiven durch Herodes verbrannt wurden; bei Euseb, Kirchengeschichte 1,7,13. 32 H.Y. Gamble versucht in seinem viel beachteten Buch: Books and Readers in the Early Church. A History of ZNT 12 (6. Jg. 2003) Early Christian Texts, New Haven/ London 1995, 193f. nachzuweisen, dass die Höhle 4(a) in der Mergelterasse von Qumran die reguläre Bibliothek der Siedlung gewesen sei. Doch ist Gambles Argumentation ungenau bis fehlerhaft. So stimmt es nicht, dass in Höhle 4 keine Gefäße (pithoi) gefunden wurden, in denen Manuskripte aufbewahrt werden konnten; vielmehr gibt der Ausgräber de Vaux die Reste von vier pithoi an; keiner allerdings mit Manuskripten gefüllt. Ein fünfter pithos war beschriftet und enthielt ursprünglich offenbar Lebensmittel. Vgl. de Vaux, Qumran Grotte 4. I. Archeologie (DJD 6, 1-29), Oxford 1977, 15-19; ders., Die Ausgrabungen von Qumran und En Feschcha. IA. Die Grabungstagebücher. Deutsche Übersetzung und Informationsaufbereitung durch F. Rohrhirsch und B. Hofmeir (NTOA.SA 1A), Fribourg/ Göttingen 1996, 86. Ferner finde ich keine Bestätigung für Gambles Angabe, in den Wänden der Höhle seien von Menschenhand gearbeitete Löcher gefunden worden, die zur Verankerung von hölzernen Regalen hätten dienen können. Zur Archäologie der vierten Höhle vgl. R. de Vaux, Qumran Grotte 4, 21f. Aufgrund des Fundzustandes der Rollen versucht H. Stegemann, Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus, Freiburg u.a. 4 1994, 89-93 die Geschichte der Rollen beim Herannahen der Römer zu rekonstruieren. Der vierten Höhle kommt dabei die Rolle eines letzten Notversteckes für die noch nicht gesicherten Reste der Bibliothek zu. Zu bedenken ist bei solchen Vermutungen allerdings, dass der Zustand von Höhle 4, der sich den Forschern darbot, keineswegs der ursprüngliche Zustand gewesen sein muss. Vor allem kann Gamble nicht erklären, wieso die Bibliothek nicht ursprünglich als Gebäude in die Siedlung, zu der sie gehören soll, integriert wurde. 33 Vgl. R. de Vaux, Archaeology and the Dead Sea Serails. The Schweich Lectures of the British Academy 1959, London 2 1973, 32f.; Stegemann, Essener, 59-63. 34 Mehrheitlich wird die Korrespondenz des Ignatius für echt gehalten und in die Zeit Trajans datiert; anders jedoch R. J oly, Le dossier d'Ignace d'Antioche, Brüssel 1979, passim. 35 Vgl. Joly, Le dossier, 66. Meist wird der Begriff jedoch auf alttestamentliche Schriften gedeutet, vgl. nur neben Gamble, Books, 152f. und H. Koester, Synoptische Überlieferung bei den Apostolischen Vätern (TU 65), Berlin 1957, 8f. besonders W.R. Schoedel, Ignatius of Antioch. A Commentary on the Letters of Ignatius of Antioch, Philadelphia 1985, 207-209, dessen Übersetzung des Textes jedoch schon eine problematische Ergänzung enthält. 36 Deutlich fungierte der in PastHerm vis 2,4 (8,3) erwähnte Sekretär der Gemeinde Clemens als Kopist frühchristlicher Briefe. Vgl. auch die Ausarbeitung dieser Nachricht im Liber Pontificalis (6. Jh. n.Chr.), in der Ausgabe von L. Duchesne, Bd. I, Paris 1955, 53. Den Hinweis entnehme ich H. Leclerq, Art. Bibliotheques, DACL II/ I, 842-904: 854. 37 Vgl. auch den Brief des Bischofs Polykarp von Smyrna an die Gemeinde in Philippi, Kap. 13,2. 38 Vgl. Bischof Dionysios von Korinth an Bischof Soter von Rom, bei Euseb, Kirchengeschichte 4,23,11. Eindrücklich belegt ist die Kopierpraxis des frühen Christentums auch durch den Schluss des Polykarpmartyriums, vgl. MartPol 22,2f. 25 39 Für Martin Hengel sind auch die Evangelienüberschriften ein Beleg für die Gemeindebibliotheken im frühen 2. Jh.; vgl. ders., Die Evangelienüberschriften, SHAW.PH 1984,3, Heidelberg 1984. 46 Bei Euseb, Kirchengeschichte 4,26,13f. Offenbar war Melito das Wissen um den Umfang dieses Kanons nicht einfach durch die jüdisch-christliche Tradition gegeben, es bedurfte der Erforschung. 40 Immerhin scheint die Gemeinde Roms noch im ersten Jahrhundert über die Bücher Judit und Ester verfügt zu haben; vgl. 1Clem 55,4-6. Vgl. im Übrigen die Überlegungen von Hengel, Septuaginta, 269. 47 Vgl. Euseb, Kirchengeschichte 6,20. 48 Anders jedoch A.C. Sundberg, Canon Murtori: a fourth century ! ist, HThR 66 (1973), 1-41. 49 Canon Muratori, Z. 73-80; Übersetzung nach W. 41 Vgl. Hengel, Septuaginta, 190f. Schneemelcher (Hrsg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. I. Band. Evangelien, Tübingen 1990, 29. 42 Zu Irenäus vgl. Thornton, Zeuge, 52. 43 Vgl. Gamble, Books, 152 mit Anm. 19. 44 Zur Bibliothek in Alexandrien vgl. Hengel, Septuaginta, 272. 50 Zur gottesdienstlichen Verlesung der »Schriften der Propheten« und der»Denkwürdigkeiten der Apostel« vergleiche auch die erste ausführliche Schilderung eines christlichen Gottesdienstes durch Justin, Apologie 1,67,3. 45 Zur Bibliothek von Cäsaraea, die auf Origenes zurückgehen wird, vgl. R. Cadiou, La bibliotheque de Cesaree et la formation des chaines, RSR 16 (1936), 474-483. 26 TANZ - Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter Claudia Lose kam Die Sünde der Engel Die Engelfalltradition in frühjüdischen und gnostischen Texten Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter 41, 2003, ca. 320 Seiten, ca.€ 58,-/ SFr 95,80 ISBN 3-7720-8001-4 (erscheint November 2003) Die in Gen 6, 1-4 geschilderte Verbindung zwischen den vom Himmel herabsteigenden "Söhnen Gottes" mit den Töchtern der Menschen bildet den Urstoff facettenreicher Ausgestaltungen in Texten der jüdischen Apokalyptik und in gnostischen Schriften. In detaillierten Textanalysen arbeitet Losekam Verbindungslinien zwischen frühjüdischen und gnostischen Texten heraus. Innerhalb der gnostischen Literatur ist dabei eine Tendenz der Remythologisierung biblischer Überlieferungen unübersehbar. Die mythische Ausstattung des biblischen Textes wird in der gnostischen Exegese erneuert und verstärkt, um so das Wirken des Bösen in der Welt zu erklären. Die gängige Umschreibung gnostischer Bibelexegese mit den Stichworten "Protestexegese" und "Revolte" greift angesichts der Varianz der mythologischen Erzählungen zu kurz. Vielmehr handelt es sich um eine Vermittlung biblischer Positionen mit Interessen eines hellenistisch gebildeten Publikums. A. Francke Verlag Tübingen und Basel ZNT 12 (6.Jg. 2003)