eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 6/12

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
121
2003
612 Dronsch Strecker Vogel

Kanon und Gnosis - Überlegungen zur »Bibel der Häretiker«

121
2003
Martina Janßen
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Martina Janßen Kanon und Gnosis - Überlegungen zur »Bibel der Häretiker« »Wie die Bücher des Neuen Testaments heilige Schrift wurden«,1 ist eine der kompliziertesten Fragen der Theologie- und Kirchengeschichte. Da es »einen gemeinsamen christlichen Kanon nie gegeben hat«,2 muss die Erforschung der Kanonbildung Umfang und Bedeutung der biblischen Schriften nach geographischen Räumen, lokalen und regionalen Traditionen, Epochen, christlichen Gruppierungen sowie institutionellen Kontexten gesondert betrachten. Eine Facette im Formierungs- und Differenzierungsprozess der alten Kirche sind die christlichen Gnostiker. 3 Ihr koptischer Sprache, die in der Regel auf nicht mehr vorhandene griechische Originale zurückgehen. Die Nag-Hammadi-Bibliothek bietet indes keine orthonyme Literatur bekannter gnostischer Lehrer wie Valentin oder Basilides. Fast alle Schriften sind anonym bzw. pseudonym und laufen unter den Namen von biblischen und mythologischen Offenbarern. 6 Ein großer Teil der N ag-Hammadi-Texte ist dabei den Aposteln zugeschrieben und gehört somit zu den neutestamentlichen Apokryphen.' Es finden sich unter den Schriften aus N ag Hammadi ein Gebet des Umgang mit den biblischen Schriften ist Gegenstand der folgenden Überlegungen. 4 Die christlich-gnostischen Originaltexte setzen bereits einen Großteil der biblischen Schriften voraus. Obgleich ihre Datierung im Einzelfall schwierig und oft auf die Argumentation mit inneren Gründen angewiesen ist, dürften die gnostischen Zeugnisse bis auf wenige mögliche ältere Ausnahmen (z.B. Ev- »Da es >einen gemeinsamen christlichen Kanon nie gegeben hat<, muss die Erforschung der Kanonbildung Umfang und Bed,: utung der biblischen Apostels Paulus (PrecPl), pseudapostolische Briefe (EpJac, EpPetr) und Apokalypsen (ApokPl, lApokJk, 2ApokJk, ApokPetr) sowie Apostelgeschichten (ActPt; auch EpPetr ist an Apg 1-12 orientiert). Weiter existieren unterschiedliche Schriften, die den Titel »Evangelium« tragen (EvThom; EvPhil; EvÄg). Zudem ist eine anonyme Homilie überliefert, Schriften nach geographischen Räumen, lokalen und regionalen Traditionen, Epochen, christlichen Gruppierungen sowie institutionellenKontexten gesondert betrachten.« Thom; EpJac) weitgehend aus dem späten zweiten oder dritten Jahrhundert stammen. Zu dieser Zeit waren wesentliche Bestandteile des christlichen Kanons bereits vorhanden, auch wenn dieser sich erst im vierten Jahrhundert zu etablieren begann (39. Osterfestbrief des Athanasius). Damit gehören auch die gnostischen Texte zur Auslegungsgeschichte des Alten und des Neuen Testaments. 1. »Bibel der Häretiker«? Der Fund der Nag-Hammadi-Schriften (Ende 1945) bereicherte unsere Kenntnis über authentische Zeugnisse der Gnostiker in vielerlei Hinsicht.5 Die aus dem vierten Jahrhundert stammenden 13 Codices enthalten über 50 Schriften in ZNT 12 (6. Jg. 2003) die unter dem Namen »Evangelium Veritatis« bekannt geworden ist. Diese titellose Schrift beginnt mit den Worten: »Das Evangelium der Wahrheit ist Frohlocken für die, die vom Vater der Wahrheit die Gnade empfangen haben, ihn zu erkennen (... ).« 8 Schließlich gibt es Apokryphen, die als Gespräche Jesu konzipiert sind (SJC, Dial, LibThom, AJ); Elemente dieser Textsorte erscheinen auch in den oben genannten Briefen und Apokalypsen sowie außerhalb der Nag-Hammadi-Bibliothek (PistSoph, Jeu, EvMar). Ein kurzer Blick auf die relevanten Texte aus Nag Hammadi zeigt, dass sich den neutestamentlichen Schriften vergleichbare literarische Formen bzw. Benennungen finden (»Evangelium«, Brief, Apostelgeschichte und Apokalypse). Angesichts der »kanonischen Gattungen« mit ihren pseudapostolischen Verfasserfiktionen stellt sich die 39 Frage, ob die Nag-Hammadi-Dokumente »Heilige Schriften« der Gnostiker sind und dabei bewusst als »Ersatzbibel« mit Größen wie Hermes Trismegistos, Melchisedek, Adam, Seem, Seth, Norea, Dositheus und Zostrianos erscheinen als Offenden neutestamentlichen Texten konkurrieren wollen. Solche Vermutungen legen sich nicht zuletzt durch den »Kanon« der Mani-Schriften nahe. 9 »Angesichts der>kanonischen Gattungen« mit ihren pseud~ barer, Offenbarungsempfänger und literarische Figuren. Auch die gnostischen Systeme differieren stark; die Spannbreite reicht von hermetischen über valentinianisch-gnostische bis hin zu den sogenannten »sethianischen«12 Texten. Die Deutung all dieser verschiedenartigen Zeugnisse als »heilige, kano- Erwägungen über den Sitz im Leben der Nag-Hammadi- Schriften sind prinzipiell hypothetischer Natur und müssen viele ungeklärte Aspekte berücksichtigen; hier apostolischen Verfasserfiktionen stellt sich die Frage, ob dieNag-Hammadi.: .Dokumente »Heilige Schriften< der Gnostiker sind und dabei bewusst als >Ersatzbibel< mit den neutestamentlichen Texten konkurrieren wollen.« sei nur an die doppelte Überlieferung e1mger Texte (z.B. EvVer, AJ, EvÄg), die Unterschiede der einzelnen Codices hinsichtlich Einband, Format und koptischem Dialekt, die Anordnung der Schriften sowie die Existenz einer Schreibernotiz in Codex VI (65,8-14 ) 10 erinnert. Letztlich bleibt unklar, ob die Sammlung aus Nag Hammadi als Kompendium von Ketzerbestreitern fungierte, oder ob Gnostiker selbst diese Quellen zusammengestellt haben. Entscheidet man sich für die letzte Möglichkeit, so fällt Folgendes auf: Die N ag- Hammadi-Codices enthalten keine alttestamentlichen oder neutestamentlichen Schriften, obwohl viele Nag-Hammadi-Texte biblische Traditionen rezipieren. Dies könnte auf eine unterschiedliche Bedeutung von biblischen und apokryphen Schriften hinweisen. Für eine hervorgehobene Stellung der biblischen Zeugnisse spricht weiter, dass abgesehen von wenigen Ausnahmen die oben genannten Apostelschriften aus Nag Hammadi im Gegensatz zu den biblischen Quellen weniger bzw. gar nicht in gnostischen Werken explizit zitiert werden. 11 Etliche Nag- Hammadi-Schriften waren bis zu ihrer Entdeckung 1945/ 46 gänzlich unbekannt. Ein fest etablierter gnostischer Schriftenkanon hätte wohl mehr Spuren hinterlassen. Schließlich sind die Nag-Hammadi-Dokumente als Corpus inhomogen. Die oben erwähnten apostolischen Apokryphen machen nur einen Teil dieser »Bibliothek« aus. Viele Texte darunter Offenbarungsschriften, hymnische und liturgische Dokumente, Briefe, Sentenzensammlungen und Traktate sind nicht-christlich und einige nicht-gnostisch, wieder andere weisheitlich. 40 nische Schrift« einer Gruppe ist schwer vorstellbar. 2. »Evangelien aus dem Nilsand? « 13 Kann man die Nag-Hammadi-Schriften in ihrer Gesamtheit also kaum als »Ersatzbibel« bezeichnen, so ist doch nach dem Anspruch der einzelnen gnostischen Apokryphen zu fragen. Im Gegensatz zu Apokalypsen und Briefen, die relativ unspezifische Formen im Kontext antiker Literatur sind, rekurriert ein mit »Evangelium« betitelter Text auf eine >neue<, typisch christliche Gattung. Blicken wir deswegen kurz auf die sogenannten gnostischen Evangelien. Abgesehen von den Nag- Hammadi-Schriften existieren zahlreiche weitere Apokryphen mit dem Titel »Evangelium«, die zum Teil nur dem Namen nach bekannt sind. Aus dem Codex Berolinensis ist den gnostischen Evangelien aus Nag Hammadi vor allem das »Evangelium nach Maria« hinzuzufügen, das in Fragmenten auch in griechischen Papyri (PapOxy 3525; PapRyl 463) bezeugt ist. 14 Abgesehen von dem nur oberflächlich christianisierten EvÄg werden die Titel am Ende der gnostischen Evangelien mit kata gebildet (vgl. z.B. EvThom; EvPhil; EvMar [BG 1]). Dieses Verfahren setzt bereits die Existenz der »kanonischen« Evangelien samt ihrer Überschriften voraus. 15 Wollen sich die apokryphen Evangelien durch Nachahmung der kanonischen Vorbilder selbst der Gattung »Evangelium« zuordnen, die vier neutestamentlichen Evangelien ergänzen (lren.haer.1,20, 1; 1,31,1; 3,11,9) oder gar ersetzen? Fordern sie kanonische Geltung? ZNT 12 (6. Jg. 2003) Martina]anßen Di: , .Manina Janßen, Jahrgang .1971, Studium der Evangelischen Theologie und Germanistik in Oldenburg und.Göttingen, Promotion zumDr. theol. 2000. Seit 2001 wissenschaftliche Assistentin an den Vereinigten Theologischen: Seminaren der Universität Göttingen im Fach Neues Testament. Ihr Habilitationsprojekt befasst sich mit Problemen der Pseudon: ymität, Anonymität und korrekt benannter Verfasserschaft der Schriften des Neuen.Testaments und der frühen christlichen Literatur. Hier ist aus mehreren Gründen Skepsis angebracht. Zunächst trugen die gnostischen Apokryphen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ursprünglich den Titel »Evangelium«; dieser ist in den meisten Fällen nur als Subscriptio oder im Kolophon vorhanden und sonst nicht mit dem Text verbunden. Vermutungen über den sekundären Charakter des Titels hat man z.B. für das EvPhil weiter aus inhaltlichen und formalen Gründen ausgesprochen. 16 Hinzu kommt, dass einige der betreffenden Schriften zwei Titel aufweisen, von denen »Evangelium« jeweils sekundär bzw. ein Zusatztitel zu sein scheint. 17 Damit ist die Behauptung, ein »Evangelium« zu schreiben, nicht auf die anonymen Verfasser der Schriften selbst zurückzuführen. Etwas anders verhält es sich mit dem EvVer; dieses trägt zwar keinen Titel,1' aber das vermehrte Vorkommen des Terminus »Evangelium« (16,31; 18,1 lf.) sowie seines koptischen Äquivalents smnoufe (34,35) weist auf einen besonderen Anspruch hin. »Evangelium« wird hier im strengen Sinne des Wortes gebraucht. Die Schrift dient der Auslegung der »Frohen Botschaft« (vgl. Röm 1,16; Eph 1,13), imitiert jedoch dabei nicht die Gattung der kanonischen Evangelien. Mit dieser Beobachtung deutet sich ein wichtiger Gesichtspunkt an. ZNT 12 (6.Jg. 2003) Die Form der gnostischen »Evangelien« gleicht in keinem Fall den neutestamentlichen Evangelien. Die apokryphen Schriften sind Homilien (EvVer), Spruchsammlungen (EvThom), Florilegien (EvPhil), Dialoge (EvMar) oder mythologisch-liturgische Offenbarungsschriften (EvÄg). Allein die in der Gnosis mit dem Titel »Evangelium« verbundene Formenvielfalt weist darauf hin, dass man keine neue »Geschichte Jesu« kein neues Evangelium schreiben will. Weiter greifen die meisten apokryphen Evangelien in vielerlei Hinsicht auf die kanonischen zurück und rezipieren sie als autoritative Schriften positiv. Neben ungekennzeichneten Bezugnahmen wie im Fall des EvVer und des EvMar 19 sind die Entlehnungen mitunter durch Zitationsformeln direkt markiert (vgl. z.B. EvPhil 57,3ff.). Die Insertionsformel »Jesus sagt« ist im Fall des EvThom, das eine Spruchsammlung darstellt, konstitutiv für die Form des Textes selbst. Insofern ist der Zitatcharakter hier nicht eindeutig. Die gnostischen »Evangelien« unterscheiden in der Regel nicht zwischen den einzelnen Teilen des Tetraevangeliums, sondern leiten die Zitate mit »der Erlöser« bzw. »der Herr sagt« ein. Dies muss kein Indiz für eine freie oder vorkanonische Logienüberlieferung sein. 20 Die Einführung der Evangelienzitate als »Herrenworte« entspricht den zeitgenössischen Zitiergewohnheiten. Es dienen jedoch nicht allein die kanonischen Aussprüche Jesu als Referenzmaterial; man führt neben anderen biblischen Schriften auch außerkanonische Logien J esu mit derselben Zitationsformel an. Ein Teil dieser Agrapha ist identifizierbar und kann frühchristlichen Schriften zugeordnet werden. 21 All diese genannten Aspekte lassen den Schluss zu, dass die gnostischen Evangelien trotz ihres Offenbarungscharakters nicht an die Stelle der kanonischen treten wollen, sondern diese gerade als Basis für ihre exegetisch-theologische Innovation betrachten. Damit ist ein wesentliches Moment hinsichtlich der »Heiligen Schriften« der Gnostiker angesprochen. 3. »Wie es geschrieben steht... « Der Rückgriff auf biblische Traditionen und Schriften ist ein Merkmal der gesamten christlich- 41 gnostischen Literatur. 22 Im alttestamentlichen Bereich sind unter anderem die Bücher Genesis, Exodus und Deuteronomium, Jesaja und insgesamt die Propheten sowie die Psalmen Gegenstand der (oft umkehrenden und polemischen) Rezeption. In Hinsicht auf das Neue Testament ist in der Regel 23 verstärkt ein Rekurs auf Paulus, den haereticorum apostolus (Tert.Marc. 3,5,4), und die Evangelien (Iren.haer. 3,11,7) zu verzeichnen. Hier spielen wiederum das »pneumatische Evangelium« (Eus.h.e. 6,14,7) des Johannes und das Matthäusevangelium eine besondere Rolle. 20 Nicht alle biblischen Schriften werden dabei in gleicher Weise in Anspruch genommen. Auch die Ablehnung bestimmter Texte (vgl. für Apg Tert.praesc. 22) oder Textteile (vgl. für Lk Iren.haer. 3, 14,4) ist bezeugt. Die biblischen Schriften haben allerdings in den meisten Fällen keine exklusive Bedeutung; es herrscht in weiten Bereichen der christlichen Gnosis eine Vielfalt von autoritativen Offenbarungsschriften. So kommt z.B. den Oden Salomos in PistSoph eine gleiche Funktion wie den alttestamentlichen Psalmen zu. 25 Ein besonders ausgeprägtes Beispiel für die Verwendung apokrypher Quellen neben biblischen Schriften stellt zweifelsohne das Referat lichkeiten zustimmender und ablehnender, bewusster und unb.ewusster intertextueller Bezugnahme aus." Gelegentlich sind die Formen der Intertextualität referentiell und der Übernahmeprozess ist durch Einleitungsformeln transparent gemacht. Bei der Zitation der biblischen Schriften erscheinen freie Paraphrasen, genaue Zitate und regelrecht wortgetreue Wiedergaben. Es gibt ferner Gemeinsamkeiten im Sprachgebrauch. Weiter liegen Verweise, Stichwortassoziationen,28 Nacherzählungen, Kommentierungen, Fortschreibungen, Neuakzentuierungen und Interpretationen biblischer Abschnitte vor. Letzt genanntes Phänomen betrifft vor allem die gnostische Rezeption bestimmter Passagen aus der Genesis: So wird die Paradieserzählung durch die Brille des gnostischen Mythos unter Heranziehung diverser exegetischer Strategien neu erzählt (vgl. z.B. AJ, HA, UW). 29 Ferner knüpfen die Gnostiker an theologische Vorstellungen an, die in den neutestamentlichen Schriften wurzeln. 10 Besonders Joh 1,1-18 hat im gnostischen Schrifttum zahlreiche Spuren hinterlassen. 31 Weiter baut die »Interpretation der Erkenntnis« die paulinische (lKor 12; Röm 12) und deuteropaulinische (Eph 4) Leib-Christi-Ekklesiologie aus. Der Brief Hippolyts über die Naassener dar (Hipp.haer. 5,6,3-11,1). Allgemein existieren in der gnostischen Literatur Reminiszenzen an antike Dichtung (z.B. Homer), jüdische Traditionen, pagane Mythologie und apokryphe Schriften unterschiedlichster Provenienz. Die zahlreichen Hinweise auf »Die biblischen Schriften haben allerdings in den meisten Fällen keine exklusive Bedeutung; es herrscht in weiten Bereichen der an Rheginus führt paulinische Aussagen über die Auferstehung weiter, wobei sich der Verfasser explizit auf den Apostel Paulus beruft (Rheg 45,23ff.: »Dann aber, wie der Apostel gesagt hat, [Röm 8,17; Eph 2,5-6; Kol 3,3f; 2Tim 2,llf].«). Neben derbekannten gnostischen Rezeptichristlichen Gnosis eine Vielfalt von autoritativen Offenbarungsschriften. « Quellen oder Geheimtraditionen in der gnostischen Originalliteratur und in den Referaten der Kirchenväter sprechen für sich. 26 Auch die Nag- Hammadi-Schriften nehmen in unterschiedlicher Weise aufeinander Bezug; mitunter liegt eine literarische Abhängigkeit vor (SJC; Eug). Weiter ziehen die Gnostiker wissenschaftliche und philosophische Traditionen heran. So findet sich in Nag-Hammadi-Codex VI z.B. ein auch im Neuplatonismus oft rezipierter Abschnitt aus Platon's »Staat« (588A-589B). Formen und Technik der Rezeption autoritativer Schriften sind vielfältig und reizen alle Mög- 42 on von Mt 18,12-14par; Joh 10 in EvThom Log. 107; EvVer 31,35ff.; Iren.haer 1,16,lf.; 1,23,2f. ist auf die interpretierende Aufnahme von Phil 2,6-11 in gnostischen Schriften zu verweisen (vgl. hier die hymnischen Passagen in Inter 10,27-38[? ]; Silv [110,14-19a] 110,196- 111,20; EvVer 20,26ff.; ActThom 39). Unter eher formalem Aspekt rekurrieren die Gespräche J esu auf die kanonischen Erscheinungen des Auferstandenen und auf Apg 1,3. Der Schriftgebrauch ist indes nicht einheitlich: Grundsätzlich gilt, dass jedes gnostische Dokument einzelnen in Bezug auf Umfang und Art der Rezeption der biblischen Schriften befragt wer- ZNT 12 (6. Jg. 2003) Kodizes, die in Nag Hammadi gefunden wurden den muss. Vor allem folgende Gesichtspunkte sollten dabei leitend sein: Welche Teile des Kanons und welche in ihnen niedergelegten Theologoumena werden in welcher Funktion herangezogen und interpretiert? Welche Textversionen liegen zugrunde? Wie genau wird zitiert? Sind die Formen der Bezugnahme bewusst und intendiert? Haben die rezipierten biblischen Schriften kanonischen, autoritativen Rang, oder stellen sie lediglich angesehene Zeugnisse neben anderen Dokumenten dar? Greifen die Gnostiker auf einzelne biblische Schriften zurück, oder rekurrieren sie auf eine Sammlung kanonischbiblischer Schriften? 4. »Über die Unzucht der Seele prophezeit der Heilige Geist an vielen Stellen... « Besonders ausgeprägt ist der Gebrauch von biblischen Zitaten in der »Exegese über die Seele« (NHC Il,6). 32 Dieser vermutlich aus dem späten zweiten oder frühen dritten Jahrhundert stammende Text schildert den gnostischen Seelenmythos unter Verwendung des Bildes einer gefallenen und geretteten Jungfrau: Die Seele verlässt den himmlischen Vater, fällt in den Körper hinab und gibt sich der Prostitution hin. Sie bereut, kehrt um und erfährt Erneuerung in der Hochzeit mit ihrem wahren Bräutigam. Biblische Zitate und paränetische Abschnitte unterbrechen die mythische Erzählung, was jedoch nicht zwingend auf eine redaktionelle Bearbeitung hinweisen muss. ExAn wird gerade in jüngster Zeit mit Recht eine »biblisch fundierte Theologie« 33 unterstellt. Allein an der Benennung der Schrift zeigt sich die Bedeutsamkeit der herangezogenen Traditionen. Der am Anfang (127,18) und am Ende (137,27) des Textes überlieferte Titel teksegesis etbe tpsukhe ZNT 12 (6. Jg. 2003) Martina Janßen Kanon und Gnosis (ins Griechische rückübersetzt: he exegesis peri tes psyches) zeugt von philologischem Sprachgebrauch und meint »Exegese der (heiligen Schriften) über die Seele«. 34 Die Schriftstellen dienen in ExAn nicht als Zusatzbelege oder Ornament, sondern bilden zusammen mit der mythischen Erzählung und der paränetischen Anrede eine kohärente, kompositorische Einheit. Der anonyme Verfasser greift über weite Strecken auf die alttestamentlichen Propheten Jesaja, Jeremia, Hosea, Ezechiel, die Genesis und den Psalter zurück. Die alttestamentlichen Zitate, die auf dem Septuagintatext basieren und vermutlich unbeeinflusst von der klassischen koptischen Bibelübersetzung sind, 35 übertreffen die neutestamentlichen Entlehnungen an Anzahl und Umfang. Im Gegensatz zu der in gnostischen Kreisen verbreiteten polemisch-umkehrenden Textinterpretation des Alten Testaments werden die alttestamentlichen Schriften hier positiv rezipiert. Damit dokumentiert ExAn ähnlich wie PistSoph die Geltung des Alten Testaments auch in gnostischen Gruppen. Hinsichtlich der neutestamentlichen Schriften finden sich Zitate aus den kanonischen Evangelien nach Johannes, Matthäus, Lukas, weiter aus dem ersten Korintherbrief und dem Epheserbrief. Vermutlich liegen auch Anspielungen an die Apostelgeschichte vor (130,30: Apg 15,29; 21,25; 135,22ff.: Apg 13,24). Darüber hinaus bringt der anonyme Verfasser ein unbekanntes Prophetenzitat an (135,31-136,4). Dieser Passus ist bei 1Clem 8,3 im Anschluss die Wiedergabe von Ez 33,11; 18,23 überliefert; auch in Clem.paed. 1,10,91 wird ein Teil dieses Textes (135,35-136,4) zitiert und explizit auf Ezechiel zurückgeführt. 36 Neben den biblischen Zitaten erscheint auch die Odyssee des Homer als Referenztext. 37 Der gnostische Rückgriff auf Homer ist dabei nicht auf ExAn beschränkt (vgl. z.B. Hipp.haer. 5,7,30ff). In ExAn unterscheiden sich die Auszüge aus der Odyssee allerdings von den Zitaten aus den biblischen Quellen. Die Zitierung der alttestamentlichen und neutestamentlichen Schriften zeugt in den meisten Fällen von einer relativ engen Wiedergabe,3' während die Homerreferenzen freie Paraphrasen der Odyssee sind, die auch die Ilias im Blick haben und im Grunde eine Vertrautheit mit dem homerischen Gesamtopus erfordern. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, 43 dass die homerischen und biblischen Schriften in Bedeutung, Dignität und Gebrauch nicht auf einer Stufe stehen. Abgesehen von ungekennzeichneten Zitaten bzw. Anspielungen (vgl.136,23f.: Jer 11,20; 17,10; Ps 7,10) werden die Entlehnungen aus den biblischen Schriften durch Zitationsformeln eingeleitet. Die meisten Eingangsformeln geben die Verfasser und mitunter auch die Quelle des folgenden Zitates an. Die Entlehnungen aus den Prophetenbüchern werden in der Regel mit dem Namen des entsprechenden Propheten eingeführt; vgl. z.B. 129,22ff.: »Wiederum steht beim Propheten Hosea geschrieben: (Hos 2,4-9)«. Sie können jedoch auch ohne Angabe des Verfassers erfolgen; vgl. z.B. 136,4ff. (Jes 30,15). Die Anführung von Stellen aus dem prophetisch verstandenen Psalter ist dagegen uneinheitlich; vgl. 137, 15f.: »Wiederum steht in den Psalmen geschrieben: (Ps 6,7-10)«; vgl. 133,15ff.: »Der Prophet sagt nun in den Psalist vermutlich » Wiederum sagt auch [Helena]« zu lesen. Die Zitationsformeln und die relativ genaue Wiedergabe der biblischen Texte deuten eher auf einen Gebrauch schriftlicher Quellen als auf Gedächtniszitate hin und legen einen fortgeschrittenen Kanonisierungsgrad der herangezogenen biblischen Schriften nahe. Der Verfasser zitiert aus Geschichtsbüchern, Propheten und Psalmen sowie aus Evangelien, Briefen und vermutlich aus der Apostelgeschichte. Diese breite Basis der Zitate hinsichtlich beider Teile des biblischen Kanons lässt die Vermutung zu, dass Altes und Neues Testament bereits als Einheit zu gelten begannen und dem Verfasser von ExAn als Sammlung vorlagen. Die Zitate und Zitatennester (vgl. z.B. 129,5ff.; 135,29ff.) dienen zum großen Teil der Erläuterung und Begründung des zuvor dargelegten gnostischen Seelenmythos. 40 Dies erfolgt nicht allein men: (Ps 44,1 lf.)«; in 134,15ff. wird Ps 102,1-5 mit »Deswegen spricht der Prophet« eingeleitet. Die Stellen aus der Genesis sind nicht explizit auf Moses zurückgeführt, sondern gelten als prophetische Rede; vgl. 133,lff.: »Deswegen spricht der Prophet hinsichtlich des ersten Mannes und der ersten Frau: (Gen 2,246).« 39 Die Worte Jesu erscheinen ohne »Stellenanga- »Die Zitaüonsformeln und die relativ genaue Wiedergabe der biblischen Texte deuten eher auf.einen Gebrauch schriftlicher Quellen als·auf Gedächtniszitate hin und legen einen fortgeschrittenen Kanonisierungsgrad der herangezogenen.biblischen ... Schriften nahe; « durch Textzitate, sondern ebenso durch den Rekurs auf in den biblischen Schriften bezeugte Ereignisse (vgl. 135,23ff.: Johannes der Täufer; 137,1 lff.: Israel in Ägypten). Auch die paränetischen Ausführungen werden durch Schriftbezüge unterstrichen, wobei hier oft die Wahl auf neutestamentliche Stellen fällt (130,28ff.; 135,15ff.).' 1 Mitunbe« als Herrenworte; vgl. 134,34ff.: »Deswegen ruft der Erlöser aus: (Joh 6,44)«; vgl. auch 135,15ff. (Mt 5,4.6); 135,19ff. (Lk 14,26). Die vermutlich an Apg 15,29; 21,25 anspielende Entlehnung in 130,30 gilt als Wort der Gesamtheit der Apostel; vgl. 130,28ff.: »Hinsichtlich der Unzucht haben die Apostel des Erlösers angeordnet«. Zitate aus den paulinischen Schriften sind mit genauen Quellenangaben versehen; vgl. 131,2ff.: »Deshalb schreibt Paulus an die Korinther und spricht: (1Kor 5,9-10).« Das Zitat aus Pseudo-Ezechiel (? ) wird in 135,29ff. mit »Deswegen spricht er durch den Geist des Propheten« eingeführt. Homer-Anspielungen laufen unter der im hellenistisch-griechischen Raum typischen Bezeichnung Homers als »der Dichter« (poietes); vgl. 136,27ff.: »Deswegen steht beim Dichter geschrieben«; in 136,35f. 44 ter schließt sich an das Zitat eine allegorische Textauslegung an wie etwa zu Ez 16,23-26 (130,20ff.). Es kann ferner eine Schlussfolgerung aus den angeführten Traditionen gezogen werden; so geschieht es im Anschluss an die Odyssee-Reminiszenzen (137,5-11). Der Rückgriff auf alttestamentliche und neutestamentliche Zitate verankert Fall und Erlösung der Seele in den biblischen Schriften. Die einzelnen Stadien des Seelenmythos werden dabei durch das biblische Explikationsmaterial illustriert und gleichzeitig als schriftgemäß ausgegeben. Gnostischer Mythos und biblischer Text werden zueinander in Beziehung gesetzt. Es erfolgt eine Transformation der biblischen Traditionen, die im Licht des gnostischen Mythos neu gelesen werden. Dabei deutet der anonyme Verfasser zum Beispiel das Verhältnis Jahwes zu ZNT 12 (6. Jg. 2003) Israel auf die Beziehung der Seele zu ihrem himmlischen Vater. Die Anklagen der Propheten an das durch den Götzendienst Jahwe untreu gewordene Volk sind nun an die sich in ihrem irdischen Dasein prostituierende Seele gerichtet (z.B. Jer 3,1-4; Hos 2,4-9; Ez 16,23-26). Da in der Hochzeit mit dem Bräutigam nach dem Willen des Vaters die Rettung der Seele liegt, werden z.B. die Schriftstellen, die das Verhältnis von Mann und Frau in den Blick nehmen, auf die Umkehr und Rettung der Seele bezogen (Gen 2,24b; 3, 16b ). Die Freude der erneuerten Seele findet ihren Ausdruck in den Worten des 102. Psalms (ähnlich in PistSoph 73/ 74). Parallel zu den biblischen Schriften illustrieren die Bezugnahmen auf die Odyssee das Schicksal der Seele (136,27- 137,11). Der in diesem Zusammenhang geleistete Rückgriff auf Gestalt und Schicksal Helenas ist in der Gnosis auch andernorts bezeugt (vgl. nur Iren. haer. 1,23,2f.).4 2 Diese Deutung der biblischen Zeugnisse als Seelenallegorese impliziert ein spezifisches Schriftverständnis. Die Eingangsformel des ersten Zitates (129,5ff.) ist dafür aufschlussreich. »Über die Unzucht der Seele nun prophezeit der Heilige Geist an vielen Stellen. Denn er spricht durch den Propheten Jeremia: (Jer 3,1-4)«. Teile der biblischen Schriften gelten als Weissagungen des heiligen Geistes; die einzelnen Propheten sind dabei lediglich Instrumente (so ähnlich auch in Pist- Soph; Iren. haer.1,7,3). Der prophetische Charakter der biblischen Schriften spiegelt sich auch in den Zitationsformeln zum Psalter und zur Genesis wider (siehe oben). Den pneumatischen Tiefensinn dieser biblischen Weissagungen gilt es unter Einsatz der exegetischen Strategien zu erkennen; vgl. 131,8ff.: »So in Mt 7,7 unsachgemäß zur Legitimation für ihre Grübeleien zu beanspruchen (Tert.praesc. 8). In der Tat berufen sich die gnostischen Christen verstärkt auf dieses Logion (vgl. z.B. EvThom Log. 2; 92; 94; Dial 129,14ff.; TestVer 69,lff.; PistSoph 83; 100; 133). 43 Vollkommenes Verstehen ist nur durch eine vertiefende Auslegung und Erforschung der biblischen Schriften im Sinne des gnostisches Weltverständnisses möglich. 44 Diese »Exegese« fällt jedoch nicht immer mit methodisch unkontrollierter Willkür zusammen," sondern ereignet sich oft im Rahmen einer systematischen Hermeneutik. 46 Die Formen gnostischer Exegese sind nicht prinzipiell von denen altkirchlicher Schriftauslegung unterschieden und wenden die in der alten Kirche übliche allegorische Interpretation des Alten Testaments auch auf die neutestamentlichen Schriften an. Es werden jüdisch-hellenistische Interpretationstechniken bemüht, um die hermeneutische Synthese aus Tradition und Innovation im Rahmen der interpretatio gnostica zu leisten. Allegorese, exegetische Bemühung um anstößige Bibelstellen, »Lesen gegen den Strich« und Strategien der Umkehrung, Polemik und Korrektur machen die zumindest formale Loyalität gegenüber den biblischen Schriften deutlich. 47 Eine besonders auffällige Form ist die sogenannte Protestexegese, die biblische Traditionen in aggressiv-polemischer Weise aufnimmt (vgl. AJ [NHC II 1] 22,22ff.). Dies zeigt sich besonders an der gnostischen Rezeption alttestamentlicher Stellen: Hier ist vor allem auf Jes 45,5 LXX im Kontext der gnostischen Karikierung des Schöpfergottes hinzuweisen (z.B. Iren.haer.1,30,6; AJ [NHC II 1] 11,19ff.; HA 86,27ff.; UW 103,8ff.; 2LogSeth 53,27ff.; Protennoia spricht er (sc. der Apostel Paulus) pneumatisch (pneumatikös): (es folgt Eph 6,12).« Damit ist ein Grundanliegen gnostischen Bibelgebrauchs angesprochen. » Die f armen gnostischer Exegese sin: d nichtpriniipiell · von dene.n altkirchlicher Schriftauslegung unterschieden .. · und wenden die in der alten Kirche übliche alle: gorische Interpretation des Alten Yi: stamertts auch auf die neu._ testamentliJhen ·Schriften.an ..«. 43,35ff.). Aber auch christliche Theologoumena wie die Kreuzigung Jesu (vgl. Apok- Petr 81,3ff.; 2LogSeth 56,4ff.) oder biblische Gestalten (Kain und Judas als positive Größen) werden umgedeutet. Gerade der durch die Protestexegese zum Ausdruck gebrachte Widerspruch entzündet sich an der Geltung der 5. »Suchet und ihr werdet finden ... « Der Kirchenvater Tertullian überlieferten Traditionen. wirft den Gnostikern vor, die Aufforderung Jesu Der gnostische Mythos ist verhüllt im bibli- ZNT 12 (6. Jg. 2003) 45 sehen Text vorhanden, er muss nur aufgedeckt werden. Erst die produktive Aneignung biblischer Texte führt zu wahrer Erkenntnis und Erlösung (EvThom Log. lf.). Die damit verbundene und in etlichen Schriften (vgl. z.B. AuthLog) thematisierte Sucherreligiosität hat eine ekklesiologische Konsequenz. Viele gnostische Gruppierungen verstehen sich als die höhere, vollkommene Form des Christentums, die nicht wie die Mehrheitskirche auf einer unteren Stufe der Erkenntnis stehen geblieben ist (TestVer 45,l 9ff.).4 8 Wirkliches Wissen um die tiefe Bedeu- Die Einheit von biblischer Tradition und auslegendem Lehrgespräch Jesu erschließt den vollen Sinn der Offenbarung. Die in den biblischen Dokumenten niedergelegte Offenbarung ist interpretationsbedürftig; die »evangelische Geschichte mitsammt ihren Sprüchen ist verhüllte Wahrheit«51 und wird erst vom Auferstandenen in ihrer wahren Bedeutung offengelegt. »Freut euch und jubelt von dieser Stunde an; denn ich bin zu den Orten gegangen, von denen ich gekommen war: Von heute ab werde ich mit euch in Offenheit (parresia) vom Anfang der tung der biblischen Offenbarung haben nur die Eingeweihten (vgl. auch Mt 13,l0ff.; Mk 4,33f.). Die be- »Die Bibel der Häretiker ist die Bibel der christlichen Kirche.« Wahrheit bis zu ihrer Vollendung sprechen, und ich werde mit euch von Angesicht zu reits im Neuen Testament (z.B. Joh 16,25) bezeugte Vorstellung einer mehrstufigen Offenbarung ist in der Gnosis verbreitet (vgl. z.B. Exc.Theodoto 66; Iren.haer. 2,27,2) und findet in einer spezifischen literarischen Form ihren Ausdruck. 6. »Von heute ab werde ich mit euch in Offenheit sprechen ... « Der Kirchenvater Irenäus überliefert uns folgendes Jesusbild einer gnostischen Gruppe: »Er ist aber nach der Auferstehung noch 18 Monate geblieben. Und da die Aisthesis auf ihn herabstieg, hat er die reine Wahrheit gelernt. Und von seinen Jüngern hat er nur die wenigen, von denen er wusste, dass sie so große Mysterien begreifen konnten, das gelehrt.( ... ).« (Iren.haer. 1,30,14). 49 Bereits in Apg 1,3 ist von einer weiterführenden Offenbarung Jesu berichtet. Dieses Sujet zieht sich seitdem durch die christliche Literatur und wird für die Verortung von Offenbarungen unterschiedlichster Provenienz geradezu Standard. 50 Auch viele gnostische Apokryphen stellen formal ein Gespräch zwischen Jesus und seinen Jüngern dar, das häufig, aber nicht immer (vgl. Dial), in die Zeit nach der Auferstehung Jesu verortet wird. Diese literarische Fiktion macht Jesus selbst zum paradigmatischen Exegeten der biblischen Offenbarung und zum Ausleger seiner eigenen Worte. So wird etwa in Dial 144,Sff. das Gleichnis vom Senfkorn (Mk 4, 30-32; Mt 13,31f.; Lk 13,18f.; Ev- Thom 20) von Jesus im Sinn gnostischer Schöpfungstheologie ausgedeutet. 46 Angesicht ohne Gleichnis (parabole) sprechen.« (PistSoph 6). 52 Diese »zweite Lehrthätigkeit« 53 setzt die erste Lehre J esu nicht außer Kraft, sondern setzt sie gerade voraus und baut überbietend darauf auf (vgl. z.B. EpJac 7,lff.; 13,35ff.; EpPetr 135,Sff.). Das Konzept der mehrstufigen Lehre entwickelt dabei eine Eigendynamik. Bei weitem nicht alle Gespräche Jesu aktualisieren den biblischen Text. Auch von biblischen Traditionen unabhängige mythologische Inhalte werden als Offenbarung J esu ausgegeben, wie allein an der sekundären Rahmung des Eug als Gespräch J esu (SJC) deutlich wird. 7. Noch einmal: Zur »Bibel der Häretiker« Christliche Gnosis drückt sich nicht in einem neuen Schriftenkanon aus, sondern in der spezifischen Interpretation alttestamentlicher und neutestamentlicher Quellen. Kurz: Die Bibel der Häretiker ist die Bibel der christlichen Kirche. Die biblischen Schriften werden von den Gnostikern als heilige Schriften akzeptiert, aber auf die eigenen religiösen Vorstellungen appliziert. Der traditionelle Text entwickelt durch die Einbettung in den gnostischen Mythenkontext eine neue, ja seine eigentliche Bedeutung. Die durch Allegorese, Kommentierung, Typologie, Paraphrasierung und weitere exegetische Strategien geleistete Synthese aus biblischem Text und gnostischem Mythos wurzelt dabei letztlich in dem »Selbstbewusstsein des Pneumatikers« 54 • Vieles bleibt nach diesen Bemerkungen offen; eine weitere Präzisierung der Fragen ist nötig, um ZNT 12 (6. Jg. 2003) Licht in das Verhältnis zwischen Gnosis und Kanon zu bringen. Vor allem auf zwei Aspekte möchte ich abschließend hinweisen: (I) Wie an etlichen Stellen deutlich geworden ist, zitieren die Gnostiker neben den biblischen Zeugnissen auch andere, oftmals apokryphe Quellen. 4 Die Verwendung der Begriffe »alttestamentliche«, »neutestamentliche«, »kanonische« und »biblische« Schriften geht vom heutigen Sprachgebrauch aus und impliziert nicht automatisch eine Anerkennung der Kanonizität der jeweiligen Schriften seitens der Verfasser gnostischer Texte. 5 Vgl. dazu S. Petersen, »Natürlich, eine alte Handschrift.« Nag Hammadi, die Gnosis und das Neue Tes- Angesichts des scheinbar unbegrenzten Pluralismus autoritativer Schriften sind prinzipielle Fragen zu stellen: Hatten bestimmte gnostische Gruppen einen »offenen Kanon«? Waren lediglich die »Ist Gnosis eine> Weltreligion< (Quispel) oder eirie >akute Hellenisierung des Christentums< (Harnack)? « tament, ZNT 4 (1999), 2-11; Nag Hammadi (H.-M. Schenke), TRE 23, Berlin u.a. 1994, 731-736; J.D. Turner/ A.M. McGuire (Hrsg.), The Nag Hammadi Library after Fifty Years, Proceedings of the 1995 SBL Commemoration Kanongrenzen unscharf? Oder ist die Zitierung aller verfügbaren Traditionen gerade ein Merkmal »unkanonischen« Denkens? (II) Zur Kanonizität einer Schrift gehört auch ihr gottesdienstlicher Gebrauch. Die biblischen Schriften werden als autoritative Größen zitiert und interpretiert. Damit ist aber noch nichts über ihre gottesdienstliche Verwendung gesagt. Wie sah der Gottesdienst bei gnostischen Gruppen aus? Wurden gnostische Apokryphen gottesdienstlich verlesen? Haben gnostische Christen an »normalen« Gottesdiensten teilgenommen? Hier sind religionssoziologische und kirchenhistorische U ntersuchungen unverzichtbar. Diese führen direkt in das Zentrum der »gnostischen Frage«: Ist Gnosis eine »Weltreligion« (Quispel) oder eine »akute Hellenisierung des Christentums« (Harnack)? Anmerkungen ' Vgl. H. Lietzmann, Wie wurden die Bücher des Neuen Testaments heilige Schriften, in: Kleine Schriften II. Studien zum Neuen Testament (hrsg. v. K. Aland) ( TU 68), Berlin 1958, 16-98. 2 Vgl. dazu S. Alkier, Der christliche Kanon als Quelle der Offenbarung Gottes - Theologiegeschichtliche Anmerkungen zu einem aktuellen Thema, in: Relationen - Studien zum Übergang vom Spätmittelalter zur Reformation, FS K.-H. zur Mühlen, hrsg. v. A. Lexutt/ W. Matz (AHSTh 1), Münster 2000, 115-138: 127. 3 Vgl. zur komplexen Forschungslage hinsichtlich der Gnosis z.B. M. Hengel, Die Ursprünge der Gnosis und das Urchristentum, in: Evangelium. Schriftauslegung. Kirche, FS P. Stuhlmacher, hrsg. v. J. Ädna u.a., Göttingen 1997, 190-223; M.A. Williams, Rethinking »Gnosticism«. An Argument for Dismantling a Dubious Category, Princeton 2 1999; C. Markschies, Die Gnosis (Beck Wissen 2173), München 2001; K.-W. Tröger, Die Gnosis. Heilslehre und Ketzerglaube (Herder Spektrum 4953), Freiburg 2001. ZNT 12 (6. Jg. 2003) (NHMS 44), Leiden u.a. 1997. 6 Vgl. zur Pseudepigraphie in der Gnosis schon R. Liechtenhan, Die pseudepigraphe Litteratur der Gnostiker, ZNW 3 (1902), 222-237; 286-299. 7 Vgl. dazu M. Janßen, Unter falschem Namen. Eine kritische Forschungsbilanz frühchristlicher Pseudepigraphie (ARGU 14), Frankfurt a.M. u.a. 2003. 8 Vgl. NHC I,3,16,31ff. Textgrundlage für die Übersetzung ist die Edition von H.W. Attridge (Hrsg.), Nag Hammadi Codex I (The Jung Codex) (NHS 22), Leiden 1985. Eventuell ist diese Schrift aus Nag Hammadi mit dem bei Iren.haer. 3,11,9 erwähnten valentianischen veritatis evangelium identisch. 9 Vgl. zum Kanon Manis A. Böhlig, Die Gnosis III. Der Manichäismus, Zürich 1995 (überarbeiteter Nachdruck von 1980), 44f.; 221 (Text). 10 T. Säve-Söderbergh, Holy Scriptures or Apologetic Documentations? The »Sitz im Leben« of the Nag Hammadi Library, in: J.E. Menard (Hrsg.), Les textes de Nag Hammadi: Colloque du Centre de'Histoire des Religions (NHS 7), Leiden 1975, 3-14: 4f. 11 Vgl. z.B. für Herakleon A. Wucherpfennig, Heracleon Philologus. Gnostische Johannesexegese im zweiten Jahrhundert (WUNT 142), Tübingen 2002, 375-378. Zur Zeit des Herakleon dürften jedoch noch nicht alle der Nag-Hammadi-Texte entstanden sein. ' 2 Vgl. zur Fragwürdigkeit der häresiologischen Kategorie »sethianische Gnosis« nur die Beiträge von F. Wisse und K. Rudolph in B. Layton (Hrsg.), The Rediscovery of Gnosticism. II. Sethian Gnosticism. Proceedings of the Conference in Yale March 1978 (SHR 41,2), Leiden 1981; Markschies, Gnosis, 98ff. 13 W.C. v. Unnik, Evangelien aus dem Nilsand, Frankfurt a. M. 1960. 14 Unter diesem Titel verbergen sich zwei vermutlich unabhängige Dialogfragmente; vgl. W. Till, Die gnostischen Schriften des koptischen Papyrus Berolinensis 8502 (TU 60), Berlin 2 1960 (bearbeitet von H.-M. Schenke), 26. 15 Vgl. zu dieser Argumentation hinsichtlich des Petrusevangeliums z.B. T.K. Hecke! , Vom Evangelium des Markus zum viergestaltigen Evangelium (WUNT 120), Tübingen 1999, 287-300: 298ff. 16 Vgl. H.-G. Gaffron, Studien zum koptischen Philippusevangelium unter besonderer Berücksichtigung der Sakramente, Bonn 1969, lOff. " Dies betrifft z.B. das EvÄg. Der eigentliche Titel des »Ägypterevangeliums« (vgl. [NHC Ill,2] 69,6) ist »Das heilige Buch des großen, unsichtbaren Geistes«, [NHC 47 III,2] 69,18f. (unsichere Lesung in NHC III,2, 40,12f.; vgl. auch NHC IV,2, 50,lf.). In NHC IV,2 fehlt die Bezeichnung »Ägypterevangelium«; ab p. 81 ist der Text zerstört. Zum EvThom siehe die Erwägungen bei J. Robinson, Logoi Sophon. Zur Gattung der Spruchquelle Q, in: ders. / H. Köster, Entwicklungslinien durch die Welt des frühen Christentums, Tübingen 1970, 70ff. 18 Vgl. dazu C. Markschies, Valentinus Gnosticus? Untersuchungen zur valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten Valentins (WUNT 65), Tübingen 1992, 339ff. 19 Das Fehlen von Zitationsformeln erklärt sich zum Teil aus der Form des EvMar; vgl. hier die Erwägungen von Harnack zur PistSoph, die wie das EvMar als Gespräch Jesu mit seinen Jüngern konzipiert ist: »Er (sc. der Verfasser der PistSoph) ist, obgleich er nie die Namen Matth. Marc. usw erwähnt, in der Schätzung der Evangelien mit der katholischen Kirche einig. Dass die Namen fehlen, erklärt sich leicht aus der Fiction des Verfassers, authentischen Bericht über Reden zu erstatten, die Jesus nach seiner Auferstehung gehalten hat. Da war eine Citirung evangelischer Schriften nicht am Platze.« (A. v. Harnack, Über das gnostische Buch Pistis Sophia [TU 7/ 2], Leipzig 1891, 28). 20 Dies wird für einige Texte immer wieder veranschlagt. Vgl. hier neben der Diskussion über das EvThom etwa die Untersuchungen über Dia! und EpJac von E.H. Pagels / H. Köster, Introduction, in: S. Emmel, Nag Hammadi Codex III,5. The Dialogue of the Saviour (NHS 26 ), Leiden 1984, 1-17; R. Cameron, Sayings Traditions in the Apocryphon of James (HThSt 34), Philadelphia 1984. 21 Vgl. z.B. EvPhil 67,30ff.: Hier wird auf ein Logion zurückgegriffen, das auch in EvThom Log. 22; 2Clem 12,lf.; Clem.strom. 3,13,92; ActPtr.Vercell. 38; ActPhil 140 überliefert ist. Vgl. insgesamt die Zusammenstellung in Bezug auf das EvPhil bei Gaffron, Studien, 60-62. 22 Vgl. neben den Registern in Textausgaben und Quellensammlungen nur C.A. Evans/ R.L. Webb (Hrsg.), Nag Hammadi Texts and the Bibel. A Synopsis and Index (NTTS 18), Leiden u.a. 1993. 23 Diese Beobachtung trifft indes nicht auf alle gnostischen Zeugnisse zu; vgl. zum »untypischen« Befund beim Gnostiker Markus N. Förster, Marcus Magus. Kult, Lehre und Gemeindeleben einer valentinianischen Gnostikergruppe (WUNT 114), Tübingen 1999, 397f. Weiter könnte der Gnostiker Basilides eine auf dem Lukasevangelium basierende Evangelienrezension benutzt haben; vgl. dazu W.A. Löhr, Basilides und seine Schule. Eine Studie zur Theologie- und Kirchengeschichte des zweiten Jahrhunderts (WUNT 83), Tübingen 1996, 329. 24 Vgl. nur W.-D. Köhler, Die Rezeption des Matthäusevangeliums in der Zeit vor Irenäus (WUNT II/ 24), Tübingen 1987, 379ff.; W. Röhl, Die Rezeption des Johannesevangeliums in christlich-gnostischen Schriften aus Nag Hammadi (EHS XXIII/ 428), Frankfurt u.a. 1991; T. Nagel, Die Rezeption des Johannesevangeliums im 2. Jahrhundert. Studien zur vorirenäischen Aneignung und Auslegung des vierten Evangeliums in christlicher und christlich-gnostischer Literatur (ABG 2), Leipzig 2000. 25 Vgl. W.H. Worrell, The Odes of Solomon and the Pistis Sophia, JThS 13 (1911/ 12), 26-46; M. Lattke, Die Oden Salomos in ihrer Bedeutung für Neues Testament und 48 Gnosis. Band 1: Ausführliche Handschriftenbeschreibung. Edition mit deutscher Parallel-Übersetzung. Hermeneutischer Anhang zur gnostischen Interpretation der Oden Salomos in der Pistis Sophia (OBO 25.1), Friborg/ Göttingen 1979; Harnack, Buch, 35ff. 2• Vgl. exemplarisch AJ (NHC II 1) 19,10; UW (NHC II,5) 102,8ff.24ff.; 110,30f.; Epiph.haer. 26,3,1; 26,8,1; 26,12,1; 39,5,1; 40,2,1; 45,4,1; Hipp.haer. 5,14,1; 5,21,1; 5,22,1; 7,20,1; 7,38,2; Iren.haer. 1,20,1; Clem.strom. 1,15,69. 27 Vgl. dazu umfassend S. Alkier, Intertextualität - Annäherungen an ein texttheoretisches Paradigma, in: D. Sänger (Hrsg.), Heiligkeit und Herrschaft. Intertextuelle Studien zu Heiligkeitsvorstellungen und zu Psalm 110 (BThS 55), Neukirchen-Vluyn 2003, 1-26. Hinsichtlich der Anwendung des Intertextualitätsparadigmas auf die christlich-antike Literatur kann nicht überbetont werden, dass »für die Antike die Einbettung jeder schriftstellerischen Produktion in ein literarisches Kontinuum ganz selbstverständlich war«; vgl. D. Gall, Zur Technik von Anspielung und Zitat in der römischen Dichtung. Vergil, Gallus und die Ciris (Zetemata 100), München 1999, 15, Anm. 7. 28 Vgl. z.B. EpJac 8,4ff.: Hier wird auf neutestamentliche Gleichnisse angespielt, indem das zentrale Stichwort des Gleichnisses quasi als Überschrift genannt wird; siehe auch Dia! 139,8ff. 29 Vgl. exemplarisch P. Nagel, Die Auslegung der Paradieserzählung in der Gnosis, in: K.-W. Tröger (Hrsg.), Altes Testament - Frühjudentum - Gnosis. Neue Studien zu »Gnosis und Bibel«, Gütersloh 1980, 49-70; P. Nagel hat vier Grundtypen herausgearbeitet: a) aggressiv-polemische Umkehrung, 6) allegorische Interpretation, c) eklektische Inanspruchnahme, d) ätiologische und typologische Interpretation. 30 Vgl. stellvertretend für die zahlreichen Einzeluntersuchungen nur P. Perkins, Gnosticism and the New Testament, Minneapolis 1983. 31 Siehe nur den Index bei Nagel, Rezeption 543ff. 32 Textgrundlage für die Übersetzung ist die Edition von J.-M. Sevrin, L' Exegese De L' Ame (NH II,6) (BCNH.T 9), Quebec 1983; vgl. ferner zu Einleitungsfragen und Literatur M. Scopello, I.: Exegese De L: Ame (NH II,6) (NHS 25), Leiden 1985; B. Layton (Hrsg.), Nag Hammadi Codex II, 2-7 together with XIII.2, Brit. Lib. Or. 4926(1), and P.Oxy. I, 654,655. Volume II: On the Origin of the World, Expository Treatise on the Soul, Book ofThomas the Contender (NHS 21), Leiden 1989, 136-169; C.-M. Franke, Die Erzählung über die Seele (NHC II,6), in: H.-M. Schenke/ H.-G. Bethge/ U.U. Kaiser (Hrsg.), Nag Hammadi Deutsch. l. Band: NHC I,1-V,1 (GCS 8. Koptisch-gnostische Schriften 2), Berlin u.a. 2001, 263-268. 33 Vgl. P. Bruns, Exegesis de anima, in: S. Döpp/ W. Geerlings (Hrsg.), Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg '2002, 260. 34 Vgl. H. Bethge, Die Exegese über die Seele. Die sechste Schrift aus Nag-Hammadi-Codex II. Eingeleitet und übersetzt vom Berliner Arbeitskreis für koptischgnostische Schriften, ThLZ 101 (1976), 93-104: 93; H.- M. Schenke, Sprachliche und exegetische Probleme der beiden letzten Schriften des Codex II von Nag Hammadi, OLZ 70 (1975), 5; Colpe, Gnosis, 117. Dem Sinn nach auch Franke, Erzählung, 264. ZNT 12 (6. Jg. 2003) 35 Vgl. dazu umfassend P. Nagel, Die Septuaginta-Zitate in der koptisch-gnostischen ,Exegese über die Seele< (NHC II), AFP 22/ 23 (1974), 249-269. 36 Anders F. Wisse, On Exegeting »the Exegesis on the Soul«, in: Menard, textes, 68-81 : 77. Seiner Meinung nach hat der Verfasser von ExAn das Zitat in 135,31- 136,4 auf Jesaja zurückgeführt, da in 136,4ff. und 136,8ff. zwei J esajazitate mit der Eingangsformel »Wiederum (spricht er) andernorts« eingeleitet werden; ähnlich verhält es sich auch in 1Clem 8,3, wo auf das »unbekannte« Zitat ebenfalls ein Jesajatext (Jes 1,16-20) mit der Überleitung »Und andernorts spricht er so« (lClem 8,4) folgt. Die These, dass der Verfasser von ExAn die in 135,31-136,4 zitierten Worte als jesajanisch ansah, ist indes nicht belegbar. Die folgenden Jesajazitate (136,4f.8f.) sind nicht namentlich auf Jesaja zurückgeführt; weiter spricht in 135,26ff. der Vater durch den Geist des Propheten; auch in 136,4f.8f. kann an ihn als Subjekt gedacht werden. 37 Vgl. ExAn 136,27ff.: vgl. insgesamt Hom.Od. 1,13ff.48- 59; 4,260ff.555ff.; 5,82ft. Es handelt sich nicht um Zitate, sondern um Anspielungen. Auch an Horn.II. 3,l 71ff.399ff.; 24,762ft. kann gedacht werden; so Schenke, Probleme, 8; bei Franke, Erzählung, 277, Anm. 64 erscheinen die Iliasbelege fälschlicherweise als Odysseestellen. 38 Mitunter folgt ExAn auch den Missverständnissen der LXX; vgl. Schenke, Probleme, 6. Von einer genauen Zitierweise zeugen viele gnostische Texte; vgl. für Ptolemaios z.B. B. Aland, Die Rezeption des neutestamentlichen Textes in den ersten Jahrhunderten, in: J.-M. Sevrin (Hrsg.), The New Testament in Early Christianity (BEThL 86), Leiden 1989, 1-38. Vgl. zu textlichen Eigenheiten in ExAn z.B. Nagel, Rezeption, 409ff. (Joh 6,44); Köhler, Rezeption, 415f. (Mt 5,4.6). 39 Vgl. weiter ExAn 133,9f.: hier wird die Anspielung an Gen 3,16b (lKor 11,3; Eph 5,23) mit »wie es geschrieben steht« eingeleitet; ohne Verfasserangabe ist das Zitat in 133,28ff.: »Ebenso wurde zu Abraham gesagt: (Gen 12, 1)«. 40 Vgl. zur Bedeutung der Zitate z.B. M. Krause, Aussagen über das Alte Testament in z.T. bisher unveröffentlichten gnostischen Texten aus Nag Hammadi, in: Ex orbe religionum. Studia Geo Widengren, Bd. 1, Leiden 1972, 449-456; Sevrin, Exegese, 5-13; Scopello, Exegese, 17- 44; W.C. Robinson Jr., Introduction, in: Layton, B. (Hrsg.), Nag Hammadi Codex II, 2- 7. Vol. II, 136-141: 138f. " Vgl. z.B. 1 Kor 5,9-10; Eph 6,12; Mt 5,4.6; Lk 14,26. Zur ethisch-paränetischen Funktion von neutestamentlichen Zitaten in valentinianischen Texten vgl. C. Barth, Die Interpretation des Neuen Testaments in der valentinianischen Gnosis (TU 37/ 3), Leipzig 1911, 111ft. 42 Vgl. dazu Helena I (simonianisch) (J.Fossum/ G. Quispel), RAC 14, Stuttgart 1988, 338-355. 43 Vgl. dazu nur N. Brox, Suchen und Finden. Zur Nachgeschichte von Mt 7,7b/ Lk 11, 96, in: Orientierung an Jesus. Zur Theologie der Synoptiker, FS J. Schmid, hrsg. v. P. Hoffmann, Freiburg u.a. 1973, 17-36; K. Koschorke; »Suchen und Finden« in der Auseinandersetzung zwischen gnostischem und kirchlichem Christentum, WuD 14 (1977), 51-65. ZNT 12 (6. Jg. 2003) 44 Vom Stellenwert der exegetischen Arbeit zeugen allein der vor allem bei Origenes in Fragmenten erhaltene Johanneskommentar des Herakleon und Basilidos' »24 Bücher über das Evangelium« (Eus.h.e. 4,7,7) bzw. Exegetica (Clem.strom. 4,12,81ff.). 45 Willkürlicher Umgang mit der Bibel und Schriftverfälschung durch die Gnostiker sind Hauptanklagepunkte der Kirchenväter; vgl. z.B. Iren.haer. 1,3,6; 1,8,1; 1,9,lf. 1,20,2; Or.comm. in Röm V 1; Hipp.haer. 7,38,2; Tert.praecs. 38; 17; Clem.strom. 3,4,27; 7,16,96; Or.Cels. 2,27; Epiph.haer 44,2,4. 46 Wie nötig hier oft eine Korrektur der Kirchenväter und der älteren Forschung erscheint, lässt sich besonders an der Interpretation der alttestamentlichen Psalmen in PistSoph aufzeigen. Harnack hält die Auslegungsarbeit in PistSoph für willkürlichen, »unmethodischen« Allegorismus; vgl. Harnack, Buch, 49. Den systematischen Charakter der Psalmenexegese hat dagegen A. Kragerud, Die Hymnen der Pistis Sophia, Oslo 1967, herausgearbeitet; vgl. ferner J. Carmignac, RQ 4, 16 (1964), 497-522; G. Widengren, Die Hymnen der Pistis Sophia und die gnostische Schriftauslegung, in: Liber Amicorum, Studies in Horror of C.J. Bleeker (SHR 17), Leiden 1969, 269-281; K. Rudolph, ThR 34 (1969), 225- 231; M. Janßen, »Deine Lichtkraft hat durch David prophezeit.« Zum Psalmgebet in der Pistis Sophia, in: A. Gerhards/ A. Doeker / P. Ebenbauer (Hrsg.), Identität durch Gebet. Zur gemeinschaftsbildenden Funktion institutionalisierten Betens in Judentum und Christentum (Studien zu Judentum und Christentum), Paderborn 2003, 261-293. 47 Vgl. K. Rudolph, Loyalitätskonflikte in der Gnosis, in: Loyalitätskonflikte in der Religionsgeschichte, FS C. Colpe, hrsg. v. C. Elsas / H.-G. Kippenberg, Würzburg 1990, 292-300 ( = K. Rudolph, Gnosis und spätantike Religionsgeschichte. Gesammelte Aufsätze [NHMS 42], Leiden u.a. 1996, 210-219); ähnlich auch schon N. Brox, Offenbarung, Gnosis und gnostischer Mythos bei Irenäus von Lyon (SPSt 1 ), Salzburg 1966, 42ff. 48 Vgl. hierzu grundlegend K. Koschorke, Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche Christentum (NHS 12), Leiden 1978. 49 Übertragung nach N. Brox, lrenäus von Lyon. Epideixis. Adversus haereses I (FChr 8/ 1), Freiburg u.a. 1993, 348f. 50 Vgl. M. Janßen, Mystagogus Gnosticus? Zur Gattung der ,gnostischen Gespräche des Auferstandenen<, in: G. Lüdemann (Hrsg.), Studien zur Gnosis (ARGU 9), Frankfurt a. M. 1999, 21-260: 125-180. 51 Vgl. Harnack, Buch, 55. 52 Textgrundlage für die Übersetzung ist die Edition von C. Schmidt/ V. MacDermot (Hrsg.), Pistis Sophia (NHS 9), Leiden 1978, Sf. 53 Vgl. Harnack, Buch, 60. Siehe auch insgesamt J. Hartenstein, Die zweite Lehre. Erscheinungen des Auferstandenen als Rahmenerzählungen frühchristlicher Dialoge (TU 146), Berlin 2000. 54 Vgl. G. Heinrici, Die valentinianische Gnosis und die Heilige Schrift, Berlin 1871, 182f. 49