eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 6/12

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
121
2003
612 Dronsch Strecker Vogel

Theo K. Heckel: Vom Evangelium des Markus zum viergestaltigen Evangelium (WUNT 120). Tübingen: Mohr Siebeck 1999, 409 S.; 89,- Euro, ISBN 3-16-147199-7

121
2003
Günter Röhser
znt6120077
Theo K. Hecke! Vom Evangelium des Markus zum viergestaltigen Evangelium (WUNT 120). Tübingen: Mohr Siebeck 1999, 409 S.; 89,- Euro, ISBN 3-16-147199-7 Die Erlanger Habilitationsschrift von Theo Hecke! verdient im Rahmen des vorliegenden Themenheftes Aufmerksamkeit, weil sie sich mit einem wichtigen Stück Kanonsgeschichte befasst: der Entstehung der Vierevangeliensammlung (Mt, Mk, Lk, Joh). Sie tut dies nicht nur in historischer, sondern auch in theologischer Hinsicht, d.h. sie fragt nach der theologischen Bedeutung der höchst erstaunlichen Tatsache, dass die Kirche vier gleichwertige Evangelien nebeneinander in ihrem Kanon besitzt und nicht nur ein einziges, einheitliches (vgl. im Buch den Vorspruch von Adolf Harnack). Die Untersuchung reiht sich damit ein in neuere Arbeiten zur Theologie des Kanons, die dessen Herausbildung und Gestalt selbst theologisch ernst nehmen wollen und nicht nur seine einzelnen Schriften. Allerdings gilt das Interesse im vorliegenden Fall hauptsächlich der historischen Rekonstruktion. Man kann es mit Hecke! auch exegetischmethodisch ausdrücken: Die redaktionsgeschichtliche Fragestellung, die das theologische Profil der Evangelisten zu ermitteln sucht, wird hier ZNT 12 (6. Jg. 2003) auf das »viergestaltige Evangelium« als Ganzes angewandt. »In dieser Arbeit geht es um die historische Verortung der Redaktion der Vierevangeliensammlung. Eine entsprechende Untersuchung stellt, soweit ich sehe, ein Desiderat der Forschung dar« (29). Die Arbeit überstreicht den Zeitraum von ca. 70 bis ca. 180 n.Chr., d.h. von der Abfassung des Markusevangeliums bis zur fraglosen Anerkennung der kanonischen Autorität der Evangeliensammlung beim Kirchenvater Irenäus von Lyon, und fragt dabei v.a. nach den einzelnen Stationen dieses Prozesses. Ein erstes wichtiges Ergebnis besteht darin, dass sich die Theologie der Vierersammlung nicht aus der Theologie der einzelnen Evangelisten ableiten lässt, sondern dass hier ein regelrechter Bruch besteht. Denn die einzelnen Evangelien sind nicht (wie später die Sammlung) daraufhin angelegt, die anderen Schriften oder J esusüberlieferungen zu ergänzen, sondern sie wollen sie ersetzen und jeweils für sich das Ganze repräsentieren. Hecke! zeigt dies durch eine Analyse der Abschlussgeschichten und bei Lukas des Prologs, wo die Evangelisten ihren Selbstanspruch besonders deutlich reflektieren: Nach Mk 16, 1-8 (dem ursprünglichen Schluss des MkEv) tritt das schriftliche Evangelium geradezu an die Stelle des Jünglings im Grabe, dessen Auferstehungsbotschaft (wie die ganze Botschaft Jesu) sich trotz des Versagens der Zeuginnen (und der männlichen Jünger) in Gestalt des MkEv erhalten und durchgesetzt hat wie, das bleibt letztlich offen - und jetzt auf die Annahme durch die Empfänger zielt. Mit Mt 28,20 (»Lehret sie halten alles, soviel ich euch geboten habe«, d.h. alle die Gebote, die im vorangehenden Evangelium aufgeschrieben sind, und sonst keine) autorisiert Matthäus seine eigene Schrift und schließt alle anderen aus im Unterschied zu Markus allerdings unter Hinweis auf die Jünger als Traditionsgaranten (wie Lukas in Lk 24). Lukas formuliert seinen Selbstanspruch in Lk 1, 1-4 unter Hinweis auf die besondere Qualität seiner Arbeit, die ebenfalls alle anderen ersetzt. Als Hinweis auf die anderen Evangelien kann V.2 erst im späteren Kontext einer Sammlung gelesen werden (z.B. bei Papias: 262f.). Die Selbstreflexion des JohEv findet sich in Joh 20,24-31: Wie das Wort Jesu den Thomas zum Bekenntnis überführt, so wird auch das Evangelium wirken: Es wird Glauben schaffen und Glauben stärken, da es nach der Zeit des persönlichen Kontakts und des »Sehens« (V.29) jetzt als schriftliches Medium die Begegnung mit Jesus vermittelt und das Zeugnis des Glaubens in vollem Umfang verbürgt. Und auch das »mit Joh 20,30f. abgeschlossene Buch beansprucht, für sich allein stehen zu können« (150). - An dieser Stelle vermisst man allerdings eine Reflexion über die hermeneutische Funktion des Parakleten, des »Geistes der Wahrheit«, im JohEv, der nach Ostern an alles erinnern und in alle Wahrheit leiten wird (Joh 14,26; 16,13) und insofern der eigentliche Autor des JohEv ist und dessen Autorität und Wirksamkeit erst eigentlich begründet (anders: 181f.). Und auch für Markus wird man fragen müssen, wie er sein Evangelium eigentlich legitimiert, wenn (wie gezeigt) keine Überlieferungskontinuität besteht. Zwischenfazit: »Die Sammlung mehrerer Evangelien erwächst nicht aus der Theologie der Synoptiker« (104) und auch nicht aus J oh 1-20 (der ursprünglichen Gestalt des JohEv). Erst in Kap. 21, welches Hecke! (mit der Mehrheit der Exegeten) als »Nachtrag« zum JohEv und »letzte(s) Zeugnis der johanneischen Schule« versteht (202), deutet sich ein Umschwung an. Denn im Verlauf von Joh 21 tritt neben den sog. Lieblingsjünger als Garanten der Jesustradition (der im schriftlichen Zeugnis des JohEv »bleibt«, bis Jesus wiederkommt: V.23f.) Simon Petrus als gleichrangige Autorität; damit vollzieht sich eine Öffnung hin zu petrinischen und synoptischen Überlieferungen und theologischen Konzeptionen (Fischfangerzählung, Petrus-Wort). »Die ehemals reservierte Art des Evangelisten gegenüber einer bleibenden Bedeutung des Petrus ... ist in Joh 21 zu einem versöhnbaren Nebeneinander gereift« (184). Und diese mehrfache individuelle Traditionssicherung (im Unterschied zu den Jüngern als kollektiven Traditions- 77 garanten bei Mt und Lk) geht von Joh 21 aus weiter! Auch der zweite Buchschluss Joh 21,25 rechnet mit der (gleichwohl unzureichenden) Möglichkeit mehrerer Bücher Jesustradition nebeneinander. Joh 21 wird so für Hecke! zu einer Art »Keimzelle« der Vierersammlung und diese aus der Geschichte der johanneischen Schule heraus erklärbar. In ebenso origineller wie problematischer Weise verbindet Hecke! diese Entwicklung mit der angeblichen antidoketischen Ausrichtung des 1. Johannesbriefs (der zeitlich zwischen Joh 1-20 und Joh 21 angesetzt wird). Dieser setzt sich mit aus der johanneischen Gemeinde hervorgegangenen Gegnern auseinander, welche bestreiten, »dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist« (1Joh 4,2). Dies führt seit Joh 21 zu einer zunehmenden Öffnung gegenüber anderen Jesustraditionen, die ebenfalls den »ins Fleisch gekommenen«, geschichtlichen Jesus in den Mittelpunkt stellen (Synoptiker). Die Vierevangeliensammlung ist also im Gefolge der johanneischen Schule entstanden und gewinnt von daher ihr Profil. Äußeres Kennzeichen der Sammlung sind die vier gleichartigen Überschriften »Evangelium nach (griech. kata) + Eigenname im Akkusativ«, die erst im Zuge der redaktionellen Zusammenstellung entstanden sind (gegen M. Hengel). Diese reflektieren zugleich (nicht unähnlich dem in Joh 21,25 zum Ausdruck kommenden Vorbehalt) »das besondere Verhältnis des einen Evangeliums zu den vier schriftlichen Werken« (212): »Das Evangelium ist gleichsam normgebend über dem einzelnen Werk vorzustellen, das in seiner besonderen Ausprägung dieser Norm zu entsprechen versucht. Die ungewöhnliche Titulierung impliziert, dass die niedergeschriebenen Evangelien gleichsam Abbilder des urbildlichen Evangeliums sind ... ohne es einzeln vollständig abbilden zu können« (213f.). Inhaltlich ist es bestimmt als das geschichtliche Ereignis der Botschaft Jesu (2; 215; vgl. 355). Damit ist die entscheidende These des Buches formuliert und sein Hauptziel erreicht. Das folgende Kapitel über den Bischof Papias von Hierapolis (der im Einflussbereich des JohEv angesiedelt wird) und seine in der Kirchengeschichte des Euseb erhaltenen Notizen über die Evangelienverfasser soll helfen, die Existenz der Vierersammlung zu bestätigen und 78 ihre Datierung auf die Jahre 110-120 n.Chr. einzugrenzen. Und ebenso dienen die restlichen knapp hundert Seiten dazu, das Vorliegen der Sammlung aus den Quellen des 2. Jh.s zu erweisen mit der angesichts der schwierigen Quellenlage methodisch gebotenen Vorsicht und im Einzelfall mehr oder weniger erfolgreich. Behandelt werden der kürzere (Mk 16,8 conclbrev) und der längere Markus-Zusatzschluss (Mk 16,9-20), das Petrusevangelium, das Egertonevangelium, die Epistula Apostolorum, Justin, Markion, Tatians Diatessaron, die Passahomilie des Meliton von Sardes, Kelsos, das Muratorische Fragment sowie als Abschluss Irenäus. Trifft Heckeis These zu, dann hätte also (gegen H. von Campenhausen) nicht Markion den Anstoß zur Vierevangeliensammlung gegeben, sondern würde seinerseits darauf zurückgreifen. Dies alles muss hier nicht im Einzelnen dargestellt werden. Vielmehr möchte ich abschließend besonders interessante innovative Gesichtspunkte der Arbeit ansprechen und diskutieren. Hinweisen möchte ich zunächst auf die Anwendung von Methoden der Erzählforschung (41ff.). Insbesondere durch die Frage nach »Identifikationsangeboten« an die Leser und die Analyse von Mk 16,8 als »offenem Schluss« (einer verbreiteten literarischen Technik) gelingt es Hecke! , eine plausible Lösung für den so rätselhaften Markus-Abschluss vorzuschlagen: Das schriftliche Werk ist nur die »Grundlegung des Evangeliums Jesu Christi« (Mk 1,1), welche auf eine »Vervollständigung« (54) durch die Rezipienten abzielt, indem sie die Botschaft Jesu und des Jünglings im Grabe weitergeben (45; 47: »rezipientenorientiertes Erzählen«) und so gewissermaßen den Auftrag an die Frauen erfüllen. So zeigt sich, dass die Erzählweise eine theologische Bedeutung hat. Besonders wichtig scheint mir die Diskussion mit David Trobisch zu sein. Seine These von einer Endredaktion und Ur-Ausgabe des ganzen Neuen Testaments in der Mitte des 2. Jh.s ist gewissermaßen die Erweiterung von Heckeis These der Vierevangelienredaktion auf das ganze Neue Testament (346). Die grundlegende Gemeinsamkeit, in der beide (jeweils gegen die Mehrheit der Forschung) übereinstimmen, besteht darin, dass es sich bei den jeweils von ihnen angenommenen Sammlungen bzw. Redaktionen nicht um einen Prozess, sondern um ein punktuelles, historisch verortbares Ereignis handelt. Auch wenn er Trobischs These als Ganze ablehnt, kann Hecke! doch dessen Beobachtungen zur Textüberlieferung positiv aufnehmen. So könnte z.B. der bevorzugte Gebrauch der Kodexform bei den Christen durch die Vierersammlung bestätigt werden. Der Hauptvorwurf gegen Trobisch, den auch Hecke! sich zu eigen macht, ein derartig folgenreiches Ereignis wie eine Ur-Ausgabe des Neuen Testaments ließe sich in den Quellen nicht nachweisen, fällt wenigstens zum Teil auf ihn selbst zurück: Auch er vermag nur Spuren seiner Vierersammlung in den Quellen aufzuzeigen, das Ereignis der Redaktion und Herausgabe als solches (Ort und beteiligte Personen) ist nirgends bezeugt (die Legende über » Johannes als Herausgeber der Synoptiker« [198] bei Euseb kann dies nicht ersetzen). Und andererseits vermag Trobisch durchaus ein Motiv (bei Hecke! : der Antidoketismus der johanneischen Schule) für das von ihm postulierte Unternehmen anzugeben, wenn er auf die antimarkionitische Haltung der Endredaktion und den Kompromisscharakter des Neuen Testaments als Ganzheit hinweist. Hier muss weiter gearbeitet werden. Überhaupt scheint mir Hecke! den Kompromisscharakter jeglicher Sammlungen unterschiedlicher Traditionen zu niedrig zu veranschlagen. Allzu schnell geht er über H. Koesters missverständliche Aussage hinweg, die Kanonisierung von vier Evangelien sei kein theologisches, sondern ein politisches Programm gewesen (272f.). Ich meine: Die Einheit der Kirche, die sich in solchen Sammlungen dokumentieren soll, ist auch theologisch ein hohes Gut. Spezieller theologischer Antriebe wie der Abwehr des Doketismus oder der Unerreichbarkeit der Fülle des Evangeliums bedarf es dazu nicht. Und in diesem Sinne wird es Einheitsbemühungen auch schon vor ]oh 21 gegeben haben. Schließlich kann man grundsätzlich fragen: 1. Wie sehen Mt und Lk das Verhältnis ihrer Quellen zu den Jüngern als Traditionsgaranten? Wenn positiv (sonst würden sie die Quellen ja wohl nicht benutzen), müssten sie dann ihren Vorgängern nicht dieselbe Dignität zugestehen wie ihren eige- ZNT 12 (6. Jg. 2003) nen Werken? - 2. Unterschätzt Hecke! nicht die Bedeutung mündlicher Überlieferungsprozesse bis weit ins 2. Jh. hinein, wenn er überall nur schriftliche Texte und nur unsere, später kanonisch gewordenen Evangelien zugrunde liegen sieht? Alles in allem: Eine wichtige Studie zu einem immer wichtiger werdenden Thema mit vielen Anregungen, interessanten Details und reichhaltiger Literaturverarbeitung. Die kanonsorientierte Fragestellung als solche ist legitim und notwendig. Ich sage jedoch auch klar: Sie gehört für mich in den Bereich der historischen (patristischen) Theologie, nicht in den Bereich der neutestamentlichen. Sie hat keinen Einfluss auf die Auslegung der biblischen Einzelschriften je an ihrem geschichtlichen Ort. Und auch eine neutestamentliche Hermeneutik oder gar gesamtbiblische Theologie darf sich von ihr allenfalls ihren Rahmen, aber nicht ihre Inhalte vorgeben lassen. Die Arbeit von Theo Hecke! macht dies eindrücklich klar, wenn sie den qualitativen Sprung von der Theologie der Evangelisten zur Theologie der Vierevangeliensammlung vor Augen führt. Günter Röhser Rolf J. Lorenz/ Dietmar Mieth/ Ludolf Müller (Hrsg.) Die "Würde des Menschen" beim Wort genommen Kontakte 12, 2003, X, 180 Seiten, € 24,90/ SFr 42,- ISBN 3-7720-8002-2 In diesem Buch wird das Entstehen des heutigen Verständnisses von der "Würde des Menschen" aus historischer Perspektive dargestellt. Die in der jetzigen Bioethikdiskussion zu beobachtenden begrifflichen Zweideutigkeiten müssen aufgearbeitet werden, damit die Menschenwürde, Grundlage unserer Kultur, unserer Demokratie und unserer Moral, eindeutig bleibt. Das Buch leistet dazu einen wichtigen Beitrag in einer allgemein verständlichen Sprache. A. Francke Verlag Tübingen und Basel ZNT 12 (6.Jg. 2003) Heikki Räisänen Neutestamentliche Theologie? Eine religionswissenschaftliche Alternative (SBS 186). Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 2000,130 S.; 21,- Euro, ISBN 3-460-04861-1 Anders als das zuvor besprochene Werk von Theo Hecke! behandelt das kleine Buch des finnischen Neutestamentlers Heikki Räisänen keine exegetischen und historischen, sondern ausschließlich Grundsatzfragen der neutestamentlichen Disziplin überhaupt. Der Verfasser ist auf der Suche nach einer zusammenfassenden »Synthese der frühchristlichen Gedankenwelt« (11), die sowohl in inhaltlicher als auch in methodischer und darstellerischer Hinsicht den Anforderungen der Gegenwart genügt. Er macht kein Hehl daraus, dass seines Erachtens »die Einsichten der älteren Forscher denen der Generation nach Buhmann überlegen sind« (ebd.) und orientiert sich für seinen eigenen Vorschlag an der Programmschrift von William Wrede aus dem Jahre 1897 »Über Aufgabe und Methode der sogenannten Neutestamentlichen Theologie«, deren Ansatz er erstmals in dem Werk von Gerd Theißen »Die Religion der ersten Christen« (dt. 2000) einigermaßen eingelöst sieht. Bis dahin sei die geforderte Trennung von biblischhistorischer und theologisch-aktualisierender Arbeit zwar in der praktisehen Exegese, nicht aber in den großen Synthesen neutestamentlicher Theologie verwirklicht worden (15; 31). Punkt für Punkt kann man die bei Wrede aufgestellten programmatischen Oppositionen bei Räisänen wiederfinden bzw. nachvollziehen: Eigene, moderne Anschauungen müssen im Rahmen kritischer Wissenschaft von fremden und vergangenen unterschieden werden (z.B. was die Rolle der Eschatologie angeht). Nicht »Theologie« ist der eigentliche Leitbegriff neutestamentlicher Wissenschaft, sondern » Religionsgeschichte« bzw. »Religionswissenschaft«. Die Grenze des Kanons ist zugunsten der außerkanonischen Literatur zu sprengen und beide sind zusammen als urbzw. frühchristliche Schriften zu betrachten. Deswegen ist eigentlich auch der Name »neutestamentliche Theologie« zu ersetzen durch »Geschichte der urchristlichen Religion« bzw. »des frühchristlichen Denkens« (vgl. die sprechenden Titel beider Schriften). Gegenstand dieser Wissenschaft ist nicht der normative Inhalt (Lehrgehalt) kanonischer Schriften, sondern die den frühchristlichen Ideen und Gedanken zugrunde liegenden religiösen und alltäglichen »Erfahrungen« zwischen prägender frühjüdischer und hellenistischer - Tradition (überkommene »symbolische Welt«) einerseits und nachfolgender Neuinterpretation und Veränderung der Tradition andererseits (1 00ff.). Besondere Akzente setzt Räisänen bei der Wahrnehmung der frühchristlichen Vielfalt wobei diese nicht nur die außerkanonische Literatur, sondern auch die »Gegner« in den kanonischen Schriften umfassen soll - und dem Verzicht auf Harmonisierung (z.B. gegen E. Stauffer und W.G. Kümmel [26f.]) sowie bei einer angemessenen Darstellung des Judentums (in dieser Hinsicht werden W. Thüsing [46], G.B. Caird [48], R. Bultmann und L. Schenke [92f.J kritisiert.1) Räisänens Arbeit besteht im ersten Teil (12-66) darin, die Forschungsgeschichte (von J.P. Gablers Altdorfer Antrittsrede von 1787 bis zu den neuesten Veröffentlichungen) unter den angegebenen Gesichtspunkten zu sichten und kritisch zu bewerten. Die beschränkte Seitenzahl lässt schon ahnen, dass er dabei den behandelten Autoren nicht immer voll gerecht zu werden vermag (viele bekommen 79