ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
121
2004
714
Dronsch Strecker VogelDie Paulusbriefe im Lichte der Alltagspapyri
121
2004
Peter Arzt-Grabner
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Zum Thema 1 ' Pe ter Arzt-Grabner . . l. Die Paulusbriefe im lichte der Alltagspapyri Der Heidelberger Neutest a mentler und Papyrologe A DOLF DEI SS MAN N w ar ei ner der ersten, der die auß erordentliche Bedeutung der d okumentarischen Papyri und Ostraka für das Verständnis des Neuen Testamen ts , sow o h l hinsi : : htlich der Sprache als auch im Hinbl ick auf zah lreiche Begriffe, Wendungen u nd einzelne Texte, erkannte. 1908 ersc hien sein einflus sreiches Bu ch »Li cht vom O sten. Das N eue Testame nt u nd die neuentdeckten Texte der h ell enistisch-römis : hen Welt« in erster Auflage; die maßgeblich e vie rt e Auflage wurde in völlig über arbei t ete r F orm 1923 veröffentlicht. Als P ion iere und Zeit geno ssen Deißmanns sind ferne r JAMES HOPE MOl"LTON und G E ORGE M I LLI GA z u er w ähne n , die das dokumentar ische M a ter ial de r bis d ahin entdec k ten Papyri und Ins ch rifte n lexikalisch fü r d as Neue Testament ausgewe r: et hab en. 1 Seithe: beschränken sich sowohl H andbüch er als auch exegetische Einzeluntersuc h un ge n meist auf die b ei diesen beiden Autore n sow ie bei Dei ß man n dargebotenen Belege, u n d as obwohl mitt le rw eile mehr als das Siebenfache an pu b lizierten : ? apyri und Ostrak a vorliege im Vergleich zu damal s. Aber erst seit Be inn der 70er J ahre d es vergangenen Jh.s finden do kumentarische Papyri im Bereich der ntl. 'Wiss en schaft w ied er ein Inter esse, das sich sowohl in Einzeluntersuc hun gen als auch in speziellen und mfangreichen Prc j ekten niederschlägt . Bekan t gewo r den i st v or allem die Reihe » New Doc une nts Illustrating E arly Christianity «, die 198 1 v on GREG H.R. H 0 RSEY begründet wurde u nd : nittlerweile von STEPHEN R. LLEWEL YN heraus gegeben w ir d (bi ,h er liegen neun Bänd e vor ). G egenw ärti g sinc. vor allem zwei P rojekte zu n ,: : 1 nen: Das »New Moulton & Milligan Projec «, "'s seit 1985 unter der Leitung von G R EG H.R. H O F; SLEY und J OHN .A.L. LEE mit intern ationaler Bet eiligung läuft, u n d das vom Autor geme ins am rr_ it M IC HAEL ERNST initiierte Projekt einer » An alys e des Ne uen Testaments auf dem Hin t ergrund d o kumenta risch er P apyri und Ostraka «. Dies es Salzburger un d mittlerweile internatio n ale Proj ekt h at sich die A ufg abe ges t ellt, 22 alle bisher edierten Papyri, Ostraka und Täfelchen nach ihrem Vergleichswert für neutestamentliche Texte zu prüfen und auszuwerten, um sc, auf dem Hintergrund der Papyri und Ostraka die Sprache, die Textsorten, die Themen, die zeitgeschichtliche und soziale Situation neutestamentlicher Schriften eingehend zu beleuchten ·.md teilweise neu zu kommentieren. 2 Die erarbeiteten Bände erscheinen in der 2003 begründeten Reihe »Papyrologische Kommentare zum Neuen Testament«, die im Verlag Vmdenhoeck & Rup recht in Göttingen erscheint und vom Autor gemeinsam mit AMPHILOCHIOS PAPATHOMAS (Athen) u: : 1d MAURO PESCE (Bologna) herausgegeben wird. Als erster Band erschien 2003 »Philemon« (bearbeitet von PETER ARZT-GRABNER), für 2005 ist »1. Korinther« geplant. Die Bände für »2. Korinther« und »Markus« sind in Arbeit. Die ursprünglichen formalen Vorbilder für die »: ? apyrologischen Kommentare zum Neuen Tes tc.ment « waren H E RMAN N L. STRACKS und PAUL BILLERBECKs »Kommentar zum Neuen Testa ment aus Talmud und Midrasch« (4 Bände, München 1924- 1928) sowie der »Neue Wettstein«. 3 Die dort gewäh lte Katenenform hätte sich auch für einen papyrologischen Kommentar angebo ten. Mehrere Gründe waren der Anlass, schließlich doch eine mehr oder weniger ausführlich kommentierende Form der Darbietung des Materials und überhaupt eine Kommentarform zu wählen: 1. Das Quellenmaterial ist nicht nur übe: : -aus umfangreich, sondern vor aLem auch sehr vielfältig. So finden sich nicht nur Zeugnisse aus dem Geschäftsleben, Verwaltungsapparat und Rechtsbereich, sondern auch aus dem Privatleben. Man trifft auf umfangreiche Listen mit Abrechnungen und dgl. ebenso wie auf verschiedenste Verträge, Protokolle, Schulübungen und private Briefe. Der Vergleichswert der einzelnen Stücke für Texte des Neuen Testaments ist somit nicht nur von deren zeitlichem und geografischem Rahmen her zu bemessen, sondern auch von ihrer kulturellen und sozialen Einordnung sowie vom Grad ihrer Über - ZNT 14 (7 . Jg. 2004) Peter Arzt-Grabner Prof. Dr. Peter Arzt-Grabner, Jahrgang 1959, Studien der Theologie und Klassischen Philologie in Salzburg und Rom, 1991 Promotion zum Dr. theol., seit 1987 Assistent am Institut für Neutestamentliche Bibelwissenschaft (nunmehr: Fachbereich Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte) der Universität Salzburg, seit 1998 Assistenzprofessor. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören: Neutestamentliche Textkritik, sozialgeschichtliche Bibelauslegung, insbesondere dokumentarische Papyri und Neues Testament, Kultur des hellenistischen Alltags. Seit 2003 ist er Mitherausgeber der von ihm initiierten Reihe » Papyrologische Kommentare zum Neuen Testament« (Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen). einstimmung in semantischen Feldern, Textsorten und gedanklichem Gehalt. Eine unkommentierte Darbietung hätte da wenig Aussagekraft. 2. Auch bisher wurde das Quellenmaterial aus dem antiken Alltag für eine Auswertung im Rahmen der Bibelwissenschaft nicht unkommentiert dargeboten; dieser Tradition sehen sich auch die »Papyrologischen Kommentare zum Neuen Testament« verpflichtet. Und 3. Im Verlauf des Projektes erwies es sich zunehmend als wichtig, sich auch der Frage nach der Sinnhaftigkeit derartiger Textvergleiche zu stellen. Als beste Möglichkeit, diese Frage zu beantworten, erscheint die verantwortete Darlegung dessen, was das Vergleichsmaterial an Verdeutlichungen, Widerlegungen, Bestätigungen, Ergänzendem und Neuem zu bieten hat. Durch die Beschränkung auf dokumentarische Papyri, Ostraka und Täfelchen wird freilich nur ein eingeschränkter Zugang zum neutestamentlichen Text geboten. Durch die ausschließliche Berücksichtigung der zitierten Quellen können ZNT 14 (7. Jg. 2004) Peter Arzt - Grabner Die Paulusbriefe im lichte der Allt a gspapyri bei weitem nicht alle Aussagen des Textes angemessen erschlossen werden. So sind einerseits z.B. Ausführungen zu ekklesia oder euangelion wenig ergiebig. Umso aufschlussreicher sind andererseits z.B. jene Erkenntnisse, die für das Briefformular des Paulus, für seinen Zugang zur römischen Sklaverei oder seine Vorstellung funktionierender Gemeindestrukturen gewonnen werden können. Eine durchgehende umfassende Kommentierung der neutestamentlichen Texte darf und kann man also nicht erwarten. Die »Papyrologischen Kommentare« verstehen sich nicht als Alternative zu traditionellen bibelwissenschaftlichen Kommentaren, sehr wohl aber als wichtige Ergänzung. Dazu drei sehr unterschiedliche Beispiele: 1. Nachrichten von den Leuten der Chloe (1Kor 1,11) Zunächst ein Beispiel für die Untersuchung eines einzelnen Begriffs: In lKor 1,11 schreibt Paulus, dass ihm von den Leuten der Chloe »deutlich gemacht wurde« (griech. edelothe), dass es in der christlichen Gemeinde von Korinth Streitigkeiten gibt. Die entscheidenden Fragen, die sich hier stellen, lauten: Hat Paulus einen Brief erhalten oder mündliche Nachrichten? Waren die Nachrichten offizieller Natur, die offen und ehrlich übermittelt wurden, oder ging es um die eher private Einzelaktion einer Gruppe, womöglich sogar um eine Vernaderung? Mit dem Wort deloo (»deutlich/ klar machen«) verwendet Paulus ein auch in dokumentarischen Papyri gut bezeugtes Wort. Die Formulierung edelothe moi (»es wurde mir klar gemacht« im Sinne von »mitgeteilt«), die er hier verwendet, begegnet auch im Brief des praefectus Aegypti Maevius Honoratianus an einen Strategen aus dem Jahre 236 n.Chr. (P.Rein. II 91,3),4 es handelt sich dabei um eine amtliche Mitteilung. überhaupt begegnet das griechische Wort deloo in den dokumentarischen Papyri häufig im Passiv, das innerhalb eines Dokumentes als Querverweis verwendet wird. Schon in dieser Form nimmt der Ausdruck Bezug auf eine schriftliche Mitteilung oder Eintragung, die im Amtsverkehr zu einem offiziellen Akt wird. So wird z.B. der Hinweis, beim Prozess am Gerichtstag konkrete Aussagen 23 Z um Thema zu machen, zunächs : mündlich zu verstehec sein, insofern die Aussa en aber auch protokolliert werden, ist ein derartiger Hinweis auch mit Schriftlichkeit verbunden im Sinne von »zu Protokoll gebe « (so z.B. in SB XVI 12548,2-4 [97 n.Chr.], wo es über einen Diebstahl heißt: »sie raubten alles, was ich .. . in meinem Haus habe, das ic h beim Gerichtstag anführen/ zu Protokoll geben werde«). üb erhaupt wird das Verb häufig im Zusammenr_ang mit amtlichen : Meldungen oder Deklarationen und Registrierungen verwendet: Im berühmten Schreiben des Claudius an die Alexandriner aus dem J ahre 41 n.Chr. (P.Lond. VI 1912) geht es u. a. um eine offizielle vom Imperator an ihn erbetene Mitteilung; dieser schreibt - Z. 70-71: »ich habe Aemilius Rectus ge schrieben, eine Untersuch ng durchzuführen und mir zu berichten (delosai)<•. Dass dieser Bericht schriftlich zu erfolgen hat, liegt auf der Hand. In privaten Brie fe n bezeichnet das Verb d el oo in erste r Linie die briefliche Mitteilung, in manchen Texten wird ausdrücklich der Brief als : .\1edi um der Übermittl ung erwähnt. In SB XIV 11644,8-12 (1./ 2. Jh. n.Chr. ) z.B. geht es zunächst um eine persönliche Beziehungsproblematik: »Du hast mir durch den Brief, der mir vo n dir ge schickt wurde, deutli ch gemach t , das s ihr mich verachte t. Der Gott weiß, wie ich dich in der Seele liebe und verehre wie (oder: als? ) meinen Bruder«. nd weiter heißt es - Z. 12-15: »Du hast mir mitgeteilt, dass du einen Krug Ö l geschickt hast und Geld, aber du hast nicht mitgeteilt, durch wen du das geschickt has t, und ich hab e es nicht bekommen«. Beide Male (in Z. 8 und Z . 12 ) wird wohl auf ein und d enselben Brief Bez u g genommen, beim ersten Mal wird sogar au sdrücklich darauf hingewi sen, dass die Nachricht durch einen Brief vermittelt wurde. Noch durch viele andere Beispiele lä _· st sich zeigen, da ss rnfern vom Kontext nichts dagegen spricht das Verb deloo die briefliche Übermittlung einer Nachricht bezeichnet. Der ge samte papyrologische Befund macht es deshalb höchst wahrscheinlich, dass es sich bei den Nachrichten, die Paulus au s Korinth erhalten hat, um ei nen (oder mehrere) Brief(e) von den Leuten der Chloe handelte. Ferner weisen die Papyrusdokumente darauf hin, dass es im Zusammenhang mit deloo häufig um wichtige, offizielle oder sogar amtliche Mitteilungen geht, in jedem Fall aber um Mitteilungen, hinter denen 24 die Absenderinnen und Absender auch offen stehen; es geht also nicht um heimliche Nachrichten, um Geschwätz oder üble Nachrede. Mit diesem Umfeld stimmt überein, dass Paulus in seinem Brief an die ganze Gemeinde die Nachrichten ausdrücklich erwähnt und auch die »Leute der Chloe« als Quelle hier gleichsam offiziell nennen kann. 2. Der Handwinker Paulus und frühchristlic: he Gemeindestrukturen Das zweite Beispiel, das nicht einen einzelnen Begriff, sondern eine Reihe vor_ Textstellen betdft, zeigt, wie Papyri die Bedeutung des von Paulus erlernten und nach wie vor ausgeübten Beruf es ausweisen und hervorheben. Von Beruf war Paulus Zeltmacher, so jedenfalls nach Apg 18,3. Ein absolut passender Beruf für jemanden, der aus Tarsus stammte, war diese kilikische Stadt doch ein Zentrum der Leinenweberei5 und weit über Kleinasien hinaus berühmt für die nach ihr benannte spezielle tarsische Webkunst. Auch in dokumentc.rischen Papyri aus Ägypten, die zwischen dem 3. und 8. Jh. n.Chr. abgefasst wurden, trifft man auf einen tarsikarios, den Weber tarsischer Stoffe (z.B. P.Oxy. XIV 1765,2.21 sowie Verso,30 [3. Jh. n.Chr.J). Einige Stellen der Paulusbriefe zeigen nun deutlich, dass der 'Weber und Handwerker Paulus nicht zu trennen ist vom Apostel und Wandermis sionar. Dies lässt sich insbesondere durch zeitgenössische Weberlehrverträge, aber auch durch andere Schriftstücke aus derr_ Bereich des Webergewerbes belegen. An die Garantieerklärungen bzw. Sicherstellungen in Kau: verträgen (z.B . beim Kauf eines Webstuhles, P.Oxy. II 264 [mit BL 8,234; 6 = Chrest.Mitt. 266; 54 n.Chr.J, beachte vor allem Z. 10-11) erinnern Aussagen wie 2Kor 1,21, wo Paulus betont, dass Gott selbst für ihn »garantiert« .7Leiht jemand von einem anderen Geld, so wird im entsprechenden Dokument natürlich festgehalten, dass er seine Schulden auch zurückzahlen wird (z.B. SB X 10234,5 [35 n.Chr.]); derselbe Wortlaut begegnet auch bei Paulus in Röm 13,7. An derselben Stelle zählt er auch die Sw: .ern auf, die man zu erstatten hat, was wiederum an den genauen Wortlaut zeitgenössischer Steuerquittungen erinnert, schließlich war Paulus sefost- ZNT 14 (7.Jg. 2004) verständlich auch Steuerzahler, der als Weber u.a. auch die Webersteuer zu begleichen hatte. 8 Vor allem möchte ich aber nun auf einen typischen Weberlehrvertrag aus dem 1. Jh . n.Chr. etwas näher eingehen. Als Vertragstyp liegt hier eine sog. Homologia vor,9 deren Form sich während der ersten drei Jahrhunderte n.Chr. kaum verändert hat und die vermutlich im ganzen Imperium in ähnlicher Gestalt abgeschlossen wurde wie in der Provinz Ägypten, wo vollständig erhaltene Verträge auf Papyrus gefunden wurden. Der Weberlehrvertrag P.Oxy. II 275 (= Chrest.Wilck. 324; Jur.Pap. 42; Sel.Pap. I 13; mit BL 9,1 79) wurde zwischen einem gewissen Tryp h on und dem Webermeister Ptolemaios in Oxyrhynchus am 18. September 66 n.Chr. abgeschlossen und betrifft den Sohn des Tryphon, Thoonis. Dieser soll vom Tag des Vertragsabschlusses an für ein Jahr bei Ptolemaios in die Lehre gehen. 10 In den Z. 10-13 werden die entscheidenden Verpflichtungen des Lehrlings festgehalten, nämlich dem Webermeister »zu dienen und alles auszuführen, was ihm von Ptolemaios im Einklang mit dem gesamten Weberhandwerk aufgetragen wird«, was andererseits den Webermeister dazu verpflichtet, den Lehrling auch tatsächlich in seinem Handwerk zu unterweisen entsprechend seinen Kenntnissen. Anschließend wird erwähnt, dass der Vater Tryphon den Knaben zu verköstigen und einzukleiden hat, ferner gehen auch alle steuerlichen Abgaben zu seinen Lasten,11 während der Webermeister Ptolemaios monatlich fünf Drachmen für die Verpflegung des Lehrlings zu zahlen hat und bei Vertragsende weitere zwölf Drachmen für Kleidung (Z. 14-21). 12 Es folgt die Verpflichtung des Vaters, dafür Sorge zu Pete r Arzt-Grabner Di e Paulusbrie fe im li c ht e der A ll tagspap y ri Hypographe schließlich zeichnet der Webermeister Ptolemaios für die Gültigkeit der ihn betreffenden Bestimmungen (Z. 37-40). Danach folgt noch eine sog. Agrammatos-Formel (Z . 41-43) und noch einmal die Datierung (Z. 44-46). Abgesehen von einzelnen Termini lässt sich vor allem ein Passus ganz zentral und ganz entscheidend mit einer Stelle im Philemonbrief des Paulus vergleichen. In Phlm 10-13 wird der Sklave Onesimos von Paulus ausgesprochen positiv charakterisiert. In V. 13 schreibt er: »Ich wollte ihn bei mir behalten, damit er an deiner Stelle mir dient (diakone) in den Fesseln des Evangeliums«. Beispiele für diakoneo aus der Zeit des Paulus, also aus dem 1. Jh. n.Chr., finden sich nun ausschließlich in Weberlehrverträgen, und zwar stets in der Formulierung, wie sie im dargestellten Vertrag zwischen Tryphon und Ptolemaios in den Z. 10-13 begegnet, wo eben vereinbart wird, dass der Lehrling dem Webermeister »dienen und alles ausführen wird, was ihm von Ptolemaios im Einklang mit dem gesamten Weberhandwerk aufgetragen wird«. 13 Die Parallele im Phlm ist überaus deutlich. Paulus hat hier offensichtlich genau jene Strukturen auf sein neues Betätigungsfeld übertragen, die er aus seinem Handwerkszweig kannte und als bewährt anerkannte: Das »Handwerk« ist nunmehr der Dienst am Evangelium, Paulus ist darin der Meister, der sich Onesimos als Lehrling wünscht. Paulus möchte sich als Meister verpflichten, Onesimos im »Handwerk des Dienstes am Evangelium« auszubilden, Onesimos wiederum sollte während dieser Lehrzeit seinem Meister Paulus »dienen und alles ausführen, was dieser ihm im Einklang mit dem Dienst am Evangelium aufträgt«. Das einzige, was dazu noch fehlt, ist der »Lehrvertrag«, den Paulus tragen, dass sein Sohn auch tatsächlich die gesamte vereinbarte Lehrzeit bei seinem Lehrherrn verbringt; eventuell fehlende Tage sind am Ende der vereinbarten Zeit anzuhängen, oder Tryphon hat dafür ein e Summe von einer Drachme pro Tag zu zahlen (Z. 22-28). In Z. 28-33 werden die Strafbestimmungen » . .. der Zeltmacher Paulus aus zuvor mit dem Herrn des Onesimos, mit Philemon abschließen müsste, ohne dessen Kenntnis, ohne dessen Einverständnis Paulus nichts un ternehmen will, wie er in V. 14 völlig im Einklang mit den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten Tarsus, der stolz ist auf seiner eigenen Hände Arbeit, übernimmt die bewährten Strukturen und Traditionen aus seinem erlernten Handwerk für die Strukturen der neuen christlichen Gemeinden.« der Zeit schreibt. genannt für den Fall, dass die Vereinbarungen gebrochen werden, gefolgt von der Gültigkeitsklausel (Z. 33 -34) und der Datierung (Z. 34-36). In der Bedenkt man, dass in der Formulierung mit diakoneo auch die Funktion und das spätere Amt des Diakons beschrieben wird, so wird noch ZNT 14 (7. Jg. 2004) 25 2. um T he ma deutlich er, worum es hier v om Hintergrund h er geht: der Zeltma cher P aulu s aus Tarsu s, der stolz ist auf seiner eigen en Hände Ar b eit, übernimmt d ie bewährten Strukt uren und Tradit ionen aus seinem erlernten H andwe rk für die St rukturen der neuen chris tlich en Ge m eind en . D i ese Struk turen gr ünden also offen b ar nich t auf theo lo gischen En twürfe und nicht zumindest nicht n ur auf Vo rbi l dern au s d em Bereich der r ömisch en Administration ,14 son dern auf den b ewährten Struktu r en alltäglicher h an dwe rklicher Ar beit. 3. Paulus und der Sklave Onesimos Das dritte Beispiel b etrifft e in w eites T hema der griechischr ömischen An tik e u n d die Stellu ng bzw. Lösung d es P au lus: es geh t um die a nt ike Sklaverei. Ich b esch ränke mich hi er a uf das ty pische Beispiel, d as P aulus in d iesem Zu sammenhang bietet: den ° klaven O n esimos. Im P h lm lässt P au lus zu nächst dur chaus eine sehr traditionelle Ei nstellu n g zur Sklaverei erkennen : P hilemon ste h t als Sklavenhalter natürlich absolut autoritär ü be r seinem Sklaven Onesimos, dieser hat seine □ H er rn ganz einfach nützlich zu sein (beachte sc_ o n d en N amen O n es imos der »Nützliche «) . In V. 11 w ird der Sklave z uall erers t durch d as Gegensat zpaar ach rest os euchrestos charakterisiert: ein mal sei er so schreibt Paulus für Philemon »t: .nb r auch ba r « gew esen, jetzt aber sei er sowohl für Ph ilemon als a uch fü r Pau lus selbst »gu t b rauc hb ar«. D as Adje k tiv achrestos (»unbrauchbar, un nü tz «) w ird in den d okume ntarischen P ap y ri als A ttribu t z.B . für , chle chtes, nicht mehr ku ltivie : b ar es Ack erl and od er fü r schlechte Kleider ve rw en det, fern er für einen F etzen, der als Verpack n gsmat erial dient, für Lederschläuch e, »sch le ch te « G eldstü cke o der auch Nutzti ere , die man eb en ni cht me hr ( oder noch nicht) recht nut z en kann. A ls Attr i but für Menschen wie hier b ei Paulu s be gegnet der Aus druck n ur in einem Pr iva t brief aus d em 3. Jh. n.Ch r., P.Oxy. VII 1070: ein gewisser Aure lius Demareus hat an seiner Eh efrau einiges auszusetzen, was die Fü h ru g d es H aus halts b etriffc, u nd er ford e rt sie auf, nicht nac hlässig zu sein, >: -es sei denn«, so schrei t er, »du hast vor, d as Hüte n des gesamten Hauses mit dir gemeins am an Herai: s zu übertra g en , die ja nnütz is t« (Ver so Z . 50-52). 26 Bezeichnenderweise geht es ber um eine Sklavin, bei Paulus (etwa 20C Jahre früher! ) um einen Sklaven. Vielleicht steckt auch hi nter seiner Aussage, Onesimos sei einst. für Philemon ein Nichtsnutz gewesen, ein gewisses Maß an Ironie. Der Sklave Onesimos wird da mit stark verdinglicht gesehen: u n b r auchbar, unnü t z wie wertlose Münzen, wie ein altes Kleid, ein Acker, d en man nicht bebauen kann, ein Fetzen , den man zum Einwickeln verwenden, aber ebenso gut w egwerfen kann. Den Gegensatz dazu bildet das Adjektiv euchrestos. Das gegenüber chrestos (» brauchbar, nützlich«) um das Adverb eu erweiterte Adjektiv (also »gut brauchbar, sehr nützlich") wird auch in d en dokumentarischen Pap yri mehrmals als Eigenschaft bestim mter Menschen verwendet. In einem Brief an einen gewiss en Aristandros (PSI IV 361 Verso [251/ 250 v.Chr.]) z.B. wird dieser aufgefordert, sich des Nomarchen Maimachos fürsorglich anzunehmen (Z. 21-22); dieser würde dann umso »bereitwilliger und dir nützlicher (euchrestoteros)« sein (Z. 24). Die beschriebene positive Charakterisierung des Onesimos durc n das Att r ibut euchrestos darf nicht darüber hinwegtäusch en, dass gerade im sklavischen Kontext die » Nütz lichkeit« und »Brauchbarkeit« als typische Realität des Sklavendaseins zu sehen ist. Auch da: -auf wird in Phlm 11 sowohl mit achrestos als auch mit euchrestos abgezielt. Wie sehr Paulus zumindest scheinbar die gängige Vorstellung über das Wesen eines Sklaven teilt, zeigt sich besonders deutlich in Phlm 15. Das Verb apecho begegnet hier in der Bedeutung »empfangen haben, erhalten haben«. In diesem Sinne begegnet der Begriff auch in zahlreichen Papyrus -Belegen, und zw ar v or allem in Quittungen: es handelt si ch um den spezifischen Ausdruck, mit dem der Empfa n g von Waren oder Geld quittiert wird (z.B. O.Wilck. 402,2 [52 n.Chr.]). Bezeichn enderwei~e findet sich in den Papyri bisher kein einziges Beispiel, in dem eindeutig vom »Empfang« eines Menschen die Rede ist. Die paulinische Wortwahl ist in diesem Fall also drastisch und in ihrer Verdinglichung einzigartig: Philemon wi d nach de : - Aussage des Paulus bald imstande sei , den Erhalt seines Sklaven zu quittieren! Was ist aber nun das Neue, das Paulus hier recht grundsätzlich in die Frage einbringt, wie ein ZNT 14 (7.Jg. 2004) Sklave behandelt werden soll, konkret der Sklave des Philemon, mit dessen Verhältnis zu seinem Herrn es ganz und gar nicht zum Besten steht? Der Kern des ganzen Briefes liegt in V. 17; hier äußert Paulus in Form eines Imperativs sein eigentliches Anliegen gegenüber Philemon: » Nimm ihn (gemeint ist der Sklave Onesimos) auf wie mich «, also wie Paulus selbst, was bedeutet: als koinonos - Paulus macht dies im vorhergehenden Konditionalsatz deutlich; als koinonos, und das meint im Zusammenhang höchstwahrscheinlich mehr als den Glaubensbruder (vgl. V. 6) oder den »geliebten Bruder « (V. 16), denn als solchen soll Philemon ja seinen Sklaven nicht nur »im Herrn«, sondern »sowohl im Fleisch als auch im Herrn « erhalten (V. 15-16). In diesem »fleischlichen «, alltäglich menschlichen Kontext wird mit koinonos, wie die dokumentarischen Papyri zeigen, vor allem der Geschäftspartner bezeichnet. Die Beispiele dafür sind überaus zahlreich. Paulus selbst bezeichnet sich in Phlm 17 freilich im übertragenen Sinn als Teilhaber des Philemon, war doch schon in V 6 die Rede von der Gemeinschaft des Glaubens des Philemon. 15 Durch die folgende Aufforderung, Onesimos so aufzunehmen wie Paulus, wird aber auch Onesimos in diese Gemeinschaft mit hineingenommen, womit Paulus möglicherweise mehr im Auge hatte als » nur « eine »Partnerschaft« im Glauben. Der textliche Zusammenhang des Philemonbriefes legt auf dem Hintergrund der dokumentarischen Quellen folgende Deutung nahe: Philemon wird aufgefordert, seinen Sklaven Onesimos im vollen Sinn als Partner aufzunehmen, im religiösen Sinn als Glaubensbruder, aber auch im menschlichen Sinn als mitverantwortlichen Partner im Rahmen seiner alltäglichen Geschäfte oder in der Leitung der christlichen Gemeinde, die ja in seinem Haus zusammenkommt. Die zweite Möglichkeit wäre sogar die bedeutendere gewesen, denn das hätte geheißen, Onesimos für die ganze Gemeinde ebenso wichtig und einflussreich werden zu lassen wie Philemon und Paulus. Im Zusammenhang damit wäre auch zu überlegen, ob dann nicht die zweite Möglichkeit die erste mit einschließen hätte müssen, damit für einen derart wichtigen Aufgabenbereich innerhalb der Gemeinde auch die dafür nötigen wirtschaftlichen Voraussetzungen geschaffen worden wären, für die am ehesten Philemon durch eine geschäftliche ZNT 14 (7. Jg. 2004) Pet e r Ar zt - Gr a bn e r Di e Pa ulusbrie fe im li c ht e d e r Alltag spa pyri Partnerschaft mit Onesimos hätte sorgen können. Paulus fordert Philemon damit auf, seinen Sklaven Onesimos mit einer gehobenen, verantwortungsvollen Position zu betrauen, also mit einer Position, die für Sklaven sicher nicht alltäglich war, andererseits aber durchaus erreichbar auch das bestätigen nicht wenige Papyri aus dem griechisch-römischen Alltag. Ich erwähne hier nur ein Beispiel, das sich aufgrund der Quellen besonders gut dokumentieren lässt: der Fall eines gewissen Epagathos, den sein Besitzer L. Bellienus Gemellus 16 um das Jahr 100 n.Chr. mit der Verwaltung einiger seiner Landgüter betraut hatte. Die erhaltene umfangreiche Korrespondenz zwischen Gemellus und seinem Sklaven enthält immer wieder sehr konkrete Anweisungen, die Epagathos auszuführen hatte. Als Text-Beispiel soll hier ein Brief wiedergegeben werden, den Gemellus am 11. September 94 n.Chr. an Epagathos schrieb - P.Fay. 110 (mit BL 1,131; 6,37; siehe auch BL 2.2,56): »Lucius Bellienus Gemellus seinem Epagathos, Gruß. Du wirst gut daran tun, wenn du meinen Brief erhalten hast, dass du anordnest, dass dort der Dünger hinausgeschafft wird, damit das Getreidemagazin, das du Magazin nennst, errichtet wird, und hebe einen tiefen Graben rund um die Ölpresse aus, damit die Ölpresse nicht leicht zu übers chreiten ist, und sondere den Dünger ab für die Düngung, und sie (sc. unsere Sklaven) sollen alle unsere Felder bewässern, damit die Schafe dort übernachten, und s ie sollen die Olivenhaine ein zweites Mal bewässern, und fahre nach Dionysias und erkundige dich, ob der Olivenhain zweimal bewässert und umgegraben worden ist, wenn aber nicht, soll er bewässert werden ... und gib ... und Psellos, den Sitologen ... und Chairas, dem Schreiber der Bauern, und Heraklas 90 Drachmen und die Zins en, und Chairas, dem früheren Steuereintreiber, 24 Drachmen, und Didas ... den Betrag für die Gerste, 240 Drachmen und Zinsen, und Heron, dem früheren Leiter, die Zinsen zweier Jahre, 120 Drachmen. Und die Zimmerleute sollen die Türen anferti gen (oder vielleicht gemeint: einpassen oder einsetzen); ich sende dir die Ausmessungen. Die Binsengeflechte zur Ölpresse lass doppelt machen, aber zu den Magazinen einfach. Leb wohl! Im 14. Jahr des Imperators Caesar Domitianus Augustus Germanicus, am 14. des Monats Germanicus. Handle nicht anders! (Verso) Gib dem Epagathos von Lucius Bellienus Gemellus .« Das Beispiel des Epagathos wirft auch insofern ein bezeichnendes Bild auf den Philemonbrief, als 27 Z um Thema Epagathos ge es ~en an seiner verantwortungs vollen Stellung a ich ein erstaun liches Maß an Gedankenlosigkeit an den Tag legen k onnte. In einem Brief aus d em Jahre 95 oder 96 n.Chr. (P.Fay. 111) wird er von seinem Herrn heftig getadelt: zwei Schweine, die er für den Haushalt des Gemellus hätte liefern sollen, sind im wahrsten Sinn des Wortes: auf der Strecke geblieben; Epagathos ließ die armen Tiere auf der Straße zu seinem Herrn treiben, obw hl er vor Ort mehr als genug Lasttier e zur Verfügung gehabt hätte, um die Schweine tran portieren zu lassen. Gemellus schreibt Z. 3-10: » Ich tadle dich se h r, weil du zwei Schweine as r verenden lassen an den Strapazen des Weges, ob wohl dir im Dorf zehn Lasttiere zur Verfügu n g stan den. Der E seltrei ber Herakl idas h at die Schuld v on sich gewiesen und gesagt, dass du ihm gesagt hast, die Schweine zu Fuß zu treiben< . Trotz eines erkennen, wie sich auch überhaupt bei Paulus noch keine direkten Anzeichen finden, die Sklaverei als solche abschaffen zu wollen. Gerade der Vergleich mit den Texten des griechischrömischen Alltags zeigt: , wie sehr Paulus mit den darin beschriebenen Gegebenheiten vertraut war, wie sehr er aber auch ein Gespür dafür hatte, wo Veränderungen und neue Ansätze im Sinne seines Herrn Jesus möglich waren und eine Chance auf Erfolg hatten. Den Sklaven Onesimos, der von seinem Herrn bisher als »unbrauchbar« eingeschätzt wurde, nicht »unbrauchbar« sein zu lassen, sondern in eine gehobene Vertrauensposition zu setzen, war in der damaligen Situation mit Sicherheit die für den Sklaven weitaus bessere Lösung, als ihn mittellos und unbedarft in eine nicht sehr aussichtsreiche Zukunf: hinein freizulassen. In seiner neuen Position konnte er sogar hoffen, derartigen Vorfalles genieß t Epagathos weiterhin das Vertrauen seines Herrn für d ie ihm übertragen en A ufgaben. Das eigentlich Besondere der Forderung des Paulu s liegt darin, dass Phi lemon jenem Sklaven c.erart großes Vertrauen entg egen bringen »Da s eigentlich Besondere der Fo rderung des Paulus liegt da: ,in, dass Philemon jenem Sklaven derart großes Vertrauen entgegen bringen soll, den er bis zuletzt als >unbrauchbar< angesehen hat.« nach entsprechender Zeit sich selbst mit seinen eigenen Mitteln freizukaufen, sicher nicht ohne sich vorher auch für die weitere Zukunft relativ abgesiche rt zu haben. Auch wenn der Ansatz des Paulus also nicht die unmittelbare Abschaffung der soll, den er bis zule r zt als " unbrauchb ar« angese hen hat . Wie das Beispiel des Epagathos zeigt, wurden zwar Sklaven in gehobenen Positionen nicht au t omatisch · us diesen entfern t, wenn sie sich einmal als sehr unzuverlässig erwiesen hatten, doch einen Skkve n gerade dann in eine derartige Position empo: zu heben, wenn er si ch gerade wieder als unbrauch bar e rw iesen hatte," das liegt noch einmal auf ein er ganz anderen Ebene. Und hier sollte man wo}J sagen: das liegt auf der Ebe ne des Paulus, d as ist das zentra le, das neue Ele ment, das der Phile monbrief ansprich t und ein bringt! Paulus vollzieht hier einen Ausgleic· , eine Aufhebung der verschiedenen Schichten. Alle drei sich selbst, Phile rn on u n d One simo s sieht er nunmehr als Partn e r. Wäh rend er selbst auf seine Autori t ät verzicht et und sich mit Philemon auf eine gemeinsame Ebene stellt, soll Phil emon seine n Sklaven, ob gleich bisher unbrauchbar, auf dieselbe Ebene stell en . Ein Appell a Philemon, seinen Sklaven Onesimos freizulassen, i st im ganzen Brief nicht zu 28 Sklaverei vorsieht, so enthält er doch indirekt den Keim dazu. Denn wenn sich Sklavenhalterinnen und Sklavenhal ter gemeinsam mit Sklavinnen und Sklaven auf ein und derselben Ebene begegnen, dann führt dies folgerichtig und zwangsläufig zur Aufhebung der Sklaverei. Auswahl wichtiger Fachliteratur: Im weitesten Sinn ist für die »Papyrologischen Kommentare zum Neuen Testament« neben der bibelwissenschaftlichen Literatur natürlich die gesamte papyrologische Primär-· und Sekundärliteratur relevant. Ausführliche Literaturangaben zur Papyruskunde bietet H. -A. Rupprecht, Kleine Einführung in die Papyruskunde (Die Altertumswissenschaft), Darmstadt 1994; eine Übersicht über wichtige Hilfsmittel bietet auch P. Arzt-Grabner, Philemon (Papyrologische Kommentare zum Neuen Testament 1), Göttingen 2003, 9-13 (mit Internetadressen S. 34-35). Das maßgebliche Verzeichnis für Editionen von Papyri, Ostraka und Täfelchen ist die Checklist of Editions of Greek, Latin, Demotic and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets, ed. J.F. Oates u.a. (BASPap.S 9), Atlanta '2001 (die jeweils aktuelle Fassung ist im Internet einsehbar: <http: / / odyssey.lib.duke.edu/ papyrus/ texts/ clist.html>). ZNT 14 (7.Jg. 2004) Als Auswahl der unmittelbar relevanten Literatur zum Vergleich neutestamentlicher Texte mit dokumentarischen Papyri und Ostraka sind anzuführen: P. Arzt, Ägyptische Papyri und das Neue Testament. Zur Frage der Vergleichbarkeit von Texten, Protokolle zur Bibel 6 (1997), 21-29. Ders., The »Epistolary lntroductory Thanksgiving« in the Papyri and in Paul, NT 36 (1994), 29-46. Ders., » Brothers« and »Sisters« in Documentary Papyri and in Early Christianity, RivBib 50 (2002), 185-204. Ders., Philemon (Papyrologische Kommentare zum Neuen Testament 1), Göttingen 2003. Ders./ R. Kritzer / A. Papathomas / F. Winter, 1. Korinther (Papyrologische Kommentare zum Neuen Testament 2), Göttingen (erscheint 2005). G.A. Deißmann, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistischrömischen Welt, Tübingen 4 1923. Ders., Bibelstudien. Beiträge zumeist aus den Papyri und Inschriften, zur Geschichte der Sprache, des Schrifttums und der Religion des hellenistischen Judentums und des Urchristentums, Marburg 1895 (N achdr. Hildesheim/ New York 1977). 0. Montevecchi, Luca 16,1-8 alla luce dei papiri, in: Paideia cristiana. Studi in onore di Mario Naldini (Scritti in onore 2), Barcelona 1994, 183-188 (Nachdr. in: Dies., Bibbia e papiri. Luce dai papiri sulla Bibbia greca [Estudis de papirologia i filologia bfblica 5], Barcelona 1999, 191-196). Dies., Phoebe prostatis (Rom . 16.2), in: Miscelania papirologica Ramon Roca-Puig, Barcelona 1987, 205-216 (Nachdr. in: Dies, Bibbia e papiri 173-189) . J.H. Mou! ton / G. Milligan, The Vocabulary of the Greek Testament Illustrated from the Papyri and Other Non-Literary Sources, London 1929. New Documents Illustrating Early Christianity, Bd. 1-6 hg. v. G.H.R. Horsley, Macquarie University 1981, 1982, 1983, 1987, 1989, 1992; Bd. 7-9 hg. V. St.R. Llewelyn, Macquarie University 1994, 1998, 2002. A. Papathomas, Das agonistische Motiv lKor 9,24ff im Spiegel zeitgenössischer dokumentarischer Quellen, NTS 43 (1997), 223-241. Ders., Die juristischen Termini im 1. Korintherbrief (im Druck). J.L. White, New Testament Epistolary Literature in the Framework of Ancient Epistolography, ANRW 11.25.2, Berlin/ New York 1984, 1730-1756. Anmerkungen ' J.H. Moulton/ G. Milligan, The Vocabulary of the Greek Testament Illustrated from the Papyri and Other Non- Literary Sources, London 1929. 2 Seit 1993 wird dieses Projekt auch vom Österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) gefördert. Informationen über den weiteren Verlauf und jeweils aktuellen Stand dieses Pro- ZNT 14 (7 . Jg . 2004) Peter Arzt-Grabner Die Pau l usbriefe im lich t e der A ll tagspapyri jektes sind im Internet unter folgender Adresse zu finden: <http: / / www.sbg.ac.at/ anw/ projects/ papyri.htm>. 3 Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus, hg. v. G. Strecker/ U . Schnelle; bisher sind erschienen: Bd. 2: Texte zur Briefliteratur und zur Johannesapokalypse, Teilbd . 1 und 2, Berlin/ New York 1996; Bd. 1: Texte zum Johannesevangelium, Teilbd. 2, Berlin/ New York 2001. Siehe dazu auch G. Strecker, Das Göttinger Projekt »Neuer Wettstein«, ZNW 83 (1992), 245-252. • Die Angabe der Papyrusbelege richtet sich nach der Checklist of Editions of Greek, Latin, Demotic and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets, ed. J.F. Oates u.a. (BASPap.S 9), Atlanta 5 2001 (eine aktualisierte Fassung ist im Internet einsehbar: <http: / / odyssey.lib.duke.edu/ papyrus/ texts/ clist.htmi> ). 5 Dion Chrysostomos (geboren in Prusa um 40 n.Chr. und somit ein Zeitgenosse des Paulus) erwähnt ein Kollegium der Leinenarbeiter (Oratio 34,21). 6 BL = Berichtigungsliste der Griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten. Bd. 1, hg. v. F. Preisigke, Berlin/ Leipzig 1922; Bd. 2, in zwei Teilen hg. v. F. Bilabel, Heidelberg 1929/ 1933; Bd. 3, hg. v. M. David/ B.A. van Groningen / E. Kießling, Leiden 1958; Bd. 4, hg. v. M. David/ B.A. van Groningen / E. Kießling, Leiden 1964; Bd. 5, hg. v. E. Boswinkel/ M. David/ B.A. van Groningen/ E. Kießling, Leiden 1969; Bd. 6, hg. v. E. Boswinkel/ P.W. Pestman/ H.-A. Rupprecht, Leiden 1976; Bd. 7, hg. v. E. Boswinkel/ W. Clarysse/ P.W. Pestman/ H.- A. Rupprecht, Leiden 1986; Bd. 8, hg.v. P.W. Pestm an/ H.-A. Rupprecht, Leiden u.a. 1992; Bd. 9, hg. v. P.W. Pestman/ H. -A. Rupprecht, Leiden / New York/ Köln 1995; Bd. 10, hg. v. P.W. Pestman/ H.-A. Rupprecht, Leiden u.a. 1998; Bd. 11, hg. v. H.-A. Rupprecht/ A.M.F.W Verhoogt, Leiden/ Boston 2002. 7 Siehe ferner Röm 15,8; lKor 1,6; beachte auch Phil 1,7. 8 Eine zeitgenössische Quittung über Webersteuer lautet - O.Wilck. 1040 (58 n.Chr.): »Petechonsis, Sohn des Petem ... , und seine Kollegen, die Steuereinnehmer der Webersteuer, an Abos, Sohn des Pikos, Gruß. Wir haben die Steuer für die Monate Phamenoth und Pharmuthi des 4. Jahres Neros, des Herrn, erhalten«. Zum Wortlaut beachte auch Phil 4,18. 9 Vgl. W.L. Westermann, Apprentice Contracts and the Apprentice System in Roman Egypt, CP 9 (1914), 295- 315: 298. ' 0 Die in den Lehrverträgen angegebene Laufzeit variiert, man findet Angaben für ein Jahr, zwei oder fünf Jahre. Höchstwahrscheinlich war die im vorliegenden Vertrag genannte Laufzeit von einem Jahr nicht die volle Lehrzeit des Thoonis. Dessen Vater Tryphon ist durch mehrere andere Dokumente als Webermeister bekannt (zum Archiv des Tryphon siehe vor allem M.V. Biscottini, L'archivio di Tryphon, tessitore di Oxyrhynchos, Aeg. 46 [1966), 60-90.186-292); hier lässt Tryphon seinen Sohn wohl zusätzlich zur Lehre im eigenen Betrieb auch außerhalb in die Lehre gehen. Auch drei andere Papyri - P.Mich. III 170 (49 n.Chr.); 171 (58 n.Chr.); 172 (62 n.Chr.)belegen, dass Weberfamilien aus Oxyrhynchus ihre Kinder bei anderen Webermeistern in die Lehre gehen ließen. Die Hg. dieser drei Dokumente liefern dafür zwei Deutungsmöglichkeiten: entweder wollte der jeweilige Weber, dass sein Sohn - oder Neffe im Falle von P.Mich. III 171 (58 n.Chr.)auch andere Techniken 29 Z um Thema als die traditionellen des eigenen Betriebes le rnen konnte, oder es gab gesetzliche Besc hr änkungen, Mitglieder der eigenen Familie als Lehrlinge zu führen. Die zweite Erklärung scheint a fgrund de r drei Michigan-Papyri die wa hrscheinlichere zu sein. Im Durchschnitt dürfte die Lehrzeit für das "' eberhandwerk drei Jah re betragen haben. 11 In einigen anderen Verträgen ist der Webermeister dafür zuständig. Wenn die Verträge diesbezüglich nic hts erwähnen, war offenb ar der natürliche oder gesetzliche Vormu nd des Le hrlings dafür zus tändig (vgl. P.Oxy. IV 725 ). \Veber mussten im Besonderen als Gewerbesteuer die sog. Webe rst euer b eza hlen (im 1. Jh . n .Chr . nicht nur au sgebildete Handwerker, sondern auch min derjährige Lehrlinge; A nfang de s 2. J h. n.C h r. wurden Letztere von diese r Zahlung befreit), fe rn er war en sie zur Z ahlung d er Kopfsteu er verpflichte t sowie der Schwe inesteuer und Damms teuer (a b dem Alter von 14 Jahr en) . 12 Der Webermeister P : olemaios wird also dem Lehrling keinen Lohn zahlen, w as wohl damit zusammenhängt, dass der Vertra g nu r für ein Jahr abgeschlo ssen wird. Wie z.B. P.Oxy. IV 72 5 zeigt, kan n dies für das erst e Lehrj ahr als normal angesehen werden, danach aber steigt de r Lohn oEenb ar im Einklang mir der zuneh menden Qualifi hti n des Lehrlings stark an. Im ge nannten Dokument wird für das erste und zweite J ah r kein Lohn ve reinbart, für das dritte Lehrjahr abe r 60 Drachmen, für d as vierte 192 und für das fiinfte s; ; hließ lich 288 (al so fa st da s Fünffache gegenüb er dem Lohn von zwei Jahren zuvor). 13 Analoge Formulieru ngen finden sich auch in SB X 10236,12-15 (36 n. Ch r.) und in P.Wisc. I 4,9-1 0 (53 n. Chr .). Deutlich and ers ist das Fo rmular z .B. des viel später ve rfasst e: : i Wcberlehrvertrag es PSI IV 287 (mit BL 1,394; 7,234; 377 n. Ch r. ), der vonseiten eine, tarsikarios formulie rt wird und in erster Linie die Verpflichtungen des Weberm eisters gegenüber d em Vater des Lehrlings zum Inhalt hat. 14 Ein d er artiger Hint er grund liegt z.B. für die prostatis Phoebe (Röm 16,1-2) auf der Hand (s iehe z.B. M. Ernst, Bianca Schnupp Die Funktionen der Phöbe [Röm 16,lf.J in der Gemeinde von Kenchreai, Protokolle zur Bibel 1 [1992], 135- 147; 0 . Montevecchi, Phoebe prostatis [Rom. 16.2], in: Miscelania papirolögica Ramon Roca-Puig, Barcelona 1987, 205-216; Nachdr. in: D ies., Bibbia e papiri. Luce dai papiri sulla Bibbia greca [Estudis de papirologia i filologia biblica 5], Barcelona 1999, 173-189]). 15 Ebenfalls im ü bertragenen ~inn: Mt 23,30; 1Kor 10,18.20; 2Kor 1,7; Hehr 10,33; lPetr 5,1; 2Petr 1,4. Im eigentlichen Sinn h ingegen Lk 5,10. S.C. Winter, Paul's Letter to Philemon, NT S 33 (1987), 1-15: 11 -1 2, hat über Phlm 17 die Ansicht vertre ten, Paulus ziele hier auf einen offiziellen Vertrag ab (in den nun auch Onesimos hinein genommen werden solle; , da es sich beim Begriff koinonos um einen juridischen terminus technicus handle, dem stets ein Pa .rt nerschaftsvertrag zu Grunde liege. Dazu ist an dieser Stelle festzu stellen: die Beispiele aus den Papyri zeigen trotz aller Gemeinsamkeiten auch Unterschiede, so dass man sicher nicht von einer völlig strikten und durc hwegs einheitlichen Fassung des Begriffs koinonos ausgehen kar: n. Paulus selbst gibt als koinonos Philemons ein Beispiel dafür ab, dass der Begriff eben auch ü hertragen angewendet we rden kann und nicht unbedingt einen Gesellschaftsvertrag materialiter voraussetzt, was aber nicht bedeutet, dass die Bildebene von der in diesem Fall rechtlichen - Sachebene völlig unbeeinflusst wäre. 16 Zu L. Bellienus G emellus siehe ausführlich W.L. Westermann, An Egyptim Farmer, University of Wisconsin Studies in Language and Literature 3 (1919), 171 - 190; N. Hohlwein, Le ve teran Luc: us Bellienus Gemellus. G entleman - Farmer au Fayoum, EtPap 8 (1957), 69-91; zum Verhältnis von Gemellus und sei: : iem Sklaven Epagathos siehe auch J A. Straus, L'esclavage dans l'Egypte romaine, in: H. Temp orini (Hg.), ANRW II.10.1, Berlin / New York 1988, 841-911 : 875-876. 17 Literarische und dokumentarische Quellen legen nahe, Onesimos nicht als entflohenen Sklaven, sondern als notorischen Herumtreiber zu sehen; siehe dazu P. Arzt- Grabner, Onesimus erro. Zur Vorgeschichte des Philemonbriefes, ZNW 95 (2004), 131-143. Schutzengel 30 Neutestamentliche Entwürfe zur Theo logie 9, 2004, 217 Seiten, € 44,-/ SFr 76 ,- ISB 3-7720- 061 -8 Genealogie und Theologie emer religiösen Vor stellung vom Tobitbuch bis heute Die Schutzengelvorstellung ist ein Aspekt gegenwärtiger Engelfrömmigkeit, der sich weit von seinen jüdisch-christlichen Anfängen entfernt hat und ein sehr eigenes religiös-kulturelles Panorama darstellt. Die Arbeit geht von aktuellen Bezügen aus und verfolgt die Vorstellung von den religionsgeschichtl : i chen Ursprüngen und dem Prototyp im Tobitbuch durch die gesamte Theologiegeschichte. A. Francke Verlag Tübingen und Basel ZNT 14 (7 . Jg. 2004)
