ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
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1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
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2004
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Dronsch Strecker Vogel»Ich vernichte die Streitwagen ...« - Aspekte paulinischer Herrschaftskritik und ihre alttestamentlichen Wurzeln
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2004
Ute E. Eisen
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Zum Thema Ute E. Eisen »Ich vernichte die Streitwagen ... « - Aspekte paulinischer Herrschaftskritik und ihre alttestamentlichen Wurzeln Der jüdische Religionsphilosoph Jacob Taubes hat in seinen Heidelberger Paulusvorlesungen 1987, wenige Wochen vor seinem Tod, die Theologie des Paulus »eine politische Theologie, eine politische Kampfansage an den Cäsaren« 1 genannt. Das sind ungewöhnliche Töne innerhalb der deutschsprachigen Paulusforschung. Diese Aussage stammt sicher nicht zufällig von einem jüdischen Religionsphilosophen, der Paulus stärker aus alttestamentlich-jüdischen Traditionen heraus zu verstehen in der Lage war. An diese Feststellung Taubes' möchte ich im folgenden anknüpfen. Meine Ausführungen bewegen sich zudem innerhalb der Paulusforschungsdiskussion, die sich mit dem Stichwort New Perspective verbindet. 2 Den Auftakt für diese Auslegungsrichtung gab in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts der schwedische Harvard-Neutestamentler und Lutheraner Krister Stendahl mit einer harschen Kritik an der Denktradition des abendländischen Christentums von Augustin über Luther bis in die Gegenwart hinein. Stendahl formulierte wohlgemerkt als Lutheraner und späterer lutherischer Bischof von Stockholm (1984-1988) die schockierende These, dass Luther Paulus falsch verstanden habe und mit ihm die exegetische Auslegungsgeschichte seitdem. Stendahls Hauptkritik protestantischer Auslegung ist es, dass sie die Paulusinterpretation auf die Frage nach dem >Heil des Einzelnen< beschränkte und Paulus einen sozialen Konservativismus attestierte. 3 Dieser im abendländischen Christentum ausgeprägten Konzentration auf eine am Individuum orientierte Interpretation der Rechtfertigungslehre stellte Stendahl die Überzeugung entgegen, dass es Paulus gemäß seiner Berufung zum Apostel für die Völker vor allem um die Frage des soteriologischen Status aller Völker ging, also um die Frage der Rettung auch nichtjüdischer Völker. Stendahl zufolge war Augustin der Erste, der die Rechtfertigungslehre aus ihrem ursprünglich ethnisch-heilsgeschichtlichen Kontext in den des sog. >inneren Gewissens< transformierte. Stendahl ZNT 14 (7. Jg. 2004) schreibt, dass Rechtfertigung nicht länger den Status >der Heiden als Juden ehrenhalber rechtfertigte<, sondern als zeitlose Antwort auf die Nöte und Qualen des ichbezogenen westlichen Gewissens verstanden wurde. Des Weiteren interpretierte Stendahl die paulinische Rechtfertigungslehre nicht länger als Attacke gegen ein angeblich >werkgerechtes< oder >legalistisches< Judentum. In Stendahls Gefolge wurde schließlich das Zerrbild jüdischen Gesetzesverständnisses durch eine gerechtere und angemessenere Charakterisierung antik-jüdischer Religiosität ersetzt. Ich werde im folgenden Überlegungen zur paulinischen Parusievorstellung vortragen, die insbesondere dem Forschungsbereich der antiimperialen Interpretation des Paulus zugeordnet werden können.4 Meine Thesen lauten: 1. Die paulinischen Parusietexte sind als Kritik am Imperium Romanum, ja mehr noch, als Kritik an jedem menschlichen Herrschaftsanspruch interpretierbar.' 2. Diese Kritik ist nicht neu in alttestamentlichjüdischer Tradition. Sie ist in der Hebräischen Bibel verankert. Ich werde meine Thesen in drei Schritten entfalten: Erstens stelle ich das hellenistisch-römischen Parusieritual vor, das den zeitgeschichtlichen Hintergrund für das paulinische Parusieverständnis bildet. Zweitens korreliere ich das hellenistisch-römische Parusieritual mit den Paulustexten zur Parusie Christi. Und drittens zeige ich anhand von Sach 9,9f., dass die herrschaftskritischen Implikationen der paulinischen Parusietexte nicht neu, sondern in der Hebräischen Bibel verankert sind. 1. Was bedeutete Parusie in der hellenistisch-römischen Welt? Parousia ist seit dem 4. Jh. v.Chr. Terminus technicus für den Besuch eines hellenistischen Königs oder einer Königin und später den eines Statthalters und schließlich in der Kaiserzeit den eines 31 Z 1um Thema Kaisers b zw . einer Kaiserin in einer Sta d t.6 Solche sam waren und als zentrale Ereignisse galten, zeu- Besuche wurden von einem Ritual begleitet, das einem bestimmten Ablauf folgte. Die Quellen, die dies belegen, sind vielfältig: In schriften, Papyru sbriefe, Ost r aka, d. h . Tonscherben, di,~ als Schreib- »Die paulinischen Parusietexte sind als Kritik am Imperium Romanum, ja mehr noch, als Kritik an jedem menschlichen gen Bezeichnungen solcher Tage als heilige Tage, die teilweise sogar eine neue Ära einläuteten. Das lässt sich etwa für Kaiser Hadrian belegen. M: t seinem ersten Besuch i: 1 Griechenland im Ja hr 124 n.Chr. hat eine neue material dienten, Münzen, Herrschaftsanspruch interpretierbar ... « Staatsreliefs unc. lit rarische Text e, die den Zeitraum v om 4. Jh. v.Chr. bis zum 4. Jh. n .C hr. ab decken. Sie sind über das gesamte Imp e rium Romanum verstre u t astzutreffe n und ent halten bis ins Detail hinein frap ierende Übereinstimmu: : igen. 7 Voraus gingen solchen Parusien die Bek anntgabe des Termines, damit sich die Stadtverwaltung und -bevölkerung darauf vorbereiten konn te. Das Ritual sah folger: .dennaßen aus : 1. Zuerst erfolgte d ie sog. apantesis, d.h. die »Begegnung« b zw . ,>Einholung« der e rwarteten Person. 8 Apantesis is t Terminus t echnicus dafür, dass de m Herrs her bzw . der Herrsc h erin, dem Statthalter oder de Kaiser bei deren Besuch in einer St adt die Be ölkeru n g ein Stück vor die Mauern der Stadt entgege n zog, die Perso: 1 traf und in die Stadt geleitete. Das bedeutete k onkret: Zum Empfang lief die gesamte Stadtbevölkerung, d.h. Stadtrat un Amtspersonen, Angehörige verschiedener lnst itu ·onen, Männer und Frauen, Schulkin der un Kl in kinder, Pr iester und Pries terinnen, geordnet n ach Rang und Würde, bis zu einer gewissen Ent fernung v or die Tore der Stadt, um die entspre che nd e Per son einzu h olen. Die Berichte der an tiken Auto re n belege n eine rege Beteiligung aller Bev ölkerungsgruppe n . Dabei trugen die Menschen weiße Kleider u nd waren bekränzt, die P sau : ie wurde geblasen, der Herrscher, Statthalter o ,er Kai ser, der in se inem Gefolge Truppen mit sich führte, wurde m it Akkla mationen begrüßt. ei der Begleitung des Introitus wurden hymn enartige Lob lieder gesungen. 2. Es erfolgte der Introitus in eine von F; ; .ckeln und Kerzen erleuc htete Stadt. Der Geruc h von Weihrauch erfüllte die Straßen. Ehrungen erfolgten, etwa, dass d em König ein (goldener) Kranz oder eine Gel s umm e überreicht wurde. Der Kaiser in Rom zog auf das Capitol. 3. Es wurden Opfer vollzogen . 4. Es vvurden Spiele veranstaltet. Davon, dass s 1c e Besuche besonders einpräg- 32 Ära begonnen. 9 Die Funktionen solcher Parusien waren vielfältig: 1. Sie hatten wirtschaftliche Funktionen, indem sie Bautätigkeit in die Städte brachten. Zudem führten sie zu Pri vilegierungen einzelner Städte während des Aufenthalts: Verringerung von Steuern, Schuldenerlasi; oder kaisaerliche Spenden, bestehend aus Geld oder Getreide. Profit und Verlust gingen dabei oft Hand ir_ Hand. Die Könige, Statthalter oder Kaiser kamen mit großem Gepräge und Truppen, was zu einer erhöhten Nachfrage an Versorgungsleistungen führte. Erwartet wurde die Bereitstellung von Kleidung, finanzieller Ausstattung, Transportmitteln und Unterkunft auf Basis von Gastfreundschaft. Das führte teilweise zu erheblichen finanziellen Engpässen in den Städten, zu Beschwerden und im schlimmsten Fall zum Bankrott der Aristok ratie. 10 2. Die Parusien hatten richterliche, notarielle und polizeiliche Funktionen. Insbesondere kam den Statthaltern die Aufgabe zu, während ihres Aufenthalts in der Stadt Petitionen und Briefe entgegenzunehmen sowie Gesandtschaften zu empfangen. 3. Vielfach begegnet das Parusieritual im Zusammenhang von Krieg und Frieden. So lässt sich etwa die spezifische Form der Parusie als Ergebungsritual nachweisen. Z.B . wird von der Parusie eines kriegerischen Diadochenherrschers in Athen berichtet (291/ 290 v.Chr.), bei der die Stadtbevölkerung ihn nach allen Regeln des Parusierituals empfangen hat mit der Botschaft: »Zuerst schaff Frieden " Liebster, denn Herr bist du«. 1 1 Es handelt sich hier um ein Parusieritual, das als freiwilliges Ergebungsritual gedeutet werden kann. Die Formulierung »zt: .erst schaff Frieden« kann dabei als Beschwichtigungsaussage gegenüber dem siegreichen Feldherrn gelesen werden. Auch Josephus berichtet aus : : lern Jüdischen Krieg Parusien dieser Art von Kaiser Vespasian in verschiedenen galiläischen Städten 1Jos., bell.iud. 3,33; 3,459; 3,461). ZNT 14 (7. Jg. 2004) Ute E. Eisen Prof. Dr. Ute E. Eisen, Jahrgang 1961, studierte Evangelische Theologie in Erlangen, Berkeley/ Carlifornia und Hamburg. 1989-1993 Wiss. Mitarbeiterin am Fachbereich Ev. Theologie in Hamburg. 1994 Promotion; 1994-2002 Wiss. Assistentin am Institut für Neutestamentliche Wissenschaft und Judaistik der Theologischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität in Kiel; 2003 Habilitation. Seit 2004 Professorin für Bibelwissenschaften Altes und Neues Testament an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Forschungsschwerpunkte: Die synoptischen Evangelien und die Apostelgeschichte, Literaturwissenschaftliche Analyse der Bibel, Genderforschung, Geschichte des frühen Christentums, die Bibel in Bild und Film sowie in neuen Medien. Diverse Veröffentlichungen: http: / / www.unigiessen.de/ fb04/ theologie/ ev/ B W/ B W%20Eisen%20HP.htm Das zeigt: Mit Parusie und Apantesis verband sich häufig der Wunsch nach Frieden. Das machen die Ergebungsszenen deutlich. Parusien wurden aber insbesondere auch für eigene erfolgreiche Könige, Feldherren und Kaiser anlässlich erfolgreicher militärischer Leistungen ausgerichtet. Für die frühe Prinzipatszeit, d.h. um die Zeitenwende, ist die mit dem Adventus verbundene Friedensidee am Beispiel des Augustus sehr gut zu illustrieren. Augustus zog insgesamt dreimal, in den Jahren 29, 19 und 13 v.Chr. unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Rom ein. Anlässlich des Adventus des Augustus im Jahre 13 v.Chr. wurde der sog. Altar des Augustusfriedens, die Ara Pacis, errichtet. Auffallend ist auch hier, ähnlich wie in den hellenistischen Parusietexten, die Verbindung mit dem Friedensgedanken. Die Parusie der jeweiligen Person wird als Bürgschaft ZNT 14 (7. Jg. 2004) Ute E. Eisen »Ich vernichte die Streitwagen .. . « für eine anhaltende Friedenherrschaft interpretiert. 4. Der Kaiseradventus ist unter dem Stichwort >Kaisernähe< in die Forschung eingegangen. 12 So deutet Egon Flaig das Ritual des Kaiseradvents in einer groß angelegten Studie soziopolitisch. 13 Es bedeutete konkret die Nähe der Untertanen zu ihrem Kaiser. Im Adventus entfaltete sich die gesamte Gliederung der städtischen Gesellschaft, gestaffelt nach Rang, sozialem Status und Würde bis hin zum niederen Volk. Da alle, einschließlich der Kinder, anwesend und gefragt waren, wird darin die Pflege des gesellschaftlichen Konsenses, des consensus universorum deutlich. Es handelt sich also um ein >politisches Konsensritual< der Stadtbevölkerung und seiner Aristokratie. In diesem Ritual gewann die symbolische Einheit des sozialen Körpers der Stadt ihre eindringlichste Darstellung. Das Adventusritual war also gemeinschaftsfördernd und Herrschaft bekräftigend. Angesichts der Masse der Quellen in dem Zeitraum vom vierten vorchristlichen bis zum vierten nachchristlichen Jahrhundert im gesamten Raum der hellenistisch-römischen Welt, die von Parusien von Königen, Statthaltern und Kaisern zeugen, ist davon auszugehen, dass dieses Ritual den meisten Bewohnerlnnen größerer Städte innerhalb des Imperium Romanum auch im 1. Jh., also zur Zeit des Wirkens des Paulus, plastisch vor Augen stand. 2. Die paulinischen parousia-Texte im Vergleich mit dem hellenistischrömischen Parusieritual Das eschatologische Ereignis des Kommens Christi bezeichnet Paulus ebenfalls mit dem Begriff parousia. 14 Immer häufiger wird in der exegetischen Sekundärliteratur betont, dass parousia kein Terminus technicus aus der Septuaginta ist, sondern aus dem hellenistischen Sprachgebrauch stammt. 1 ; Wie oben gezeigt werden konnte, ist er vielmehr Terminus technicus für den Besuch eines hellenistischen Königs oder einer Königin, eines Statthalters oder eines Kaisers oder einer Kaiserin in einer Stadt. Dass auch für Paulus diese Vorstellung bei seiner Parusieentfaltung Pate gestanden hat, zeigt seine Kombination der Begriffe parousia und apantesis in lThess 4,15-17, denn dieses Begriffspaar war für das hellenistisch-römische 33 Z tLJm Thema Parusieritual charakt eristisch (s.o.) . Darüber hinaus weisen Einzelzüge sein er Argumentation auf seine Anknüpfung und zugleich Abgrenzung vom hellenistisch-römischen Parusieverständnis. Paulus be zeicl-..net das esc hatologische Kommen Christi insgesamt fün fmal in seinen Briefen mit dem griechischen Begriff parousia (lThess 2,19; 3,13; 4,15- 1 7; 5,23; 1Kor 15,23). Neben diesen expliziten Thematis ie rungen der Parusie Christi finden sich noch zahlr eiche w eitere Hinweise auf seine Erwartung de eschatologischen Kommens Christi (etwa 1Kor 16,22; 2Kor 1,14; hil 3,20f; 4,5; Röm 13,1 lf.) . Die ausführlichste Schilderung der parousia Christi durch Paulus findet sich in seinem älte sten Brief, dem Thessalonicherbrief (lThess 4,13 -5,1 1 ). Anl ass für die paulinische Erörterung der Parusiefrage war die in Th essaloniki virulent gewordene Frage, wa„ mit den Versto rbenen bei d er Parusie Christi geschehe (1 Thess 4,15-17): 14 »Dies es nämlich sagen wir euch mit einem Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die Übriggeb li ebenen bis zurr_ Kommen (pa rousi a) des Herrn den Entschlafenen nicht zuvorkomme n we : : -den . Denn er selbst, der Herr, wird mit einem Befehlswort, mit der Stimme des Erzengels und der Posaune Gottes vom H immel he rabkommen, u nd die Toten in Christus werden zuerst auferstehen, danach werden wir, die Lebe de n, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen auf Wolken in die Luft entrückt we rd en zur Einholung (apant esis) des Herrn . Und so werden wir b ei dem Herrn sein alle Zeit.« Die An tw ort de s P aulus ist eind eutig: Die Verstorbenen werden zuerst auferstehen und danach zusammen mit den noch Lebend en entrückt zur »Einholung« (apantesi s) des Herrn. Hier begegnet der für das hell niscisch-römische Parusieritual typische Begrif: der Apan tesis. Dieser Vorgang wird in den Qt: ellen häufig auch durch Verben des Wortstammes ag o beschrieb en, daher erklärt sich auch der Gebrauch dieses Verbes kurz vo r der zitierten Passag e in 1Thess 4, 14. D : ese terminologis chen Pa rallelen zeigen, dass Paulus die Parusie Christi in die Begriffli ch keiten u nd die Vorstellungswe! t des hellenistischrömischen Parusierituals fa3st. E r stelle klar, dass, wie bei der politischen Parusie, auch bei der Parusie Christi alle beteiligt sind. Die Verstorbenen w erden nicht fehlen und auch nicht hintanstehen. D as markiert aber zugleich nch den Unterschied zur politi- 34 sehen Parusie, wo eine deutliche Einhaltung von Rang und Würde a ls Ausdruck der hierarchischen Ordnung bei der Einholung anzutreffen ist. Eine solche gibt es bei der Parusie Christi nicht: Die Auferstandenen und die Lebenden werden zusammen dem Herrn entgegen gehen. In unmittelbarem Anschluss an diese Ausführungen fährt Paulus mit seiner Entfaltung der Parusiethematik fo rt (1 Thess 5,1-3): »Über Zeiten un ci Stunden (chronoi kai kairoi), Geschwister, ist es nicht nötig, euch zu schreiben, denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit! (irene kai asphaleia), kommt plötzlich Verderb en über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau, und es gibt kein Entrinnen.« Paulus fährt hier mit der Erörterung der Frage nach dem Wann der Parusie fort, also der Terminfrage. Für die politischen Parusien war es signifikant, dass sie angekündigt wurden, damit entsprechende Vorbereitungen auf Seiten der Stadtbevölkerung getroffen werden konnten. Paulus greift ebenfalls die Terminfrage auf, betont aber die Andersartigkeit der Parusie Christi. Diese Parusie kommt »wie ein Dieb in der Nacht«, also unerwartet und überraschend. Vorbereitungen dafür können dann nicht mehr getroffen werden. In den folgenden Versen betont Paulus vielmehr, dass die Vorbereitungen der Gemeinde schon jetzt erfolgen müssen. Er schreibt: »Also lasst uns nicht schlafen wie die anderen, sondern wach und nüchtern sein« (1Thess 5,6). Seine Ermahnungen zu Wachsamkeit und Nüchternheit münden schließlich in seine berühmte Rede von der geistlichen Waffenrüstung: Die Glaubenden sollen den Brustpanzer des Glaubens und der Liebe und den Helm der Hoffnung auf Rettung anlegen (1 Thess 5,8). Was an der gesamten P: uusieerörterung in lThess 4,13-5,11 vor allem auffällt, ist die apokalyptische Diktion. Typische apokalyptische Motive enthält die Rede von den Übriggebliebenen (vgl. 4Esr 6,25; 7,27f.; 9,8; 12,31-34; 13,24.48), der Stimme des Erzengels (vgl. Dan 12,1 LXX; Apk- Mos 22; AssMos 10 ,2), der ? osaune Gottes Qes 27,13; Sach 9,14; 4 Esra 6,23; 1Kor 15,51f., Mt 24,31), dem Herabkommen des Kyrios (etwa Mi 1,3; Jes 26,21; AssMos 10,3.7; 12,13; PsSal 18,5; äthHen 1,3f.; 100,4; Sib 3,286.3D8), der Entrückung (Apg 8,39; 2Kor 12,2.4; Offb 12,5), den Z~T 14 (7. Jg. 2004) Zeiten und Stunden (Dan 2,11; 7,12; Weish 8,8; Apg 1,7), dem Kommen wie ein Dieb in der Nacht (vgl. QLk 12,39 par.; Offb 3,3; 16,15), dem Wehe der Schwangeren (vgl. Hen 62,1-6; 4 Esra 4,40-42). Auch ist die Vorstellung des Tages des Herrn biblisch verankert und mit dem Gericht Gottes verknüpft (vgl. LXX Am 5,18.20; Joel 2,1; Jes 13,6.9; Ez 7,10; 13,5). Es kann festgehalten werden: Die Einzelmotive der Argumentation sind vorrangig apokalyptisch und damit alttestamentlich-jüdisch. Innerhalb der apokalyptischen Motive tauchen jedoch Begriffe auf, die den imperialen Kontext als Deutungshintergrund der paulinischen Rede nahe legen. Das ist zum einen das Begriffspaar parousia und apantesis wie oben bereits gezeigt. Hinzu kommt die Wendung »Friede und Sicherheit«, wie sie Paulus im oben zitierten Text gebraucht (1 Thess 5,3 ). Diese Wendung ist mittlerweile als römischer Slogan erkannt worden, der als Programm der frühprinzipalen Zeit gilt: die römische Formel »Friede und Sicherheit« (pax et securitas). 1 ; Mit dieser exegetischen Entdeckung ging die Einsicht einher, dass diese Wendung nicht von der alttestamentlichen Losung der Falschpropheten, >»Friede, Friede<, obwohl doch kein Friede ist Qer 6,14; 8,11; Ez 13,10)«, stammen könne, da Schalom in der Septuaginta niemals mit dem griechischen Begriff asphaleia (Sicherheit), wie er hier begegnet, übersetzt wurde. 16 Damit schied die Herkunft dieser Begriffskombination aus dem alttestamentlich-jüdischen Kontext aus. Zahlreiche pagane Quellen, vor allem auch Inschriften belegen, dass es sich eindeutig um einen zeitgenössischen politischen Slogan handelt. Daraus kann geschlossen werden, dass die Wortkombination »Friede und Sicherheit«, wie sie Paulus hier gebraucht, eine für paulinische Zeitgenossinnen und Zeitgenossen deutliche Anspielung auf den imperialen politischen Lebenskontext war und zugleich eine Kritik an diesem implizierte. Paulus gebraucht den Begriff der Parusie noch drei weitere Male im 1. Thessalonicherbrief. In 1Thess 2, 19 bezeichnet Paulus die Gemeinde Thessalonikis als »unsere Hoffnung«, »unsere Freude«, »unseren Ruhmeskranz« angesichts der Parusie Jesu. Für Paulus ist die von ihm gegründete Gemeinde offensichtlich ein Kranz, den er seinem Herrn überreichen kann am Tage der parousia, also möglicherweise nicht oder nicht nur, wie es in der Regel verstanden wird, ein Kranz, ZNT 14 (7.Jg. 2004) Ute E. Eisen »Ich vernichte die Streitwagen ... « mit dem er selbst als Apostel bei der parousia geschmückt wird. Beide Aspekte konnten bei der hellenistisch-römischen Parusie eine Rolle spielen. Eine weitere paulinische Erwähnung der Parusie Christi folgt in 1Thess 3, 13. Paulus nimmt die Parusie hier in zweifacher Weise in den Blick: Erstens thematisiert er die »Stärkung der Herzen der Gläubigen, damit sie untadelig seien in Heiligkeit vor Gott beim Kommen des Herrn«. Hier klingt die Gerichtsthematik an. Sie ist auch virulent bei den politischen Parusien. Zu deren Funktionsbereich gehörten unter anderem das Gerichthalten und die Verfolgung politischer Gegner. Auch bei Paulus ist ein Gerichtsgedanke anzutreffen, wenn er in 1Thess 5,4ff. die Gemeinde ermahnt, sich beständig auf den Tag vorzubereiten. Insgesamt herrscht aber in 1Thess 5, 9f. und 1Thess 3, 13 der zuversichtliche Grundton, dass Gott die Christlnnen aufgrund des Kreuzestodes Christi nicht für sein Zorngericht bestimmt hat. Zweitens stellt Paulus in 1Thess 3,13 die Parusie Christi als ein Ereignis vor, das Jesus mit Gefolge zeigt: mit allen seinen Heiligen. Hier könnte Sach 14,5 im Hintergrund stehen, wo die mit Gott kommenden Heiligen den himmlischen Hofstaat, also die Engel bedeuten. Begleitung war auch ein Charakteristikum der politischen Parusien. Herrscher kamen nicht alleine, sondern in Begleitung bewaffneter Soldaten. Das bedeutete im Zusammenhang hellenistisch-römischer Parusien immer auch eine Demonstration militärischer Macht. Konkret kann man sich vorstellen, was das bedeutete. Wenn die römischen Soldaten in den Provinzen in voller Bewaffnung einzogen, trugen sie große Schilde, Brustpanzer, Helme, Schwerter, Speere und Äxte. Auch das Motiv des Begleitetwerdens findet sich bei der paulinischen Parusie Christi. So erwähnt Paulus, dass Jesus nicht allein kommt, sondern »mit allen seinen Heiligen«. Hier ist aber wohl an Engel als seine Begleitung gedacht. Dabei wird die Differenz zur politischen Parusie deutlich. Gefolge ja, Heilige, Engel, aber keine bewaffneten Soldaten. Die Bewaffnung, von der auch Paulus spricht, ist eine andere, es ist die geistliche Waffenrüstung (lThess 5,8). Die letzte Erwähnung der Parusie im 1Thess erfolgt im abschließenden Gebetswunsch in 5,23f. Paulus formuliert: »Der Gott des Friedens heilige euch ganz und gar 35 Z 1um Thema und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit i; ir untadelig seid bei d er Parusie unseres Herrn Jesu s Christus. Treu ist der, der euch beruft, er wird es auch tun «. Auch hier steht also die Gewissheit im Zentrum, dass die Glaubenden bei der Parusie vor Gott bestehen können. Das Thema Frieden ist für Paulus zentral. So rekurriert er nicht nur hier auf den »Gott des Friedens «. Vielmehr haben wir es hier mit einer besonders von Paulus gebrauchten Wendung zu tun (Röm 15,33; 16,20; 1 Kor 14,33; 2 Kor 13, 11 ; Phil 4,9). Sehr häufig begegnet der Begriff de s Friedens in den Paulusbriefen in den Präskripten (Röm 1,7; lKor 1,3; 2Kor 1,2; Gal 1,3; Phil 1,2; lThess 1 ,1 und Phlm 1,2) und in den Schlusswünsche n. 'orrangig re kurriert Paulus hier auf den Schalo mb egriff, der in der Hebräischen Bibel von so großer Bedeutu n g ist. In 1Thess 5 parodiert Paulus mit der Formel »Friede und Sie erheit" die julisch-claud ische Dynastie und ihre Rede vo m Frieden. Paulus macht unmissverständLch deutlich, dass er den von diesen Machthabern ve rkündeten Frieden und ihre Sicherheit für schei 1a ft hält. Die letzte Erwähnung des Kommens Christi mit das Kommen Chri: .ti aber mit eigenen Akzenten analog zu dem weltlicher He: : -rscher. Damit markiert er in provozierender, aber zugleich auch subtiler Weise, wer für ihn und seine Gemeinde der wirkliche Herrscher der Welt ist und welche Maßstäbe für diesen und dessen Anhängerinnen gelten. 3. Ist diese paulinische Herrschaftskritik neu oder gibt es dafür alttestamentliche Wurzel n? Paulus knüpft in seiner Schilderung des eschatologischen Kommens Christi bildlich und begrifflich nicht nur an die hellenist: sch-römische Parusievorstellung an, sondern ebenso an alttestamentlich-jüdische Königsbzw. Herrscherkritik, die in der Hebräisc . en Bibel reich belegt ist. Ich möchte aus der Fülle der Belege einen Text herausgreifen, der an die Vorstellung der hellenistischen Herrscherparusie anknüpft und diese zugleich kritisiert. Es ist ein Prophetlnnenwort, 17 das im frühen Christentum rezipiert wurde und sicher auch Paulus bekannt war. Es handelt sich dem Begriff Parusie im Co r pus Paulinum steht im ersten Brief an die Gemeinde in Ko rinth. Hier geht es um di e »Ordnung« beim Ko mm en des Herrn. Paulus betont »Ers- »In JThess 5 parodiert Paulus mit der Formel >Friede und Sicherheit< die julisch-claudische Dynastie und ihre Rede vom Frieden.« um Sach 9, 9-10. Dieses Prophetlnnenwort steht in der Traditionslinie einer theologischen Kritik herkömmlichen Herrscherverständnisses, hier insbesondere des hellenistischen Gottkönigtums . 1 ' ter ist Ch ristus« und spielt damit auf dessen berei ts erfolgte Auferstehung an. Beim Kommen des H errn schließ lich folgen ihm alle, die zu ihm geh·· ren. Hier liegt der Schwerpunkt darauf, da ss erstens alle Christinnen und Christen dabei sind und dass es zweitens unter diesen keine Rangs tufen gibt. Paulus operiert hier zwar mit dem Begri ff und der Vorstellungswelt der politischen Parusie, di e Rangstufen kannte, modifiziert diese ab er im Hinblick auf d ie besonderen Bedingungen der Herrschaft sein es Herrn, dessen Kommen er verkündigt: Rangstufen gibt es nicht mehr (vgl. Gai 3,28). Abschließend kann fest ge halten werden: Das hellenistisch-römisc e Parusieritu al war der Enzyklopädi e der Rez ipientlnnen der Paulus briefe eingeprägt. Indem Paulus Begri ffe und Vorstellungen daraus aufgreift, knüpft er an die Vorstellungswelt seiner Rezipientinnen und Rezipienten an. Er fasst 36 Es wird im frühen Christenrum im Rahmen der Erzählung vom Einzug Jesu in Jerusalem aufgegriffen. Diese Erzählung, die szenisch ebenfalls an die Vorstellungen der hellenistisch-römischen Herrscherparusien anknüpfte, wird von allen vier Evangelien aufgenommen. Das Matthäusevangelium (Mt 21,5) und das Johannesevangelium Qoh 12,15) deuten den EinzugJesu in Jerusalem explizit mit dem alten Prophetlnnenwort aus Sach 9,9. Explizit zitiert wird: »Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.« Diese Anspielung auf eine königliche Einzugsszene stammt aus Sach 9,9-10. Der gesamte Text lautet: (9) Juble laut, Tochter Zion, jauchze, Tochter Jerusalem . Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerecht, ~r und einer, dem geholfen wurde, 1st er, ZNT 14 (7. Jg. 2004) demütig und auf einem Esel reitend, auf einem jungen Esel, dem Fohlen einer Eselsstute. (10) Ich vernichte die Streitwagen aus Ephraim und die Pferde aus Jerusalem und ausgerottet wird der Kriegsbogen. Er spricht Schalom zu den Völkern, und seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde. Die Verse stammen aus dem Sacharjabuch, hier aus der deuterosacharjanischen Sammlung (Sach 9-11) . Das ist eine Sammlung anonymer Prophet- Innensprüche, die an Sacharja 1- 8 aufgrund gewisser inhaltlicher Konvergenzen angeschlossen wurde. Sie sind wahrscheinlich in hellenistischer Zeit formuliert worden. Sach 9,9- 10 steht einerseits den Psalmen und andererseits prophetischen Vorstellungen nahe . 19 Die Verse stellen eine Kritik am hellenistischen Herrscherverständnis dar und bieten gewissermaßen einen theologischen Gegenentwurf dazu, schon weit über 300 Jahre vor Paulus .' 0 Die Verse heben sich formal und inhaltlich vom Kontext ab. Die Gattung des Stückes bildet der »Aufruf zur Freude«, eine Form des Heroldsrufes,'1 »und richtet sich an das wie häufig (vgl. Jes 1,8; 10,32; 16,1; 23,12; 52,2; Jer 4,31 u.ö.) als >Tochter< personifizierte Zion/ Jerusalem« . 22 Mit der Aufforderung an Zion/ Jerusalem zur Freude wird in der Regel die Ankunft eines Herrschers bzw. einer Herrscherin oder eines sonstigen hochgestellten Gastes angekündigt. Die Szene selbst ist der herkömmlichen Parusie eines helle nistischen Herrschers nachgebildet. Das Besondere ist hier, dass nicht irgendwelche Botinnen die Folgen dieses Ereignisses verkünden, sondern Gott selbst spricht: »Ich vernichte die Streitwagen aus Ephraim und die Pferde aus Jerusalem und ausgerottet wird der Kriegsbogen« (Sach 9,10a), womit die Sicherheit des Eintreffens garantiert wird." Inhaltlich unterscheiden sich die Verse von ihrem Kontext, indem hier die Weltherrschaft angekündigt wird und diese zug leich durch die Gestalt des einziehenden Königs sowie das Handeln Gottes, nämlich die Abrüstung, inhaltlich qualifi ziert ist. Es wird ein eigenwilliges Herrscherideal entworfen, das sich wie folgt darstellt: 1. In Z.4 heißt es, dass der König zum einen gerecht ist und zum anderen ,Hilfe erfahren hat<. Der Aspekt der Gerechtigkeit des Königs ist alt- ZNT 14 (7 . Jg. 2004) Ute E. Eisen »Ich vernichte die Streitwagen ... « testamentlich breit überliefert (vgl. 2Sam 23,3f.; Jer 22,3.15; 23,5; Ps 72,2.4.7.12-14), ebenso die Gerechtigkeit des künftigen Messias Q es 9,6; 11,4f.; 32,1) . Das Erfahren von Hilfe heißt, dass dieser König Go ttes Beistand genießt. Damit wird unterstrichen: Der kommende König verdankt es seiner Gerechtigkeit und der göttlichen Gnade und Hilfe, wenn er nun in Jerusalem seinen Ein zug halten kann. 2. In Z.5 heißt es, dass er auf einem Esel reitet, nämlich auf einem jungen Esel, dem Fohlen einer Eselsstute. Hier soll betont werden, dass es sich um ein edles, königliches Reittier handelt (vgl. Gen 49,11; Ri 10,4; 12,14). Es kann als Anspielung auf die ältere Messiastradition (Gen 49, 11) interpretiert werden. Diese Art von Esel ist das Tier des Messias, wie es auch sonst das Reittier der Vornehmen ist. Der Esel bildet hier vor allem auch den Kontrast zum Pferd in seiner Funktion als Kriegsross (V.10, Z.8) und kann somit als Symbol des Friedens gedeutet werden . Der Messias kommt eben nicht auf einem Pferd, das hier und in anderen Texten mit Krieg in Verbindung gebracht wird. Das Pferd ist seit Salomo Zugpferd für Streitwagen und seit den Persern Reitpferd der Kavallerie. Das Pferd hat im Umfeld dieser Tradition sowohl militärische als auch politischelitäre Konnotationen. In V.10 heißt es, dass JHWH das Pferd, welches militärisches Potenzial repräsentiert, beseitigt. Die Bedeutung des Adjektivs demütig (ani), das sowohl »sanftmütig, demütig« als auch »arm, ge ring, niedrig« bedeuten kann, ist nicht mehr mit Sicherheit bestimmbar . Somit ist die gesamte se mantische Breite des Adjektivs virulent: >Demut< markiert in Verbindung mit dem Ritt auf dem Esel die Geisteshaltung dieses Königs; >Armut< betont die mangelnde Pracht des Einzuges, wie es für solche üblicherweise charakteristisch war. Festzuhalten ist: Der Einzug des Königs auf einem Esel soll zeigen, dass dieser nichts Kriege risches, nichts militärische Macht Demonstrierendes mehr an sich hat. Krieg soll künftig kein poli tisches Mittel mehr sein, und zwar beginnt Gott selbst mit der Abrüstung im eigenen Volk: Gott selbst sorgt dafür, dass Streitwagen, Streitrosse und der Kriegsbogen, der hier für alle Waffen steht, aus dem Territorium Israels verschwinden. Hier knüpft Sach 9,10 an die alte prophetische Tradition aus Mich 5,9 an. 37 2. um Thema 3. In Z. 10 ist vo m Wort d es messian is chen Köni gs die Rede. Er sp richt Schalom zu allen Völ- und relativieren damit nicht nur jegliche weltliche Herrschaft als vorläufig und vorübergehend, sonkern. Schalom verb ür gt hi er Friedenswirkung und Gerechtigk eit und z ar nic ht nur für Israel, sond ern ex plizit für die ganz e V„ lkerwel t. Wilhelm Rudo lph nennt die- »Die Aussagen über ]HWH als abrüstenden Gott und über den König .. . sind der theologische Gegenentwurf zum zeitgenössischen hellenistischen Königsbild.« dern entwerfen zugieich auch eine Perspektive auf die Gestalt der von Gott gewollten Herrschaft. Sie formuliert sich unter Verzicht auf militärische Macht, ihr Ziel ist Abrüstung und ein die Völker sen Kö nig einen »wo rtgewaltigen Schiedsrichte r «, der die Gegen sätze zwischen den Völkern schlicht en w ird. Sein bloßes Wort, das ja im Auftrag J H WHs gesprochen ist, hat die Wirkung, d ass die Völker nich t mehr zu den Waffen greife n, weil dieser wortgewaltige König sie davon üb erzeu gen wird, dass Kriege keine Lösung si n d. 2 ' 4. Die Verheißun g endet d2.mi t (Z.1 1-12), dass diese Methode Erfolg haben wird. Der kommende König wird die Herrschaft über die We lt erlangen. Es ist ei ne auf friedlichem We ge erzielte Herrschaft, die für alle Völker Schalom bedeute t. »V on Meer zu Meer« ist Ausdruck des antiken Weltbildes, es bedeutet die von \Vasser ums pülte Erdscheibe. Das ganze Traditionsstück macht die unbedi ngte Frie densliebe d es Königs und Gottes deutlich. Es ist ein univers alistischer Frieden, der allen Völkern gilt. Es kann fest geh~lten werden: Die Aussagen über J HWH als abrüstenden Gott 25 und über den König, der mit d en Attributen der Kiedrigkeit und Hilfebedürftig keit verseh en wird und Frieden schafft, sind der theologische Gegenentwurf zum zeitgenössischen hellenistischen Königsbild. Dieser Gegenentwurf erfreute sich im frühen Christentu m offen ·ichtlich großer Aktu alität, indem in der Erzählun g vo n Jesu Einzug in Jeru salem auf dem Esel darauf angespielt wird (Mt 21,1-11 ; Mk 11, 1- 10; Lk 19,2: 1-38; Joh 12,12- 19 ) und indem Paulu s in seiner Parusies childer n g implizit daran ankn ··pft . 4. Fazit Die Parusietext e des P aulus insbeson dere lThess 4, 13 -5, 11 u nd der P: : -op h etlnn enspruch Deutero sacharjas (Sach 9,9f.), der in den Evan gelien rezipiert wird (Mt 21,5; Joh 1 2, 1 5) , sind theo logische Konzept e, di e deutlich e Herrscheru nd Imperiums kritik b einhalten.' 6 Diese Texte beschreiben das Kommen des messianischen Königs 38 vereinender Friede, der durch Schlichtung hervorgerufen wird. Paulus steht mit seinen Parusietexten - und nicht nur hiermit 27 in dieser Tradition der Hebräischen Bibel. Anmerkungen 1 J. Taubes, Die Politische Theologie des Paulus. Vorträge, gehalten an der Forschun gs stätte der evangelischen Studiengemeinschaft in H eidelb erg, 23.-27. Februar 1987, nach Tonbandaufzeichnungen red. Fassung von Aleida Assmann, hrsg. v. A. und J. Assmann in Verb. mit H. Folkers, W.-D. Hartwich und Ch. Schulte, München 1993, 27 (Hervorhebung i □ Original). 2 Vgl. dazu die zusammenfassende Darstellung der Forschungsdiskussion Yon Ch. Strecker, Paulus aus einer »neuen Perspektive« . Der Paradigmenwechsel in der jüngeren Paulusforschung, Ku! 11 (1996), 3-18. ' Vgl. dazu und zum Folgenden im Wesentlichen den Aufsatzband: K. Stend ahl, D er Jude Paulus und wir Heiden. Anfragen an das abendländische Christentum, aus dem Amerikanischen von U . Berger (Kaiser-Traktate 36), München 1978 (Orig.: Paul 2mong Jews and Gentiles and other Essays, Philadelphia 1976). 4 Zum gesamten Themenkomplex der antiimperialen Interpretation vgl. den instruktiven Forschungsüberblick von W. Popkes, Zum Thema >Anti-imperiale Deutung neutestamentlicher Schriften<, ThLZ 127 (2002), 850- 862. 5 Siehe dazu auch den ausführlichen Beitrag: U.E. Eisen, Die imperiumskritischen Implikationen der paulinischen Parusievorstellung, in: Beken: nnis und Erinnerung. FS für Hans-Friedri ch Weiß, h : : sg. v. E. Reinmuth und K.-M. Bull, Münster 2004 (erscheint im Herbst 2004). • Es kann im sakralen Bereich auch die Epiphanie eines Gottes oder einer G öttin im Kult oder in Wundern bezeichnen, allerdings wird aber hierfür gewöhnlich der Begriff Epiphanie und seltener Parusie gebraucht, vgl. A. Baumstark, Advent, in: RAC I, 1950, 112-125; E. Pax, Epiphanie, in : RAC V, 1962, 832-909; 0. Nussbaum, Geleit, in: RAC IX, 1976, 908-1049; Ch. Auffarth, Art. Parusie, R GG 6. Au fl . 2003, Bd. 6, 962. 7 Vgl. dazu und zum Folgende : 1 J. Lehnen, Adventus Principis. Untersuchungen zu S: nngehalt und Ritual der Kaiserankunft in den Städten d es Imperium Romanum (PRISMATA 7), Frankfurt am Main u.a. 1997 (s. hier den Forschungsüberblick: 17-27); P. Dufraigne, Adventus Augusti, Adventus Christi. Recherche sur l'exploitation ideologique et litteraire d'un ceremonial dans ! 'an- ZNT 14 (7. Jg. 2004) tiquite tardive (Collection des Emdes Augustiniennes; Serie Antiquite 141), Paris 1994; H. Halfmann, Itinera Principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen im Römischen Reich (Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien 2), Stuttgart 1986; D. Stutzinger, Der Adventus des Kaisers und der Einzug Christi in Jerusalem, in: Spätanike und frühes Christentum. Katalog der Ausstellung im Liebighaus, Museum alter Plastiken Nr. 224, Frankfurt am Main 1983, 284-307; A. Alföldi, Die monarchische Repräsentation im Kaiserreiche, mit einem Register von Elisabeth Alföldi-Rosenbaum, Darmstadt ' 1980; E. Peterson, Die Einholung des Kyrios, ZSTh 7 (1930), 682-702; A. Deissmann, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-römischen Welt, 4., völlig neubearb . Aufl. Tübingen 1923, 314ff. 8 S. dazu noch immer Peterson, Einholung, 682 -702. 9 Vgl. Belege bei Deissmann, Licht, 318f. 10 Vgl. z.B. diesbezügliche Dokumente und ihre Kommentierung in P. Stoffel, Über die Staatspost, die Ochsengespanne und die requirierten Ochsengespanne. Eine Darstellung des römischen Postwesens auf Grund der Gesetze des Codex Theodosianus und des Codex Iustinianus (EHS Ill/ 595), 29-155. 11 Vgl. den gesamten Text bei Stutzinger, Adventus, 284f., 196. 12 Vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich Lehnen, Adventus, 65ff. 13 Vgl. E. Flaig, Den Kaiser herausfordern. Die Usurpation im Römischen Reich (Historische Studien 7), Frankfurt am Main u.a. 1992; vgl. auch Flaigs Selbstanzeige seiner Monographie: Den Kaiser herausfordern, in: Historische Zeitschrift 253 (1991), 371-384. 14 Vgl. zu parousia bei Paulus W. Radl, Die Ankunft des Herrn. Zur Bedeutung und Funktion der Parusieaussagen bei Paulus (BET 15), Frankfurt am Main 1981; J. Plevnik, The Parousia of the Lord According to the Letters of Paul. An Exegetical and Theological Investigation, Würzburg 1971; zu 1Kor 15: J. Holleman, Resurrection and Parousia. A Traditio-Historical Study of Paul's Eschatology in 1 Corinthians 15 (Suppl. N.T. 84), Leiden u.a. 1996. 15 Etwa G. Haufe, Der erste Brief des Paulus an die Thessalonicher (ThHNT 12/ 1), Leipzig 1999, 54; pointiert schon Radl, parousia, in: EWNT 2 III, 103. 16 Vgl. dazu und zum Folgenden vor allem M. Dibelius, An die Thessalonicher I.11. An die Philipper (HNT 11), 2. völlig neubearb. Aufl. Tübingen 1928, 21-24; Radl, Ankunft des Herrn, 1981, 113-156; A. Lindemann, Paulus und die korinthische Eschatologie. Zur These von einer >Entwicklung< im paulinischen Denken, NTS 37 (1991), 376ff. Haufe, Thessalonicher, 77-88. 17 Vgl. K. Wengst, Pax Romana : Anspruch und Wirklichkeit. Erfahrungen und Wahrnehmungen des Friedens bei Jesus und im Urchristentum, München 1986, 32-34; 97ff. 18 So Haufe, Thessalonicher, 93. 19 Die alttestamentlichen Prophetenworte, die erst sekundär einem Propheten zugeordnet wurden, sind zahlreich. Daher kann bei allen Prophetenworten, die nicht eindeutig einem männlichen Propheten zugeordnet werden können, hypothetisch angenommen werden, dass dieses Wort auch von einer Prophetin gesprochen worden sein kann. So erklärt sich meine inklusive Schreibweise: Prophetlnnenwort. Außer Frage steht, dass es alttestamentliche Prophetinnen gegeben hat, vgl. ZNT 14 (7. Jg. 2004) Ute E. Eisen »Ich vernichte die Streitwagen . .. « I. Fischer, Gotteskünderinnen. Zu einer geschlechterfairen Deutung des Phänomens der Prophetie und der Prophetinnen in der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, sowie K. Butting, Prophetinnen gefragt. Die Bedeutung der Prophetinnen im Kanon aus Tora und Prophetie (Erev-Rav-Hefte: Biblisch-feministische Texte 3), Wittingen 2001. 20 Vgl. zu dieser These ausführlich vor allem A. Kunz, Ablehnung des Krieges. Untersuchungen zu Sacharja 9 und 10 (HBS 17), Freiburg i. Breisgau u.a. 1998, 121ff. pas sim; ders., Zions Weg zum Frieden. Jüdische Vorstellungen vom endzeitlichen Krieg und Frieden in hellenistischer Zeit am Beispiel von Sacharja 9-14 (Beiträge zur Friedensethik 33), Stuttgart/ Berlin/ Köln 2001. Zu Sach 9,9-10 und zum Folgenden vgl. ferner N. Ho Fai Tai, Prophetie als Schriftauslegung in Sacharja 9- 14. Traditions - und kompositionsgeschichtliche Studien (CThM A/ 17), Stuttgart 1996, 43 - 51; H. Graf Reventlow, Die Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi (ATD 25,2), Göttingen 1993 (z.St.); W. Rudolph, Haggai - Sacharja 1-8 - Sacharja 9- 14 - Maleachi. Mit einer Zeittafel von Alfred Jepsen (KAT 13,4), Gütersloh 1976 (z.St). 21 Dazu im Einzelnen Tai, Prophetie als Schriftauslegung, 43-51. 22 So auch Kunz, Zions Weg zum Frieden, 16; ders., Ablehnung des Krieges,121ff. passim; E. Bosshard-Nepustil, Rezeptionen von Jesaja 1-39 im Zwölfprophetenbuch. Untersuchungen zur literarischen Verbindung von Prophetenbüchern in babylonischer und persischer Zeit (OBO 154), Freiburg/ Göttingen 1997, 428. 2 ' F. Crüsemann, Studien zur Formgeschichte von Hymnus und Danklied in Israel (WMANT 32), Neukirchen - Vluyn 1969, 55 -65. 24 Vgl. Reventlow, Propheten, 95. Er charakterisiert das Traditionsstück wie folgt: »Es besteht aus Doppelversen (Bucola) im Dreiermetrum mit synonymem Parallelismus.« 25 Vgl. dazu und zum Folgenden Rudolph, Sacharja, 178-180. 26 Vgl. dazu ausführlich Rudolph, Sacharja, 181f. 27 Vgl. dazu etwa auch I. Baldermann, Der Gott des Friedens und die Götter der Macht. Biblische Alternativen, Neukirchen-Vluyn 1983, oder: H. -W. Wolf, Schwerter zu Pflugscharen - Mißbrauch eines Prophetenwortes? , EvTh 44 (1984), 280-292. Wolf zeigt, dass die Hebrä ische Bibel in vielfältiger Weise dem Vertrauen auf Waffen entgegentritt (vgl. Jes 31,lff.; Hos 14,5; Ps 46,7ff.). 28 Das ist sicher auch der Grund, warum die eher impe riumskonformen Pastoralbriefe nicht den politisch aufgeladenen Begriff der Parusie für das eschatologische Kommen Christi und damit seinen imperiumskritischen Akzent rezipierten, sondern den Begriff der Epiphanie benutzten (! Tim 6,14; 2Tim 4,1.8; Tit 2,13). 29 So formuliert Paulus auch als höchstes Prinzip des Zu sammenlebens die gegenseitige Liebe, die im Dienst der Versöhnung steht, Vergeltung wird von Gott erwartet und nicht selbst vollzogen (2Kor 5,17ff.; 1Kor 13; Röm 12f. passim). Zu weiteren Aspekten der Imperiumskritik des Paulus vgl. etwa R.A. Horsley (Hg.), Paul and Politics. Ekklesia, Israel, Imperium, Interpretation. Essays in Horror of Krister Stendahl, Harrisburg 2000; ders. (Hg.), Paul and Empire. Religion and Power in Roman Imperial Society, Harrisburg 1997; oder beispielsweise N . Elliot, Liberating Paul. The Justice of God and the Politics of the Apostle, Maryknoll / New York 1994, vgl. auch Anm. 4. 39
