eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 7/14

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
121
2004
714 Dronsch Strecker Vogel

Udo Schnelle: Paulus. Leben und Denken. Berlin/New York 2003, 704 S., broschiert, 39,95 Euro, ISBN 3-11-012856-X

121
2004
Michael Schneider
znt7140066
griffspaar »honor and shame«, etwa mit »Ehre und Schande « übersetzbar, das als interpretatives Z ugangsmuster dient. Der Autor fo lgt hierbei - und dies ist in seinen : : ieut estamern: lichen Fachstudien seit zwei J ahrzehnten gut nachvollziehbar einem kulturanthropologischen Ansatz, der, in Amerika etwa mit den Na m en David Gilmore, Bruce Malina od er Rob ert Atkins ver bunden, bei u ns erst in den letzten Jahren vers tä rkt rezipiert wird. Im Prolog c.es Buches (3-20) ist dieser Ansatz for die paulinische Theologie gut ve: : -stä nd lich entfaltet. Die fol genden drei Hauptabschnitte »Love and the Secrets of Shame« (23- 67), »Transforming th e Proud and the Shame« (71- 120) und ~ The Shamefu l Gospel and the P ro blem of Redemption« (123-176) sind jeweils in drei bis vier eigenständige Kap itel unterteilt, die jeweils einen Asp kt des Kapitels in einem speziel! en Hollywo o dfilm behandeln. Als markantes Beispiel für J ewetts Zugang sei Kap . 4, »S h ame, Love, and the Saga of Forrest G ump« (i m Abschnitt »Love and the Secrets of Shame«) herausgegriffen. Diesem Kapitel ist als p aulinis ,: her Ausgangstext ! Kor 13 vorangestellt, Lesern der Lutherbibel als das »H h elied der Liebe« bekannt. Jewetts Auslegung dieses Textes im Rahme n des oben beschriebenen kulturamhropologischen Ansatzes macht : n vielfältigen Textbezügen die Oppositio n von »Liebe« und »Sozialpres tige « deutlich und will zeigen, wie »Lie be« das soziale Udo Sch nelle Paulus. Leben und D enken. Berlin / New York 2003, 704 S. broschiert, 39,95 Euro, ISBJ'\ 3-1 1-012856-X »Paulus als Hera·.1sfo rderung « - Udo Schnelle hat nich: nu r das erste Kapi tel seines Buches so überschrieben , sondern sich auch der Herausforde rung einer Darstellung des Lebens und Denk ens des Apostels gestellt und somit die aktuellste deutschsprachige Paulus-Mon ographie vorgelegt. Schnelle präsentiert seine Darstellung des Paulus im Wese ntlichen in zwei Hauptte: len. Während im ersten der »Lebens- und Denkw eg« des Apostels n achgezeichnet wird, ist der zweite Hauptte il th ematisch nac h Kernthemen padini scher Theologie geordnet. Gerahmt werden diese beiden H auptteile durch einen Prolog mit ein er Reihe ges chichtstheoreti- 66 System von Prestige und Ehre in Korinth zu transzendieren vermag: Der We ttstre: t um Ehre, sei es apostolisches (so liest Jewett die Passagen des Parteiensteites in 1 Kor 1) oder gemeindeincernes (so versteht e: : die Notizen -: ibe r innergemeindliche Geistesgaben in ! Kor 12) Prestige, wird von Paulus im Konzept der Agape (gr. »Liebe«) in ! Kor 13 aufgelöst . Als kleines Zusatzbonbon löst sich für den Leser durch Jewetts A: : isatz d"'s Problem der textkritisch umstrittenen Passage in ! Kor 13,3 (Text im aktu ellen NT Graece sowie im »Greek New Testament«: »dass ich mich rühmen sollte«, gegen ci ie Textvariante »d ; ; . ss ich brennen sollce«): Während paradoxerweise die meisten deutschsi: rachigen Kommentare wohl aus inhaltliche: : i Gründen gegen den aktuellen Text entscheiden, wird dieser im »honor c.nd shame« - Schema d·.1rchaus plau sibe l. Dieses paulinische Konzept der Transzendierung bzw. Auflösung des Gerangels i.: .m Sozialprestige in »Liebe" erkennt Jewett im Film »Forrest Gump« von Robert Zemeckis (1994) wieder. Dieser Film entfaltet ein amerikanisches Geschichtspanorarr.a der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts au1 der Perspektive des liebenswerten Simplizissimus »Forrest Gump«, dargestellt von Tom Hanks. Auf eine Parap hrase des Films soll im Rahmen dieses Buchreports wohlweislich verzichtet werden der Leser mag hier do ch lieber zu Jewe tt selbst greifen . Interessant ist, wie dieser Filn mit scher Überlegungen, die für die vorliegende A rbeit wie auch für eine D arst ellung des Paulus über~uupt vo : : i Relevanz sind und durch einen Epilog zum paulinischen Denken »als bleibender Sinnbildung«. C d o Scl-.nelle verfolgt mit seiner Paulusdarstellung das »Ziel, umfassend in Leben und Denken des Apostels einnführen« (V) und dabei den Spagat zwischen Lehrbuch und Darstellung ei r. es eigenen Entwurfes zu Yersuchen. Prärr.issen für eine solche Betrachtung reflektiert der Autor im Prolog seines Werkes. Diese einleitend e : : i Seiten diskutieren zunächst die erkennt: : iistheoretischen Vora·.1ssetzungen ·,or. Geschichtsschreibung im Allgemeinen und die Probleme einer Paulusdarstellung im Spannungsfeld zwischen Theologie und Biographie im Besonderen. Begründet auf die Geschichtlichkeit des Erkenntnissubje kt es strebt Schnelle kein »objektilKor 13 verknüpft wird . Eng be grenzte Textbezüge als tertia compar,ttionis (»Liebe erträgt alles« und Forrests Liebe zu Jenny) sowie größere strukturelle Passagen (die ständige Aufsprengung von sozialen Grenzen oder von Prestigegehabe durch den völlig unbedarften, liebenswerten Forrest) machen dem Leser Jewetts These deutlich, dass dieses in ! Kor 13 iormulierte Konzept der soziale Grenzen sprengenden Kraft der Liebe tief in der amerikanischen Kultur verwurzelt ist (57). Es sind hier also weniger biblische Erzählstrukturen oder Symbole, sondern theologische Konzeptionen, die im Kulturprodukt Film analysiert werden. Gegen Ende der Lektüre hat der Leser das Gefühl, nicht nur Paulus in seiner Theologie, sondern auch die amerikaniscie Kultur in ihren zivilreligiösen und tief christlichen Wurzeln besser vers: anden zu haben. Nicht zuletzt deswegen ist das Buch dem neutestamentlich oder kulturell interessierten Leser uneingeschränkt zu empfehlen. Der einzige Wermutstropfen für den deutschen Leser mit den üblichen Englischkenntnissen ist die Wahrscl-.einlichkeit, mit der dieser aufgrund Jewetts literarisch flüssigem Stil hier und da doch ein Wörterbuch bemühen muss die Übersetzung von Jewetts kulturphilosophischen Schriften ins Deutsche ist immer noch ein Desiderat. Peter Busch ves«, sondern folgerichtig ein »ange messenes« bzw. »plausibles« (4) Bild des Paulus an, der wiederum selbst indem er Geschichte(n) schreibt x-eine eigene neue religiöse Welt« (8/ 9) konstruiert. So verstandene »sprachliche Konstruktion von Geschichte vollzieht sich deshalb stets auch als ein sinnstiftender Vorgang, der sowohl dem Vergangenen als auch dem Gegenwärtigen Sinn, d.h. Deurungskraft zur Orientierung innerhalb der Lebenszusammenhänge verleihen soll« (6/ 7). Schnelle beschreibt als wesentliche Stärke der paulinischen Korrespondenz ihre Anschlussfähigkeit an die Jesus-Christus-Geschichte, das Judentum und den Hellenismus. Diese Anschlussfähigkeit erwuchs aus dem Lebensweg des Apostels, den Schnelle daher zur Gliederungsgrundlage und Gegenstand seines ersten Hauptteils macht. ZNT 14 (7.Jg. 2004) Ein großer Vorteil der Konzeption Schnelles zeigt sich schon sehr deutlich auf den ersten Seiten des Prologs: Die zugrunde liegenden erkenntnistheoretischen, sprach- und geschichtsphilosophischen Prämissen werden nicht nur zur Sprache gebracht, sondern den Leserinnen und Lesern auch erläutert und als Deu- \ tungsfolie für die folgende Darstellung mit auf den Weg gegeben. Dabei bleiben diese Überlegungen nicht auf Prolog und Epilog beschränkt, sondern finden sich in konkreten Ausführungen wieder, beispielsweise zum Frühen Christentum (170-176) oder der Auferstehung (besonders 447ff.). Nach den methodischen Vorüberlegungen wendet sich Schnelle im ersten Hauptteil dem »Lebens- und Denkweg« des Apostels zu. Dieser wird anhand von Einzelbetrachtungen der Protopaulinen nachgezeichnet. Ausgehend von der Beobachtung, dass »jedes Geschehen( ... ) seinen Ort und seine Zeit« hat, sind an dieser Stelle verschiedene Vorentscheidungen inhaltlicher Natur unausweichlich: die notwendige Scheidung von Proto- und Deuteropaulinen, deren zeitlich-chronologische Abfolge sowie deren Abfassungsort und -umstände. Auch hier findet man den eingeschlagenen methodischen Weg schon vorgezeichnet in den vom Autor selbst genannten »Kriterien für eine Paulusdarstellung« (18-25): • Grundlegend ist der chronologische Aufbau, • Grundlagen und Wandlungen des paulinischen Denkens können allein am Textbefund der einzelnen Briefe festgemacht werden, • die historische und theologische Situation des Paulus muss in all ihrer Komplexität und Einzigartigkeit wahrgenommen und gewürdigt werden, • die Darstellung muss in die Geschichte des Frühen Christentums integrierbar sein, • paulinisches Denken hängt untrennbar zusammen mit dem paulinischen Identitätskonzept, • paulinische Theologie vollzieht sich als historische Sinnbildung und • eine sachgemäße Interpretation des Paulus muss multifaktoral angelegt sem. Schnelle stellt dem Durchgang durch die einzelnen Briefe innerhalb des ersten Hauptteils sechs Kapitel voraus, die nicht nur eine Rekonstruktion der »Vorgeschichte« vor der Abfassung des 1. Thessalonicherbriefes versuchen, sondern auch en passant eine Reihe weiterer Fragen zur ZNT 14 (7. Jg. 2004) Person des Paulus diskutieren. So schließt sich dem Abschnitt über Datierungsfragen (mit tabellarischer Übersicht) und den entsprechenden methodischen Problemen ein Kapitel über die soziale und kulturelle Her kunft des Apostels an, bevor dann in einem weiteren Schritt das sog. Damaskus-Geschehen intensiver be leuchtet wird. Auch an dieser Stelle beginnt Schnelle (gemäß seiner Kriterien für eine Paulusdarstellung) mit den Textbefunden, die das paulinische Selbstzeugnis über die Berufung be treffen, bevor weitere Quellen zu Rate gezogen werden. Bevor Schnelle in Kapitel 5 den Be ginn des paulinschen Wirkens mit der 1. Missionsreise beschreibt, diskutiert er verschiedene Fragen zur Basis die ser Mission wie die Bedeutung frühchristlicher Traditionen oder überlie ferter Schriften für Paulus . In diesem Zusammenhang analysiert Schnelle auch die Bedeutung des irdischen Jesus für Paulus (97f.) und gibt damit gleichsam Auskunft über sprachliche Formen der paulinischen Korrespondenz. Der Autor betont, dass man in den paulinischen Briefen »narrative Abbreviaturen« findet, die »in ge formter Sprache die entscheidenden Grunddaten der Jesus-Christus-Geschichte [enthalten], indem sie die Proexistenz des irdischen Jesus the matisieren und in seiner theologischen Bedeutung reflektieren.« (98). Nach der Darstellung des Apostel konvents und des Antiochenischen Zwischenfalls in Kapitel 6 geht Schnelle im folgenden Kapitel noch einmal ausführlich auf die Rahmenbe dingungen der paulinischen Missionstätigkeit ein. Er thematisiert da bei u.a. die pax romana als politische Voraussetzung und das Koine-Grie chisch als lingua franca sowie die Möglichkeiten des Reisens in der Antike. Über das Selbstbild des Paulus und die Struktur seiner Gemeinden kommt Schnelle zur Darstellung des frühen Christentums als eigenständiger religiöser Bewegung (162ff.). Ab Kapitel 8 beginnt Schnelle die eigentliche Besprechung der einzelnen Protopaulinen. In den Abschnitten »Paulus und die Thessalonicher: Trost und Zuversicht«, »Der lKorintherbrief: Hohe und wahre Weisheit«, »Der 2Korintherbrief: Frieden und Krieg«, »Paulus und die Galater: Er kenntnis im Konflikt«, »Paulus und die Gemeinde in Rom: Begegnung auf hohem Niveau« und »Paulus in Rom: Der alte Mann und sein Werk« (zum Philemon- und Philipperbrief) entwirft er ein komplexes Bild jeder einzelnen Schrift im Kontext ihrer jeweiligen Entstehungsbedingungen. Der Durchgang durch die einzelnen Briefe bringt eine Fülle von Einzelergebnissen, führt aber auch zu immer wiederkehrenden Grundgedanken bezüglich der paulinischen Literatur: • Liest man die Briefe zunächst unabhängig voneinander, ohne das Meta-Konzept einer paulinischen Theologie in sie einzutragen, ergibt sich neben Gemeinsamkeiten eine Reihe von Widersprüchen und Wandlungen - »durch Textvergleiche nachweisbare Veränderungen« (20) im paulinischen Denken. So verwundert es nicht, dass Schnelle bereits im Prolog betont, dass auch der Römerbrief »in eine komplexe theologische und politische Situation eingebunden ist und nicht die paulinische Theologie« schlechthin verkörpert, womit er sich klar von anderen Exegeten absetzt' und seine eigene Position deutlich in das Lehrbuch einbringt. • Die paulinischen Briefe sind nicht nur zunächst unabhängig voneinander zu lesen, sie sind auch in der vorliegenden Form im Großen und Ganzen einheitlich. Insbesondere im Kapitel zum 2. Korintherbrief (Abschnitt 10.2) diskutiert Schnelle die Plausibilität und die hermeneutischen Prämissen verschiedener Teilungshypothesen und gelangt schließlich zur Annahme der Einheitlichkeit sämtlicher Paulusbriefe. • Weiterhin stellt Schnelle fest, dass mit der Rechtfertigungslehre nicht das Zentrum paulinischer Theologie überhaupt beschrieben ist. »Natürlich dachte Paulus schon vor der Abfassung des Galater- und Römerbriefes über die Bedeutung des Gesetzes/ der Tora für Heiden- und Judenchristen nach. [... ] Die Rechtfertigungs- und Gesetzesthematik war Paulus vorgegeben, nicht aber die Rechtfertigungs- und Gesetzeslehre des Galater- und Römerbriefes! « (91/ 92) Auch lKor 15,56 könne nicht als »Darlegung der Rechtfertigungslehre« (247) verstanden werden. • Nicht die Rechtfertigungslehre, vielmehr die »endzeitliche Gegenwart des Heils Gottes in Jesus Christus« (437) ist nach Schnelle das Zentrum paulinischer Theologie. Grundlegende Bedingung dafür ist aber »Gott als das unhinterfragte Axiom« (441 ), gerade auch im Angesicht einer Reihe von Aporien der menschlichen Existenz, die sich auch in den Paulinen niederschlagen. • Die große Anschlussfähigkeit der 67 paulinischen Schriften, die sich in einer Integr ation und einer Transformation »jüdische(r), h ell enistisch-jüdische(r) u nd griechisch-römische(r) Vorstellun gen« (173 ) zeigte, war ein entscheidender Faktor ei der Herausbildung des Frühen C : -istentums als eigenständiger Bew egung. Damit verbunden ist bei Paulus ein attraktives Identitätskonzep : : » peziell Paulus entwickelte und p raktizierte ein neues univers ales Identität skonzept: das Sein in Ch ristus jenseits überkommener religiöser Privi: egie n .« (175) Der kons equente Ans atz bei den ein zelnen Schriften des Prnlus die nt als Vorausset zung fü r eine im zweiten Hauptteil folgende Gesamtinterpretation. Schnelle versucht rnch in diesem Teil nich t, die Einzelergebnisse aus dem erste n Absch nitt in einem harmonisierten theolo gischen System zu präsentieren, sonder verwe is t vielmehr an dieser Ste lle auf Widersprüch e, die der Ap ostel selbst offen lässt. ' Tro t zdem bietet der Au tor in den fo lgenden Kapit ein einen Üb erblick zu r T heologie, C l--_ ristologi e, Soteriologie, Pneumatolo&i e, Ant hropologie, Et hik, Ekklesio: ogie und Eschatolo gie der pa ·.1 linischen Briefe. In den zweiten Hauptteil führt ein Kapitel »Heilsgegenwart als Zentrum paulinischer Theologie« ein. Hi er werden bereits Grundlin: en d e, paulinischen Denken s aufgezeigt, die Schnelle dann im F olgenden in Einzelaspekten näher erörtert: »Basis und Zentrum des pauli: : iischen D en kens ist die endzeitliche Gegenu; art d es H eils Gottes in Jesu s C hr istus [... ] Paulus entwarf ein endzeitliche s Szenario, desse n Grundlag e Gottes H eilswille, dessen Eckpunkt e Auferstehu ng und Parusie Jesu Chris t i, dessen bestimmende Kraft der Heilige Geist, dessen gegenwärtiges Ziel die Teilhabe d er Glaubenden arr. neuen Sein und dessen Endpunkt die Verwandlung in eine pneumatische Existenz bei Gott wa r. « '. 437) Im fol genden 15. Kap: tel » Th eologie: Gott handelt« wird k la: -: »Gott ist das unhinterfr agbare und zugleich alles bestim me nde f.xiom p aulinischer Theologie, ihr wel: ansch aulicher Ausgangspunkt. -·<(44 1). Dieser Got t ist »Sch öpfer und Vo Lender« (15.1 ), »Vater Jesu Christi« (15.2) sowie »Erwählen der, Beru fende : - und Verwer fender" (15.3 ). C: , ris toiogie und Soteriologie haben ih: -en P latz in der Red e von Tod und Auferstehun g Jes u Christi: »Die Re de vom Kreu z ist ein Spezifik um pau li nisch er Th eologie .« (491) Ai.: ch das Reden über die Auferstehung Jesu Chris ti wird letztlic h 68 zu einer Rede über Gott selbst: -,Das eigentliche Subjekt der Auferstehung ist G ott, d. h. die Red e von der Auferstehung J esu Christi ist zuallererst eine Aussage über Gott selbst.« (479). Auch die folg enden Abschnitte lassen sich in diesen Gedankengang integrieren: Gott hat an Jesus Christus geha ndelt (Ch ristologie, Kapitel 16), die Glrnbenden haben durch die Taufe ber eits in der Gegenwart an diesem Heilshandeln teil (Soteriologie, Kapitel 17), in d er Auferstehung hat der Geist Gott es wiederum seine Wirkung entfaltet (Pneumatologie, Kapitel 18) und auch der Mensch, der von sich aus nicht existieren kann, ist in diesen großen Zusammenhang eingebettet (Anthropologie, Kapitel 19). Dadurch dass alle Getauften bereits am neuen Sein partizipieren, eröffnen sich neue »Hc.ndlungsmöglichkeiten und H andlungsaufforderungen« (Ethik, Kapitel 20). »Die Teilhabe am gemeinsamen Heil ka nn es fü : r Paulus nur in der Gemeinsch,ift der Glaubenden geben.« (645) - Der Erläuterung dieses Kernsatz es widmet sich Schnelle im ~{apitel 21 »Ekklesiologie: Eine anspruchsvolle und attraktive Gemeinsc l--. aft«, bevor der zweite Hauptteil du : ch das Kapitel 22 »Eschatologie: Er w artung un d Erinnerung« abgeschlossen wird. Gerade bei der. Fragen nach dem (persönlichen) Ende wird das Modell der Teilhabe, und zwar der »Teilhabe am Auferstanden« (6 68) besonders wichtig: »So wie G ott ihn von den Toten auferweckte, verbleiben die verstor benen Ge: neindeglieder ebenfalls nicht im Tod, sondern gehen wie die Lebenden der imm fr währenden Gemeinschaft mit Jesus entgegen.« (668). Insbesondere mit Blick auf die E schatologie so Schnelle wird die Stärke der paulinischen Th eologie deutlich: »Indem Paulus die J esus -Christus-Geschichte als Modell für Gottes todesüberwind e: : i de Liebe und Schöpfermacht darstellt, eröffnet er Menschen aus. allen Völkern und Schichten die Möglichkeit, jenseits überkommener Vorstellungen der Kontinuität der göttlichen Lie be zu trauen.« (690) N ach dem Prolog, der wesentliche hermeneutische Grundfragen erörterte, dem ersten Hauptteil, der die paulin ischen Briefe selbst zur Sprache br achte und dem zweiten Hauptteil, der Grundzüge des paulinischen D enkens erarbeitete, schließt das Bu ch mit einem Epilog »Das prnlinisch e Denken als bleibende Sinnbildung«. Dieser endet folgerichtig aus dem zweiten Hauptteil mit dem Abschnitt »Gott als sinnvolle Letztbegründung «. Damit schlägt Schnelle den weiten Bogen über geschichtstheoretische Reflexionen und exegetische Betra-: htungen bis hin zu Fragen der Gegenwartsbedeutung der paulinischen Korrespondenz. Udo Schnelle hat mit seinem Paulus- Buch wenigstens drei Bücher in einem verfasst: »Paulus. Leben und Denken« is: ein methodisch durchdachtes und inhaltlich umfangreiches Lehrbuch zur Biographie und zur Theologie des Apostels und hat seinen Platz als solches auf jeden Fall als Begleitlektüre entsprechender Vorlesungen und Seminare. Es sei allerdings an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass v.a. die Verwendung einer Reihe griechischer Begriffe die Lektüre ohne entsprechende Sprachkenntnisse erschwert. Das Buch ist zweitens genauso auch ein Kompendium ur: d Nachschlagewerk zum Thema Paulus, sei es in Vorbereitung auf Prüfun&en oder bei der Bearbeitung einzelr.er Spezialfragen. Drittens stellt Schnelles Paulus-Bucheineneigenständigen exegetischen und theologischen Entwurf vor und eignet sich somit auch zum Einblick in eine Position neuester Paulusforschung. Durch die dreifache Zielsetzung des Buches erg~ben sich teilweise Wiederholungen und Doppelungen (die jedoch für ein Nachschlagewerk unumgänglich erscheinen) und an manchen Stelle: 1 wurde die eigene Forschungsposition stärker als in einem reinen Lehrbuch eingebracht (z.B. Zentrum der paulinischen Theologie, Einheitlich: ~eit des 2Kor). Dennoch wird das Werk in den allermeisten Fällen den ,; erschiedenen Ansprüchen sehr gut gerecht. Schnelle legt mit der Gesamtdarstellung des pulinischen Lebens und Denkens ein beeindruckendes Werk vor, das au f über 700 Seiten in anregendem Sprachstil ein differenziertes Bild des Apostels und seiner Briefe in ihrem geschichtlichen Kontext und ihrer bleibenden theologischen Bedeutung entv.·irft. Michael Schneider Anmerkungen 1 Vgl. z.B.J.D .G. Dunn, The Theology of P aul the Apostle, Grand Rapids / Cambridge 1998. 2 Vgl. Abschnitt »Unausweichliche Aporien '< , 438f. ZNT 14 (7. Jg. 2004)