eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 8/16

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
121
2005
816 Dronsch Strecker Vogel

Herodes: Kindermörder. Hintergründe einer Rollenbesetzung

121
2005
Manuel Vogel
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Kontroverse Kontroverse : Manuel Vogel ' 1 Herodes: Kindermörder. Hint,ergründe einer Rollenbesetzung He rodes i st im euen Te st am e nt eine Ra n dfigur des Bösen, gleichw ohl promin ent durch das Ausmaß seiner Bosh eit. Sofe rn das Neue Testament Hero d es als Rand fi gur auftret en lässt, ihm nur eine Nebenrolle am Anfang der Jesusgeschichte zuweist, wird es der tatsächlich en Bedeutung dieses Herrsche rs nicht gerecht. König Herode s d. Gr. (37-4 v.Ch r.) hat fü r die D auer von fast vier Jahrzehnten w i e kein Zw eit er die Geschicke Palästinas bestimmt. Was jedoch sein e Bosheit b etrifft, so ist der w eltberühmte Kindermord von Bethlehem eine durch aus angemessen e erzählerische Veranschaulichung dessen, wo zu er fähig war. Besser Herodes' Schwein als sein Sohn? Die Gra u samkeit des Herodes gegenübe r allen, d ie seiner Macht stellu ng ge : : ä h rli ch wurd en ob tatsächlich oder vermeintlic h, vermochte H erodes mit zune h mende m Alter b .u m mehr zu unterscheiden war sc hon in d er Antike sprichwörtchischen Vorlage lebt sie vom Wortspiel mit hys (Schwein) und hyios (Sohn). Erkennbar sind bei Macrobius zwei Traditionen miteinander verbunde n: Das Wortspiel des Augustus, das auf die Gr ausamkeit des Herodes gegenüber seinen Söhnen abhebt und der bethlehemitische Kindermord. Diese Kontamination war nur möglich um de Preis eines gravierenden sachlichen Fehlers: Di e drei Herodessöhne, die der Despotie ihres Vaters zum Opfer gefallen sind, starben sämtlich im Erwachsenenalter. Lassen wir also den bethlehemitischen Kindermord für einen Moment außer acht und beschäftigen uns mit dem Ausspruch des Pri ceps selbst: »Es ist besser, Herodes' Schwein zu sein als sein Sohn«. Zunächst einmal kommen hier zwei historische Details zum Tragen: Herodes stand in persönlichem Kontakt mit Augustus, und er galt diesem als Jude. Dass ein Schwein am herodianischen Hof sicherer lebte als die Herodessöhne, setzt die jüd ische Enthaltung von Schweinefleisch voraus. Herodes ließ aus diesem Grund keine Schweine schlachten, wohl aber ließ er lich. Kein Geringer er als Kai ser August u s soll angesich: s d es Mordens, das Herode s sogar innerhalb seiner eigenen Familie veranstaltete , gesagt haben, es sei besser, ein Schwein de, Herode s zu sein als sein Sohn. Ü b erliefert: ist »Die Grausamk eit des Herodes gegenüber allen, die seiner Machtstellung gefährlich wurden[. .. ] war schon in der Antike sprichwörtlich.« seine eigenen Söhne umbringen. In einem zweiten Schritt können wir dem Bonmot des Augustus entnehmen, dass die Grausamkeit der herodianischen Gewaltherrschaft sogar in Rom von sich reden dieser A u s~ p ruch in den Saturnalien d.es Macrobiu s. Das um 400 n.Chr. publizierte Werk ent h ält im zw eiten Buch, woh l unter Ve rw e ndu n g alter aug usteischer Quellen , eine Sammlung witziger Aussprüche des Augustus, darunter auch den fo lge r: den: »Als er [s ,: i l. Augustus] h ön e, dass unter den Knaben unter zwei Jahren, die Hero: ie s, Kön ig der Juden, in Syrien zu töten befo hlen ha tt e, auch dessen eigener Sohn zu Tode gekommen wa r, rief er: Es ist besser, Herodes' Schwein zu sein als sein So hn« (2,4, 11). Bereits im lateini schen Tex t bü ß t d ie Bem erkung des Augustus ihr en Witz te ilw eise ein. In d er grie- 42 machte. Auch das scheint nicht übertrieben. Was wir darüber wissen, geht üb er das Normalmaß dessen, was antike Quellen so n st von den Gewalttaten vorderorientalischer Herrscher berichten, deutlich hinaus. Doch der Reihe nach. Nikolaos von Damaskus: Ein Hofchronist packt aus N ach Jahren des Machtkampfes um den J erusalemer Thron, aus dem Herodes siegreich hervorgegan gen war, konnte er sich als judäischer König ZNT 16 (8 . Jg. 2005) Manuel Vogel PD Dr. Manuel Vogel, geb. 1964, seit 2004 Privatdozent für Neues Testament und Hellenistisches Judentum an der Westfälischen Wilhelms- Universität Münster. Promotion 1994 in Heidelberg über »Bundestheologie im Frühjudentum und im frühen Christenrum«. Von 1996 bis 2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Josephus-Projekt des lnstitutum Judaicurn Delitzschianum in Münster. 2003 Habilitation über »2. Korinther 5,1-10 auf dem Hintergrund antiker ars moriendi«. Weitere Veröffentlichungen im Neuen Testament, zum antiken Judentum und zu Flavius Josephus. von Roms Gnaden ab 37 v.Chr. weitgehend ungestört der Entfaltung monarchischer Pracht widmen. Dazu gehörte neben einer bemerkenswerten Bautätigkeit auch die Ausstattung seines Hofstaates mit Rhetoren, Literaten und Philosophen von Rang. Deren wichtigster war Nikolaos von Damaskus, peripatetischer Philosoph, vormals bei Antonius und Kleopatra in Diensten. Irgendwann nach deren Tod 30 v.Chr. holte ihn Herodes nach Jerusalem und machte ihn zu seinem Chefdiplomaten und Hofgeschichtsschreiber. Nikolaos' opus magnum, eine Weltgeschichte in 144 Büchern, war ein Auftragswerk. Herodes wollte sich damit zweifellos ein literarisches Denkmal setzen: Die Geschichte der Welt von den Anfängen bis zum Tode Herodes' des Großen! Doch wie schonungslos hat Nikolaos die letzten Jahre, Wochen und Tage des Judäerkönigs beschrieben, wie glanzlos und abstoßend ist das, was wir da zu lesen bekommen. Fast scheint es, als habe sich der feinsinnige und gebildete Nikolaos mit Federkiel und Papyrus nachträglich rächen wollen für Jahre der Unfreiheit am Hof eines machtversessenen ZNT 16 (8 . Jg. 2005) Manuel Vogel Herodes: Kindermörder und gewalttätigen Tyrannen. Anders ist es kaum zu erklären, dass Nikolaos seinem Brotherrn postum das für einen antiken Menschen Schlimmste angetan hat, nämlich ihn in der literarischen Nacherzählung eines würdelosen und erbärmlichen Todes sterben zu lassen. Kurze Rückblende: Der Aufstieg eines ldumäers zum römischen Klientelkönig Damit wir wissen, mit wem wir es zu tun haben, seien in aller Kürze die wichtigsten Stationen im Leben des Herodes rekapituliert. Wir halten uns dabei an den jüdischen Geschichtsschreiber Flavius Josephus (36/ 37 bis ca. 100 n.Chr.), der in seinem Bel/ um Judaicum und den Antiquitates Judaicae ausgiebig aus Nikolaos' Werken geschöpft hat. Herodes' Familie betrat die Bühne der Geschichte nach dem Tode der Hasmonäerin Salome Alexandra 67 v.Chr., als zwischen ihren Söhnen Aristobul und Hyrkan II. ein Bruderzwist um die Macht im Staate entstand. Der Idumäer Antipater, Herodes' Vater, setzte als Berater Hyrkans von Anfang an auf eine konsequente Bindung an Rom und wusste diese auch in den unruhigen Zeiten innerrömischer Machtkämpfe stets zu seinem Vorteil durchzuhalten. 47 v.Chr. ernannte Julius Cäsar den politisch schwachen Hyrkan zum Ethnarchen und Antipater zum Prokurator von Judäa. Sein Sohn Herodes, damals 26 Jahre alt, wurde Prokurator von Galiläa. Der innerhasmonäische Machtkampf zog sich indes noch weitere zehn Jahre hin. Aristobuls Sohn Antigonos hätte es sogar um ein Haar geschafft, die Herodianer, die sich von Parteigängern H yrkans mehr und mehr zu einer eigenen Hausmacht entwickelten, doch noch aus dem Felde zu schlagen: Mit Hilfe der Parther, die 40 v.Chr. über Syrien bis Judäa vorgedrungen waren, erlangte Antigonos die Königswürde zurück und zwang Herodes und seine Familie zur Flucht. Über Alexandria schlug Herodes sich nach Rom durch, um bei Antonius und Octavian um Hilfe nachzusuchen. Tatsächlich hatte er, der loyale Verbündete Roms in zweiter Generation Erfolg: Der römische Senat machte Herodes, da man einen treuen Gefolgsmann im parthisch besetzten Syrien gut brauchen konnte, zum König von Judäa. Zunächst war er allerdings ein König ohne Thron. Der Kampf um Judäa und 43 Kontroverse Jerusalem hielt i hn noch volle drei Jah re bis 37 v.Chr. in A t em. Erst als d ie Römer in der Region wieder Fuß gefasst und die P a rther zu r ückgedrängt hatten, gelang Herodes die Erobenmg Galiläas, Judäas un d schließlich Jerusalems . Bei der jüdische r_ Bevölkerung war er als Usurp a tor des hasmonäischen Throns vo: : i Anfang an nicht sonderlich beliebt. Seine id um äische Herku nft wurde ihm von jüdischer Seit e wi,ede rh olt negativ ausgelegt. Die Idumäe r wa r en zwar seit den Tagen des Hasmon äers Johannes Hy rkan (134- 104 v.Chr.) jüdischen Glaubens , doch galten sie offen bar noch lange als Jud en zweiter Klasse. Josephus gebraucht einmal das abschiit zige Stereotyp »Halbjude« . Um dem entgegen zu w irken, 1 at sich Herodes von N ikolaos einen lupenreinen jüdi schen St ammbaum bis zurü ck ins bab ylonische Exil fingieren lassen. Gegl rnbt h; ; .t i hm das keiner. So war seine He rrschaft von Anfang an belastet durch eine mehr oder W{: : : 1ig er a blehn ende Hal tun g sein er jüdischen Unte r tanen. Hero de s rea gierte darauf mit Mi sstr au en und einem mit den Jahren immer ausgeprägteren und schließlich wahnhaften Sicherheitsbedürfnis. Ein Keller voller Leichen: Herodes' politische Morde Die Beseitig ung von Rivalen u n d anderen miss liebigen Pe r son en gehör : zum Stand a rdrep er toire ant i ker Th ro nfo lgegeschichten. Kein Geringerer als Sal omo hat viel Blut vergossen, bis er sich auf dem Thron sein es Vaters David hinreichend sicher füh lte, und dennoch ist er als Inbegriff des weisen Königs in die Geschichte eingegangen. Was H e rodes betrifft, so sind es denn auch nich t die p o litischen Morde der A nfangszeit, die es u ns sch we r mac hen, ihm die Eigenschaft des weisen Herr schers zuzuer · ennen, sondern die hässlichen Szenen eines aus d em Ruder gelaufen en M achtkam? fes am Jeru salemer Hof während der letzten Jahre seiner H err schaft. Herodes war in diesem höfischen Intrige nspiel das muss man i hm zuge teh en je länger desto mehr nic ht meh r nu r Täter, sondern Tä.ter und Opfer zugleich. D er junge Herodes tritt bei J osephus no ch mit ei nem An flu g so uveräne r Nachsicht auf : Zwar ha t er 37 v.Chr. mit zahlreich en Mitgliedern des J erusalemer Synhedrions kurzen 44 P ro zess gemacht, weil sie ihn zehn Jahre zuvor w egen gewisser Eigenmächtigkeiten als Prokurator von Galiläa hatten vor Gericht stellen wollen, doch ließ er ausgerechnet dasjenige Ratmitglied am Leben, das als einziges den Mut gehabt hatte, ihn öffentlich zur Rede zu stellen. Diese Souveränit ät hat Herodes jedoch binnen weniger Jahre ve rlo ren. Weil er seinen Untertanen ständig mi s straute, installierte er in Jerusalem eine Geheimpolizei, die eine Atmosphäre des Schreckens in der Heiligen Stadt verbreitete. Wer denunziert wurde, wurde verhaftet und verschwand für immer. Herodes soll sich gar selbst verkleidet unter die Leute gemischt haben, um zu hören, wie das Volk über ihn redete. Aber auch innerhalb seiner eigenen vi er 'Wände traute er bald kaum jemandem meh r über den Weg und wurde doch von de n wenigen, auf die er meint e, sich verlassen zu kö n nen, am übelsten betrogen. Familienelend Di e Herodesdynastie kann sich nach außen hin sehen lassen: Die vorhandenen Quellen erwähnen v.a. 15 Kinder des Herodes aus zehn Ehen, 20 Enkel, 13 Urenkel, acht Ur-Urenkel und zwei Ur-Ur-Urenkel, insgesamt nicht weniger als 144 Pe r sonen aus vier Jahrhunderten. Die politische Gl anzzeit dieser Dynastie war je doch zugleich eine Zeit namenlosen familiären Elends . Am Anfang stand Herodes' grandiose familienpolitische Fe hle ntscheidung, in das hasmonäische Herrscherhaus einzuheiraten. Als er sich im Alter von 31 Jahren mit der Hasmonäerprinzessin Mariamm e verlobte, mag er sich davon eine Entspannung de s Verhältnisses zu Mariammes Großvater Hyrk an versprochen haben, in dessen Diensten er st and, vor allem aber einen Prestigegewinn bei der jüdischen Bevölkerung. Tatsächlich vermerkt Jo sephus, dass ihm die Einheirat in jene alte jüdische Aristokratenfamilie kurzfristig einen erheblic he n Zuwachs an Beliebtheit bescherte. Langfri st ig war mit der Eheschließung mit Mariamme je do ch der Keim dauerhaften Unfriedens gesät. Zu tief saß der gekränkte Stolz der Hasmonäer, al s dass sich mit der Eheschließung 37 v.Chr. sämtliche Feindseligkeiten in Wohlgefallen aufgelö st hätten. Herodianer und Hasmonäer agitierten und i nt rigierten am J erusalemer Hof gegen ZNT 16 (8. Jg. 2005) einander, bis schließlich keiner mehr dem anderen traute. Am allerwenigsten vertraute Herodes selbst seinem engsten Familienkreis. Mariammes Bruder Aristobul, der als lupenreiner Hasmonäer für Herodes eine ständige Bedrohung darstellte, kam 35 v.Chr. unter mysteriösen Umständen ums Leben; 31 v.Chr. ließ Herodes aus nämlichem Grund den greisen Hyrkan umbringen, als hätte ihm der alte Mann noch gefährlich werden können. Mariamme überantwortete Herodes 29 v.Chr. dem Henker, ihre Mutter Alexandra im Jahr darauf. Der alte Hass gegen den Usurpator schwelte weiter: Die beiden Söhne aus der Ehe mit Mariamme überwarfen sich mit ihrem Vater. Im Jahr 14 v.Chr. machte er ihnen den Prozess wegen Hochverrats und verurteilte sie zum Tod durch Erdrosseln. Im selber Jahr rehabilitierte er seinen Sohn Antipater, der aus Herodes' erster Ehe übrigens einer von insgesamt zehn stammte, und den er bei seiner Eheschließung mit Mariamme zusammen mit dessen Mutter aus seinem Umfeld verbannt hatte. Doch auch von seinem Erstgeborenen sah sich Herodes schließlich getäuscht. Noch auf seinem Sterbebett gab er den Hinrichtungsbefehl. Das hässliche Finale im Hippodrom von Jericho Wie schon erwähnt hat Nikolaos das Lebensbild des Herodes zum Ende hin mit immer dunkleren Farben gemalt. Josephus ist ihm darin gefolgt, und zwar nicht erst in seinen Antiquitates Judaicae, wo ihm Herodes als eine Art Lehrbuchbeispiel für das Unglück dient, das jeden Übertreter von Gottes Gesetz ereilt, sondern auch schon im Bellum]udaicum, wo er Herodes in den Jahren nach dem jüdischen Krieg (66-70 n.Chr.) ein wichtiges apologetischen Anliegen eigentlich als Kronzeugen eines historisch gewachsenen jü disch-römischen Einvernehmens präsentiert. Des ungeachtet werfen die letzten Lebenstage des Herodes ein schlechtes Licht auf den römischen Klientelkönig: Als in Jerusalem das Gerücht umgeht, Herodes liege im Sterben, machen sich die Schüler zweier angesehener Gesetzeslehrer daran, mit Hammer und Meißel ein Adlerrelief von der Außenmauer des Tempels zu entfernen, das Herodes dort hatte anbringen lassen. Diesen Akt ZNT 16 (8. Jg. 2005) M a nuel Vogel Herodes: Kindermörder wertete Herodes als unmittelbaren Angriff auf seine Königswürde der Adler war, wie Münzfunde zeigen, Herodes' Wappentier - und ließ die Gelehrtenschüler ohne Umschweife hinrichten. Unmittelbar darauf wird er von derart heftigen Schmerzen geplagt, dass er sich mit einem Obstmesser das Leben nehmen will. Der Selbstmordversuch (hier in einer hochmittelalterlichen Darstellung zu sehen man beachte die Teufel im Hintergrund! ), misslingt. Rasende Schmerzen steigern die Mordlust des Königs. Er befiehlt, sämtliche judäische Würdenträger im Hippodrom von Jericho einzusperren und sie umzubringen, Benedikterstift Lambach. Fresko im ehemaligen Westchor, 11. Jh., Selbstmordversuch des Herodes sobald er den letzten Atemzug getan habe: als Rache dafür, sagt der sterbende König, dass sich ganz Judäa auf seinen Tod freue. Herodes stirbt Ende März des Jahres 4 v.Chr. siebzigjährig in seinem Winterpalast in Jericho. Der Mordbefehl an den im Hippodrom Festgehaltenen bleibt unausgeführt. 45 Kontroverse Herodes' Testament: Eine Verlegenheitslösung Nicht wen ig er als sieben mal hat Herodes sein Testament geändert. N achde m er bei drei des ignierten Thronfolgern bei den Mariammesöhnen Alexander und Aristobul, sowie bei Antipater, dem Sohn der Doris eigenhändig die Todesurteile unter schrieben hatt e, war Archelaos, Sohn seiner Frau Malthake, bu c~1.stäblich die vierte Wahl. Archelaos stand seinem Vater an Grausamkeit um nichts nach, doch fehlte ihm der politische Instinkt, den Herodes fraglos besessen hatte: Archelaos' erster öffentlicher Auftritt in J erusalem mündete in einen Tumult, an dessen Ende 3000 Tote zu beklagen waren. Schon Jahre zuvor hatte sich Herodes von dem Gedanken verabschiedet, sei: i Reich könnte ungeteilt an ein einziges seiner Kinder fallen. Zu offenkundig waren Neid und Rivalität am Ho f. Durch eine Dreiteilung seines Reiches hoffte Herodes, den Machtansprüchen seiner Kinder un d c.eren Mütter am besten nachkommen zu können. Die Letztfassung seines Te staments sah Archelaos als König von Judäa vor, Philipp, den Sohn der Kleopatra (Ehefrau Nr. 6) als Tetrarchen in de r Gaulanitis (Go lan) und Herodes Antipas, den jüngeren Sohn der Malthake, als Tetrarchen von Galiläa und Peräa. Augustus bestätigte Herodes' Testament, ernannte Archelaos jedoch nicht zum König, sondern nur zum Ethnarchen. Die glanzvollen Jahre der guten judäis: : h-römischen Beziehungen waren damit gezählt. In Rom wartete man nur darauf, dass Archelaos sich etwas zuschulden kommen lassen würde. Als im zehnten Jahr seiner Herrschaft eine judäische Delegation in Rom vorstellig wurde, um sich üb er die fortgese t zte Grausamkeit des Ethnarchen zu be schweren, wurde Archelaos nach Rom zitiert. Augustus machte ihm den Prozess und verbannte ihn nc..c h Vienna in Gallien. 6 n.Chr. wurde Judäa der rö mischen Provinzialverwaltung unterstell t. Aus diesem Anlass (und nicht schon 4 v.C h r. w ie Lk 2,1-4 voraussetzt) führte der syrische Sta: thalter Sulpicius Quiriniu s einen Zensus durch, um für die fo rtan an Rom zu entrichtenden Steuern eine Bem essungsgrundlage zu schaffen. Es folgten Jahrzehnte unter direkter römische O berhoheit, in denen die Unzufriedenheit der judäischen Be völkerung über hohe Steuerlasten und ko r: : upte römische Provinzialbeamte von 46 Jahr zu Jahr wuchs und sich schließlich im ersten jüdischen Krieg der Jahre 66-70 n.Chr. entlud. Hätte Herodes bei der Regelung seiner Nachfolge eine glücklichere Hand gehabt und beizeiten ein Ft: . dament für die Fortdauer seines Klientelkönigtums gelegt, hätte sich das palästinische Judentu: n des 1. und 2. Jhs. vielleicht nicht zu kriegerischen Konfrontationen mit Rom hinreißen lassen. Kindermörder? Als die Schriften des Josephus im Jahr 1544 bei Arn old Arlenius in Basel erstmals im Druck erschienen und den Herodes des Bellum Judaicum und der Antiquitates rasch in den europäischen Ge lehrtenstuben bekannt machten, hatte die Herodes-Figur bereits eine Wirkungsgeschichte von anderthalb Jahrtausenden als Kindermörder von Bethlehem hinter sich. Die christliche Ikonographie seit der Spätantike ist voll von Darstellun- Weiterführende Literatur zur Kontroverse: A. Schalit. König Herodes. Der Mann und sein Werk, 2. Aufl. mit einem Vorwort von D.R. Schwanz, Berl in/ New York 2001 D . W. Roller, The Building Program of Herod the Great, Berkeley/ Los Angeles/ London 1998 N. Kokkinos, The Herodian Dynasty. Origins, Role in Society and Eclipse, Sheffield 1998 P. Richardson, Herod: King of the J ews and Friend of the Romans, Edinburgh 1999 A. Lichtenberger, Die Baupolitik Herodes des Großen (Abhandlungen des deutschen Palästina-Vereins 26), Wiesbaden 1999 E . N etzer, Die Paläste der Hasmonäer und Herodes' des Großen (Zaberns Bildbände zur Archäologie), Mainz 1999 S. Japp, Die Baupolitik Herodes' des Großen. D ie Bedeutung der Architektur für die Herrschaftslegitimation eines römischen Klientelkö nigs (Internationale Archäologie 64), Rahden/ Westf. 2000 M. Vogel, Herodes. König der Juden, Freund der Römer (Biblische Gestalten 2), Leipzig 2002 ZNT 16 (8. Jg. 2005) gen des bethlehemitischen Kindermordes und in den mittelalterlichen liturgischen Dramen und Mysterienspielen tritt Herodes regelmäßig in der Rolle des Kindermörders auf. In der Malerei erfreute sich das Sujet »Kindermord von Bethlehem« bis ins 17. Jh. hinein großer Beliebtheit. Die Theaterdichtung seit der Renaissance hat den neutestamentlichen um den josephischen Herodes ergänzt und bereichert. Im Jahr 1552 veröffentlichte Hans Sachs seine Tragedia mit 15 Personen zu agirn, der Wütrich König Herodes, wie der sein drey Sön und sein Gmahel umbbracht, unnd hat 5 actus. Weitere 37 Herodes-Dramen sind bekannt, darunter Friedrich Hebbels Herodes und Mariamne [sie! ], im Jahr 1849 im Wiener Burgtheater uraufgeführt. Hebbel lässt in der letzten Szene die heiligen drei Könige auftreten und verbindet damit (wie vor ihm schon M a nuel Voge l Herod es: Kindermörd er ist ihm ein bildwütiges Massaker an unschuldigen Kindern durchaus zuzutrauen. Allerdings verwundert es, dass weder J osephus etwas von diesem spektakulären Vorfall weiß, wo er doch in den Antiquitates keine Gelegenheit auslässt, Herodes als Gesetzesübertreter par excellence darzustellen, noch der Evangelist Lukas, der die Geschichte J esu und der frühen Christen ansonsten gern mit der Herodesdynastie in Verbindung bringt. Deshalb liegt der Schluss nahe, dass Matthäus für die Kindermordgeschichte literarische Beweggründe hat, dass er nämlich den aus jüdischen wie paganen Texten geläufigen Topos von der Gefährdung des messianischen Knaben in seinem Kindheitsevangelium unterbringen will bzw. ihn dort vorfindet. Von der Beschuldigung des bethlehemitischen Kindermords ist Herodes des- Macrobius) den josephischen mit dem matthäischen Stoff. » Von der Beschuldigung des bethlehemitischen halb freizusprechen, gewissermaßen aus Mangel an Beweisen. Dem Evangelisten Matthäus können wir jedoch bescheinigen, dass er die Rolle des Verfolgers des Messiaskindes mit keinem anderen besser hätte besetzen können Wie steht aber es um den Kindermord von Bethlehem, wenn wir ihn nicht als Motivspender für die bildende und darstellende Kunst betrach- Kindermords ist Herodes deshalb freizusprechen, gewissermaßen aus Mangel an Beweisen.« ten, sondern als möglicherals mit Herodes. Dieser hat weise historisches Ereignis? Zunächst einmal passt, was Matthäus im 2. Kapitel seines Evangeliums erzählt, recht gut in das josephische Bild des späten Herodes, der jede Infragestellung seines Herrschaftsanspruchs umso unnachsichtiger und grausamer verfolgte, je älter er wurde. Von daher den Beinamen »der Große« angesichts seiner Bedeutung für die Geschichte des syrisch-palästinischen Raumes in der zweiten Hälfte des 1. Jhs v.Chr. fraglos verdient, ein weiser Herrscher war er jedoch nicht. Oda Wischmeyer Hermeneutik des Neuen Testaments Ein Lehrbuch Neutestamentliche Entwürfe zur Theologie 8, 2004, XII, 231 Seiten, € 34,90/ SFr 60,40 ISBN 3-7720-8054-5 Die hier vorgelegte Hermeneutik des Neuen Testaments versteht sich als Text-Hermeneutik. Diese geht programmatisch davon aus, daß die Exegese, d.h. die methodengeleitete Interpretation der neutestamentlichen Texte, das sachgemäße Instrument des Text-Verstehens sei. Die neutestamentliche Hermeneutik wird als Interpretationsaufgabe der neutestamentlichen Wissenschaft verstanden. Narr Francke Attempto Verlag ZNT 16 (8. Jg. 2005) 47