ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
61
2006
917
Dronsch Strecker VogelGewalt und Gewalterfahrung im Neuen Testament
61
2006
Martin Leutzsch
znt9170002
Martin Leutzsch Gewalt und Gewalterfahrung im Neuen Testament. Ein vergessenes Thema der neutestamentlichen Wissenschaft? Kein Thema? Wer die neue Debatte um den Zusammenhang von Monotheismus und Gewalt verfolgt, stellt fest, dass sich seitens der christlichen Theologie das Fach Altes Testament an dieser Debatte beteiligt, nicht aber die neutestamentliche Wissenschaft.1 Ist da kein Diskussionsbedarf? Ist Gewalt, von der im Neuen Testament ja durchaus und in vielerlei Hinsicht die Rede ist, für die Fachwissenschaft kein Thema? Es schiene verlockend, dem zuzustimmen. Der Gott des Alten Testaments der Gott des Neuen Testaments; der Gott der Rache der Gott der Liebe; Gewalt hier und Gewaltlosigkeit da; hier Nationalgott und ethnozentrischer Egoismus und da universaler Gott und universalistischer Altruismus diese längst populär gewordenen Gegenüberstellungen haben die Wahrnehmung etlicher Generationen vor allem liberaler protestantischer Exegeten auf die Bibel geprägt. 2 In einem evolutionistischen Verständnis wurde das Alte Testa- Doch, und zwar verdeckt ... Das hieß nun allerdings nicht, dass das Neue Testament als von Gewalt nicht tangierte Sphäre wahrgenommen worden wäre. Die unliebsame Gewalt wurde erkannt, um aus dem am Neuen Testament Wichtigen ausgegrenzt zu werden. Diese Elimination geschah mit Hilfe bestimmter Methoden (Überlieferungs-, Literar- und Redaktionskritik) und Hermeneutiken (Kanon-im- Kanon- und Frühkatholizismus-Debatten): Gegenüber einem Ursprünglichen, dem man Gewaltfreiheit unterstellte, wurden gewalthaltige Texte und Themen des Neuen Testaments zu späteren Transformationen und Perversionen oder aber zu eigentlich überwundenen Relikten überholter Entwicklungsstufen erklärt. Nicht selten wurde das überholte oder Pervertierte dann als Jüdisches identifiziert und denunziert. Gegen den Strich gelesen, können solche Verfahrensweisen Aufschluss darüber geben, was dabei als Gewalt im Neuen Testament wahrgenommen wurde. So gab es ment als vom Neuen aufgehoben verstanden. Um das in Kritik geratene Christentum zu retten, wurde es zum religiösen und ethischen Gipfel der Kultur stilisiert. Was der Kritik standhalten sollte, wurde im Neuen Testament verortet, wovon man sich distanzieren wollte, wurde im Alten »Gegenüber einem Ursprünglichen, dem man Gewaltfreiheit unterstellte, wurden gewalthaltige Texte nach 1945 Vorschläge, bestimmte Stellen der Paulusbriefe als spätere Zusätze, als literarkritisch sekundär zu verstehen. Röm 13,1-7 war deshalb ein Problem, weil darin jede Art von staatlicher Gewalt theologisch legitimiert zu werden schien eine Position, die unter dem Ein- und Themen des Neuen Testaments zu späteren Transformationen und Perversionen ... verklärt« Testament fixiert. Die Tendenz, das Fragwürdige abzuspalten, betraf nicht nur die Themen, sondern auch den literarischen Ort, an dem man sie fand: das Alte Testament selbst. Was man selbst als unzumutbar empfand, mochte man auch Kindern nicht zumuten. So verschwanden im Lauf des 19. Jahrhunderts viele als unzumutbar gewalttätig verstandene biblische Erzählungen und Erzählzüge aus den Kinderbibeln. 3 2 druck der Verheerungen, die die nationalsozialistische Herrschaft angerichtet hatte, und der Mitwirkung und des Einverständnisses von Kirchen und Christen damit höchst fragwürdig erschien. Und wenn Paulus das gar nicht gesagt hätte, sondern erst eine unbekannte Person in späterer Zeit? Dann wäre zwar nicht das Neue Testament in seiner Endgestalt, wohl aber die früheste schriftliche Überlieferungsschicht von einer problematischen Legitimation staatlicher Gewalt frei. ZNT 17 (9. Jg. 2006) Martin Leutzsch Prof. Dr. Martin Leutzsch, geboren 1956, studi.erte Evangelische Theologie in Erlangen und Bonn: und absolvierte anschließend das Vikariat in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Promotion 1986 und Habilitation 1993 an der Evangelisch7Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Professor für Biblische Theologie 199.4-1998 an der Evangelischen Fachhochschule für Sozialarbeit, seither an der Universität Paderborn. Forschungsschwerpunkte: Sozial-, Gender- und Rezeptiomgeschichte der Bibel, Jesusvorstellungen der Neuzeit, Theorie und Praxis der Bibelübersetzung. Auch zu lKor 14,336-36 und lKor 11,2-16 gab es in der Nachkriegszeit entsprechende literarkritische Thesen. Sollte Paulus, der in Gal 3,28 das Ende ethnischer, sozialer und geschlechtlicher Differenzen in Christus betont, Normen propagiert haben, die Frauen diskriminiert, ja von voller Teilhabe an der Gestaltung des Gemeindelebens ausgeschlossen haben und z.T. noch ausschließen? Oder war solche Diskriminierung erst eine Maßnahme der zweiten oder dritten Generation? Diskriminierung von Frauen, hier von Ehefrauen, ist auch eines der Themen der Haustafel Kol 3,18-4,1. Hinzu kommt dort die Legitimation elterlicher Gewalt über Kinder und der Gewalt von Herren und Herrinnen über Sklavinnen und Sklaven. Wäre nicht vorstellbar, dass der ursprüngliche Kol ohne diese Haustafel geschrieben wurde, und die entsprechende Parallelpassage Eph 5,21-6,9 ebenso? Dann würde die These »Gott ist kein Sklavenhalter,/ für diese Briefe etwas mehr an Plausibilität gewinnen können. Wurden Kol und Eph insgesamt dem historischen Paulus ab- und seinen Schülern zugesprochen, konnte eine Gleichsetzung von »zeitlich früher« ZNT 17 (9. Jg. 2006) Martin Leutzsch Gewalt und Gewalterfahrung im Neuen Testament und »authentisch« mit »wichtig« und von »zeitlich später« und »pseudepigraphisch« mit »marginal« für eine Entlastung sorgen. Problematisch wurden angesichts der kirchlichen Diskriminierungsgeschichte gegenüber Homosexuellen und der Formierung christlicher Schwulen- und Lesbengruppen auch Bibelstellen, die gleichgeschlechtliche Sexualität verbieten und verdammen. Aber vielleicht stammte ja eine der wenigen immer wieder zitierten Stellen, Röm 1,26f., gar nicht von Paulus selbst? ' Schließlich machte die nationalsozialistische Vernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen sensibel für antijüdische Züge im Neuen Testament. Auch hier schien die Literarkritik eine Chance zu bieten: Wenn etwa 1Thess 2, 13-16 nicht von Paulus selbst stammte, 6 würde wenigstens der anscheinend früheste erhaltene Problemtext zeitlich später einzuordnen sein. ... und auch offen In der neutestamentlichen Wissenschaft ist gegenwärtig das Bewusstsein gewachsen, dass literarkritische Herauslösungen keine Problemlösungen in der Sache darstellen. Ob zeitlich früher oder später, ob paulinisch oder nicht- und nachpaulinisch: »Nun steht aber diese Sache im Evangelium... « ist der Titel eines Sammelbandes, der sich mit antijüdischen Zügen im Neuen Testament sachlich auseinandersetzt. 7 Analoges gilt für die anderen benannten Problemfelder. Der Blick auf die literarkritischen Thesen zu sachlichen Problemtexten zeigt, dass hier Gewalt als Thema (und Botschaft) neutestamentlicher Texte wahrgenommen wurde. Zu den angesprochenen Themenfeldern - Staat und staatliches Handeln im Neuen Testament, Herrschaft von Männern über Frauen und von Freien über Unfreie, Antijudaismus, auch zur Diskriminierung von Sexualitäten und sexuellen Orientierungen gibt es in den letzten vierzig Jahren immer noch expandierende Forschungsschwerpunkte neutestamentlicher Wissenschaft. Thematisierung, Wahrnehmung und Erfahrung von Gewalt im Neuen Testament werden in verschiedenen Hinsichten betrachtet: auf der literarischen Ebene der schriftlichen Texte, auf der historischen Ebene der Rekonstruktion von Gewalterfahrung und Gewaltausübung der 3 Trägerkreise der Jesusbewegung, in kultur- und gesellschaftsvergleichender Perspektive und im Hinblick auf die Rezeptionsgeschichte der jeweils einschlägigen Bibelstellen. In all diesen Bereichen stößt eine im Anfangsstadium der Forschung oft ohne Begründung gemachte Voraussetzung dass ein anfängliches Goldenes Zeitalter der Gewaltfreiheit mehr oder weniger schnell gewalthaltig transformiert worden sei immer mehr auf Skepsis. Einigkeit besteht darüber, dass im Neuen Testament Gewaltstrukturen keineswegs nur aus einer Perspektive wahrgenommen und bewertet werden: KLAUS WENGST etwa hat dies in einem während der Aufrüstungskampagnen der 1980er Jahre geschriebenen Buch für die Erfahrungen mit der Pax Romana gezeigt, die sich in verschiedenen Überlieferungen und Schrift(grupp )en des Neuen Testaments niederschlagen. 8 Die Vielfalt, zum Teil Gegensätzlichkeit der neutestamentlichen Perspektiven macht es auch unmöglich, dass ich meine Bewertung von Gewaltphänomenen mit der des NT insgesamt gleichsetzen könnte. Im Einzelnen ... Wörter des Neuen Testaments und Begriffe der neutestamentlichen Wissenschaft JOHANNES P. Louw und EUGENE A. NrnA haben den Wortschatz des Neuen Testaments in semantische Domänen eingeteilt. Wer einen ersten Zugang zum Thema Gewalt im Neuen Testament sucht, kann unter den Domänen 20 (Violence, Harm, Destroy, Kill), 37 (Control, Rule), 38 (Punish, Reward), 39 (Hostility, Strife), 55 (Military Activity) und 76 (Power, Force) etwa 360 Wörter finden, die unterschiedliche Aspekte von Gewalt bezeichnen. 9 In den einschlägigen Lexika zum NT und in Spezialuntersuchungen finden sich zu diesen Wörtern mehr oder weniger ausführliche Analysen. 10 Nicht alle würden sämtliche bei Louw und Nida in den genannten Domänen aufgelisteten Wörter als zum Thema gehörig betrachten. Manche würden vielleicht auch die eine oder andere Domäne ausklammern wollen. Was dazu gehört, hängt vom jeweiligen Vorbegriff von »Gewalt« ab, den Exegetlnnen der Wahrnehmung des neutestamentlichen Befundes zugrunde legen. Wo unterscheiden, wo überschneiden sich die Begriffe 4 »Macht«, »Gewalt« und »Herrschaft«? Gehören Begriffe wie »Ohnmacht« und »Abhängigkeit« zentral oder nur peripher zum Thema Gewalterfahrung? Der Bedarf an differenzierter Begrifflichkeit ist im Wissenschaftsbetrieb insbesondere in der Aufbruchsphase der Friedensforschung Ende der 1960er Jahre artikuliert worden. Der norwegische Friedensforscher JOHAN GALTUNG hat in dem vielbeachteten Aufsatz »Gewalt, Frieden und Friedensforschung« 1969 wichtige Differenzierungen vorgenommen. Er unterscheidet intendierte und nicht intendierte, manifeste und latente Gewalt, physische und psychische, objektbezogene und objektlose Gewalt sowie personale und strukturelle Gewalt. Galtungs Unterscheidungen machen auf die Vielfalt und Vielschichtigkeit des Phänomens Gewalt aufmerksam. Insbesondere sein Begriff der strukturellen Gewalt ist oft, auch in der Theologie, aufgegriffen worden, seine Angemessenheit aber auch hinterfragt worden. (Gravierende Probleme mit Galtungs Gewaltbegriff bestehen darin, dass seine sehr weite Definition - »Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen so beeinflußt werden, daß ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potentielle Verwirklichung« 12 so gut wie alles menschliche Tun und Unterlassen umfasst und damit nivelliert; darin, dass der Aspekt der Legitimität bzw. Illegitimität von Gewalt kein eigenes Gewicht erhält; und darin, dass zwischen Gewalt als Handlungsinitiative und Gewalt als Reaktion auf vorausgehendes [Gewalt-]Handeln analytisch nicht unterschieden wird. Gleichwohl können Galtungs Unterscheidungen die differenzierte Wahrnehmung von Gewaltphänomenen fördern.) In der neutestamentlichen Wissenschaft wurde Galtung (zusammen mit anderen Überlegungen zum Gewaltbegriff) etwa von RICHARD HORSLEY herangezogen. In seinem Buch »Jesus and the Spiral of Violence« unterscheidet Horsley institutionalisierte Gewalt, Protest und Widerstand, Repression, Revolte, nimmt die Aspekte der Legitimität (force) und Illegitimität (violence) von Gewalt auf, interpretiert »strukturelle Gewalt« durch die Kategorie der Ungerechtigkeit und greift ein Stufenschema der Gewalteskalation auf (1: Ungerechtigkeit, 2: Protest und Widerstand dagegen, 3: Repression, 4: Revolte). 13 Mit Hilfe dieser Kategorien untersucht er Formen gewalt- ZNT 17 (9. Jg. 2006) freien Widerstands im jüdischen Volk des ersten Jahrhunderts und deutet die J esusbewegung als eine gewaltfreie soziale Revolution. Horsley hat seine Wurzeln in der US-amerikanischen Friedensbewegung. Die Sympathien DAVID DAUBEs gelten der Bürgerrechtsbewegung, wie sein Buch »Civil Disobedience in Antiquity« (1972) zeigt, in dem er auch die Jesusüberlieferung und die Paulusbriefe auf Aspekte bürgerlichen Ungehorsams hin untersucht. 14 »Strukturelle Gewalt« und »ziviler Ungehorsam« sind metasprachliche Begriffe von heute. Sie finden sich nicht in antiken Texten. Die damit bezeichneten Phänomene können sich sehr wohl finden, aber es ist damit zu rechnen, dass unsere Wahrnehmung dieser Phänomene nicht deckungsgleich ist mit der antiker Personen und Gemeinschaften. Darüber hinaus gibt es Kategorien, die entweder im Neuen Testament oder in der heutigen Theologie zum Thema »Gewalt« gerechnet werden, aber nicht umgekehrt. Zwei Beispiele: Zumindest im Deutschen ist der Begriff »Opfer« sehr vielschichtig. Er umfasst, was im Englischen durch »sacrifice« und »victim« unterschieden wird: ein positiv gewertetes kultisches Darbringungsritual und seinen Gegenstand einerseits, eine Person, die beklagenswerter Weise gewalttätigem Handeln oder Naturgewalten ausgeliefert ist, andererseits. »Victim« fehlt bei Louw und Nida im englischen Stichwortregister, während zum Begriff »sacrifice« ein Dutzend griechischer Wörter aufgelistet werden. Dass in antiken Kulturen und Texten, auch im Neuen Testament, sachlich beide Aspekte vorhanden sind und dass sich antike und heutige Wahrnehmung dennoch im Blick auf den Gewaltaspekt von einander unterscheiden, hat WOLFGANG STEGEMANN herausgearbeitet. 15 Mein zweites Beispiel: Im Neuen Testament werden bestimmte übernatürliche Wesen erwähnt, denen als »Mächten und Gewalten« (Kol 1,16 u.ö.) Einfluss auf das irdische Geschehen zugeschrieben wird oder die als »Dämonen« und »unreine Geister« destruktiv von Personen Besitz ergreifen können, sofern sie nicht durch einen verbalen Gewaltakt, einen Exorzismus, vertrieben werden. Diese Wesen (und ebenso die »Engel« und die wilden Tiere) spielen in dem, was in der neutestamentlichen Wissenschaft heute unter dem Thema Gewalt diskutiert wird, oft nur am Rande eine Rolle ( oder ZNT 17 (9. Jg. 2006) Martin Leutzsch Gewalt und Gewalterfahrung im Neuen Testament gar nicht): Die Plausibilität der Existenz und Wirksamkeit solcher Wesen hat in der christlichen Intellektuellenkultur Europas und Nordamerikas seit dem 18. Jahrhundert deutlich abgenommen. Wie überall, ist auch beim Thema Gewalt der jeweilige Standpunkt entscheidend. Übersetzungen sind hier aufschlussreich. Ein Beispiel: Das griechische Verbum angareuein begegnet dreimal im NT, unter anderem im Ratschlag der Bergpredigt (Mt 5,41 ), nicht nur eine, sondern zwei Meilen zu gehen. »So dich jemand nötiget« diese Übersetzung MARTIN LUTHERS ist bis zur jüngste Revision der Lutherbibel beibehalten worden, aber zumindest heute irreführend: Juristisch gesehen ist »nötigen« eine rechtswidrige Handlung, während angareuein ein staatsrechtlich legitimes Vorgehen beschreibt, nämlich: als Repräsentant der staatlichen Verwaltung oder des Militärsautorisiert jemanden zu einer öffentlichen Zwangstransportleistung zu verpflichten. Was aus der Sicht des Staates legitim ist, wurde indes von den Betroffenen im ersten Jahrhundert oft als Schikane erfahren, sei es, weil sich in dieser Zwangstransportleistung hautnah die Beziehung zwischen Besatzungsmacht und Unterworfenen niederschlug, sei es, weil solche Leistungen nicht selten von Unbefugten gefordert und/ oder mit ungerechtfertigten Zumutungen verbunden waren. 16 Nicht nur zwischen der Antike und heute ist mit Differenzen zu rechnen, sondern auch innerhalb der antiken Gesellschaft: Wenn Barrabas in Joh 18,40 als lestes bezeichnet wird, kann das von Seiten des Establishments als »Räuber« verstanden und damit dem Betreffenden legitime Handlungsmotive abgesprochen werden. Mit einem Seitenblick auf Mk 15,7 wäre aber auch die Übersetzung »Rebell« möglich und die ganze Angelegenheit damit von einer kriminellen auf eine politische Ebene verlagert. Entsprechende Differenzen sind auch in der Gegenwart bekannt, wenn dieselbe Person je nach Standpunkt als Terrorist oder als Widerstandskämpfer bezeichnet werden kann. In der aktuellen Lage der neutestamentlichen Wissenschaft werden solche Differenzen gerade in den Bereichen deutlich, die ich am Beispiel der literarkritischen Operationen benannt habe: Gibt es im Neuen Testament im Verhältnis zum Staat, zwischen Männern und Frauen, Herren und Sklaven, Hetero- und Homosexuellen, Jesusanhängerinnen und (anderen) Juden Bezie- 5 hungen, die als Gewalt bezeichnet werden können? Einfache Ja- und Nein-Antworten auf diese Frage ließen sich unschwer anführen. Häufiger sind indes differenziertere Antworten: Welches Phänomen in welchem Kontext kann zu Recht oder zu Unrecht als welche Form von Gewalt angesehen werden, ist am Einzelfall zu untersuchen. In den genannten Bereichen geschieht dies zunehmend, indem genau darauf geachtet wird: Wer handelt? Wer sind die Adressatlnnen des Handelns ( oder Unterlassens)? Welche Anlässe, Mittel, Ziele von Gewalthandeln, welche Mechanismen und Funktionen von Gewaltstrukturen gibt es? Welche Auswirkungen auf die Handelnden und ihre Adressatlnnen und auf Dritte sind festzustellen? Wie interpretieren die Beteiligten und ihr Umfeld das Gewaltphänomen? Was gilt wem (und bis zu welcher Grenze) als legitim? Wie ist der situative Kontext eines Gewaltphänomens beschaffen? Ist Gewalt das Problem oder eine Form der Problembearbeitung (oder beides)? Ich nenne nun wichtige Phänomene von Gewalt, auf die sich die neutestamentliche Forschung konzentriert hat. Das Spektrum der Gewaltphänomene Subjekte von Gewalt Was die Akteure von Gewalt angeht, so ist die Rolle der römischen Staatsgewalt bei den Prozessen gegen Jesus und gegen Paulus immer wieder Gegenstand von U ntersuchungen. 17 Es geht dabei um die Rechtsgrundlagen, die Verfahrensfragen, die Folter, die reale und symbolische Bedeutung der Hinrichtungsart Kreuzigung. 18 Da beim Prozess gegen Jesus nach den Berichten der Evangelien auch jüdische Instanzen mitbeteiligt waren, wird auch nach der Möglichkeit oder dem Verbot jüdischer Kapitalgerichtsbarkeit unter direkter römischer Herrschaft gefragt; das ist auch für die historische Beurteilung der Hinrichtung des Stephanus von Belang. Untersucht sind die Synagogenstrafen, auf die Paulus Bezug nimmt (2Kor 11,24). Auch darüber hinaus wird die Gewalt des Establishments gegen Anhängerinnen Jesu in neueren Untersuchungen wahrgenommen. 19 Ebenfalls erforscht sind Eigenart und Rezeptionsgeschichte einer Verantwortungsübernahme wie Mt 27,25. 20 6 Neben legitimer und illegitimer Gewalt des Staates und religiöser Institutionen gibt es Gruppen, die jenseits der Legalität gewaltsam handeln. Anknüpfend an die Erwähnung von Räubern im Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner (Lk 10,30), ist das Spektrum des antiken Banditentums in den Blick neutestamentlicher Forschung getreten. 21 Auch das Verhalten einer Einzelperson stößt immer wieder auf Aufmerksamkeit: der Verrat des Judas Ischariot. 22 Seit dem 18. Jahrhundert wird diskutiert, inwieweit Jesus als politischer, sozialer oder kultureller Revolutionär verstanden werden muss. Die verschiedenen Optionen haben ihre Befürworter und Gegner gefunden. 23 Dabei hat bis in die 1980er Jahre die Frage der Nähe und der Distanz J esu zu der einen bewaffneten Widerstand gegen Rom befürwortenden und vertretenden Gruppe der Zeloten gespielt. Doch wo die Existenz einer kontinuierlichen antirömischen Widerstandsbewegung vor dem ersten jüdischen Aufstand gegen Rom höchst fraglich ist, 24 laufen auch Behauptungen über antizelotische Tendenzen beim historischen Jesus ins Leere. Neben der generellen Einordnung Jesu haben einzelne seiner Aktionen zu Debatten um Jesus als Gewalttäter geführt. Die vier Berichte von der so genannten TempelreinigungJesu (Mk 11,15-17; Mt 21,12f.; Lk 19,45f.; Joh 2,14-17) unterscheiden sich hinsichtlich der Adressaten und Objekte von Jesu Aktion wie im Blick auf die angewandten Mittel und die Selbstinterpretation J esu. Die Deutung dieser Tat als symbolische Handlung 2' analog zu Symbolhandlungen der israelitischen Propheten überzeugen. Indes macht diese Deutung die Frage nach dem Verhältnis dieser Handlung zu geltendem Recht und die nach den Auswirkungen auf die unmittelbar Betroffenen nicht überflüssig. Größere Ratlosigkeit verursacht die in den synoptischen Evangelien mit der Tempelreinigung verknüpfte Verfluchung des Feigenbaums (Mk 11,12-14.20-25). Die verbale Handlungsform des Fluchs 26 führt zum Verdorren des Baums. Wie bei weiteren Strafwundern des NT (Apg 5,1-11; 13,6- 12; mehrfach in Paulusbriefen) zeigt sich hier eine andere Dimension des biblischen Wunderverständnisses. Im Unterschied zu übernatürlichen Strafen, die Menschen treffen, ist die Gewalthandlung hier an eine Sache adressiert, was u.a. im Kontext antiker Sachstrafen diskutiert werden ZNT 17 (9. Jg. 2006) könnte und auch in den Bereich symbolischer Handlungen zu stellen wäre. Verbale Gewalt gegen Dämonen in Form des Exorzismusbefehls im Rahmen der Exorzismen Jesu (Mk 1,23-28; 7,24-30; 9,14-29; für Paulus vgl. Apg 16, 16-18) ruft selten Erörterungen im Blick auf die Gewaltthematik hervor. Als Problem wird indes manchmal das Hineinschicken der aus dem besessenen Gerasener ausgetriebenen Dämonen (der Name Legion verweist auf die römische Besatzungsmacht) in Schweine, die infolgedessen ertrinken, angesehen (Mk 5,1-20). Modeme Leserinnen machen sich um den wirtschaftlichen Verlust Sorgen, den die Schweinebesitzerinnen erleiden. Es ist aufschlussreich, dass Jesus zwar auf gefordert wird, die Region zu verlassen, von einer Schadensersatzforderung aber nichts erzählt wird möglicherweise eine der Differenzen zwischen antikem und modernem Verständnis von »höherer Gewalt«. 27 Schließlich werden noch weitere Fälle verbaler Aggression wie die Reden gegen Pharisäer und Schriftgelehrte (Mt 23) aber auch Stellen wie Mk 8,33 und J oh 2,4 als Belege für einen Gewaltgebrauch J esu angeführt. Die Stellen, die ins besondere in der Erforschung des Antijudaismus im NT eine Rolle spielen, sind durch das Stichwort Polemik zwar beschrieben, aber noch nicht interpretiert. Gewalt gegen eine Sache, die für das antike Judentum von zentraler Bedeutung war, beinhaltet die Ankündigung J esu, er werde den J erusalemer Tempel abreißen (Mk 14,58). In Lk 22,36 rät Jesus den Jüngern, sich ein Schwert zu beschaffen. Werden damit Gewaltinitiativen seitens der Jünger erlaubt, oder geht es um reaktive Gewalt, um Möglichkeiten zur Notwehr? Einschlägige Studien sprechen in Anführungszeichen vom »sanften« (PETER TRUMMER) und vom »brutalen« (KLAUS BERGER) Jesus und machen damit deutlich, dass keine dieser Zuschreibungen dem neutestamentlichen Befund gerecht wird. 28 Einigkeit besteht darin, dass aggressive und gewalthaltige Züge der Jesusüberlieferung bei der Frage nach dem historischen Jesus nicht von vornherein beiseite geschoben werden dürfen, um ein Vor-Urteil über Jesus bestätigen zu können. Vielmehr stellt sich bei jedem der genannten Bereiche von Jesu Tun und Reden die Frage nach dem jeweiligen Stellenwert ZNT 17 (9. Jg. 2006) Martin Leutzsch Gewalt und Gewalterfahrung im Neuen Testament und Sinn und der jeweiligen Funktion des Gewaltaspekts. Objekte von Gewalt Im Mt ist Jesus schon als Säugling und Kleinkind Ziel von Gewalt (Mt 2). Als Erwachsener wird er Ziel von Verhaftungs- (Joh 7,44) und Tötungsplänen (Mk 3,6; Joh 11,46-57) und Tötungsversuchen (Lk 4,16-30; Joh 8,59; 10,31). Diese Stellen werden im Zusammenhang mit Parallelisierungen von Mose (Ex lf.) und Jesus (Mt 2,13-18) und im Rahmen der Antijudaismusdebatte in Untersuchungen zur Repräsentation der Juden oder einzelner jüdischer Gruppierungen in den Evangelien analysiert. Der gewaltsame Tod Jesu ist Gegenstand historischer Untersuchungen zur Praxis der Kreuzigungsstrafe in der römischen Kaiserzeit. Insbesondere die verschiedenen Deutungen des Todes Jesu im NT, also Bewältigungsversuche und Sinndeutungen von tödlicher Gewalt, sind ein breites Forschungsgebiet. (Bei einer Untersuchung des Phänomens Tod im Neuen Testament würde sich herausstellen, dass quantitativ der Schwerpunkt auf Berichten, Erwähnungen und Ankündigungen von gewaltsamem Tod liegt. 29 ) In der Apg, aber auch in den Briefen des NT, in der Offb und in Ankündigungen der Evangelien (Mk 13,9; Mt 10, 17-23) erscheinen die Jesusanhängerlnnen als Objekte gesellschaftlicher und staatlicher Gewalt. Das kann sich in Diskriminierungen, Verfolgungen, Ausweisungen, Prozessen, Tötungen äußern. (In Offb 18,24 weitet sich der Blick aus auf Opfer staatlicher Gewalt außerhalb des Kreises der Jesusanhängerlnnen.) In der Apg wird ein Muster erkennbar: Oft nicht immer sind es Juden, die Gewalt gegen die Missionare initiieren, während die Vertreter Roms diese Gewalt begrenzen. Das Ergehen von Stephanus und Paulus wird in Analogie zum Ergehen Jesu geschildert. J esu Passion ist vor bildhaft für das Martyrium seiner Verkünder. Verarbeitungen von erfahrener und erwarteter Gewalt Mit dem zuletzt genannten Gesichtspunkt ist bereits die Verarbeitung von Gewalt ins Blickfeld geraten. Das eigene Ergehen kann durch Jesu Passion einen Sinn erhalten. Das erlittene und 7 Neues Testament erwartete Martyrium kann zum festen Bestandteil der Identität der Jesusanhängerlnnen werden. Elemente einer Theologie des Martyriums finden sich bereits bei Paulus. 30 1Petr kann geradezu als literarische praeparatio ad martyrium, als Vorbereitung auf ein Martyrium, verstanden werden. 31 Eine angemessene Würdigung solcher Bewältigungsstrategien von Gewalt wird gut daran tun, sich den Blick nicht durch die seit der Aufklärung beliebte Unterstellung einer »Martyriumssucht« der frühen Christinnen verstellen zu lassen. 12 Die mangelnde Integration in die Umwelt und deren distanzierende und aggressive Vorgehensweisen Gott als die Erst- und Letztinstanz legitimer Gewalt ist der Allherrscher (pantokrator; 2Kor 6,18 und mehrfach in Offb ). Gott begrenzt, unterbricht und beendet Gewalt von Menschen und von Dämonen - und kann dazu Gewalt einsetzen. Die Sinndeutungen des Todes Jesu setzen eine Mitbeteiligung Gottes an Jesu Tod voraus. Diese kommt schon im »müssen« (dei) der Leidensankündigung (Mk 8,31) vor und wird in Röm 3,24f. und anderswo explizit zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus ist Gott der Garant des Tun- Ergehen-Zusammenhangs. Für sein Verhalten erhält der Mensch ein entsprechendes Feedback, sei es vor oder nach dem Tod gegen die Gemeinden führen zu einem Selbstverständnis als Fremde, was insbesondere für 1Petr ausführlich untersucht ist. 33 »Eine angemessene Würdigung solcher Bewältigungsstrategien von Gewalt wird gut daran tun, (vgl. z.B. Mt 5,3-12). Insbesondere die Ankündigung ewiger J enseitsstrafen (für die Jesusüberlieferung z.B. Mk 9,42-50; Mt 13,36-43; 25,14- 30.31-46; Lk 16,19-31) gilt seit den Optionen des Pietismus und der Aufklärungstheologie für eine Allversöhnungs- Auf erfahrene Gewalt, Leid und Bedrängnis reagiert Paulus, indem er eine »Sprache des Leids« entwickelt (1Kor 4,11-13; 2Kor 4,7-10; 6,4-1 O; 11,23-27 u. ö.) in sich den Blick nicht durch die seit der Aufklärung beliebte Unterstellung einer>Martyriumssucht< der frühen Christlnnen verstellen zu lassen.« vielen Untersuchungen zum Thema Leiden im NT geht es sachlich um Erfahrung und Verarbeitung von Gewalt. 34 Eine wichtige Form sprachlicher Thematisierung und Verarbeitung von Gewalt ist das Gebet. Die Klage (Mk 15,34; Offb 6,10) ist ein an Gott gerichteter Protest gegen Gewalt. Der Hymnus thematisiert Gottes Intervention in Gewaltverhältnisse (Lk 1,51-53) und die Rückbindung jeder Form legitimer Gewalt an Gott (die Hymnen der Offb ). Auch die Wir-Bitten des Vaterunsers (Mt 6, 9-13; Lk 11,2-4) lassen sich als Bitten um die Minimierung von ökonomischen, kommunikativen, die religiöse Identität gefährdenden Gewaltverhältnissen und Gewaltakten verstehen. Gebete und Lieder des Neuen Testaments unter dem Gesichtspunkt der Gewaltartikulation und -bewältigung zu verstehen, wäre eine lohnende künftige Forschungsaufgabe der neutestamentlichen Wissenschaft. Gott und Gewalt Im Gebet zeigt sich, dass und wie Gott und Gewalt im Neuen Testament zusammengebracht werden. 8 erwartung als Problem. Eine angemessene Bearbeitung kann nicht darin bestehen, dass entsprechende Aussagen überlieferungskritisch eliminiert werden, so dass wenigstens der historische Jesus davon frei gehalten wird, noch darin dass der Vorstellungskomplex der ewigen Strafe dem als überholt gewerteten jüdischen Verhaftetsein einiger neutestamentlicher Schriften anderen Stellen (insbesondere aus dem johanneischen Schrifttum) gegenübergestellt wird und letztere als die eigentlich christlichen privilegiert werden. Vielmehr ist ernst zu nehmen, dass nicht nur die Hebräische Bibel, sondern auch das Neue Testament den Gott der Rache kennt (Röm 12, 19 und Hebr 10,30 im affirmativ aufgenommenen Zitat Dtn 32,35; weiter 1Thess 4,6; Offb 6, 1 O; 19,2; vgl. noch 2Thess 1,7f.; in Lk 18,7f. wird ekdikein, ekdikesis im Unterschied von den gerade genannten Stellen oft mit »Recht verschaffen« übersetzt was den antiken Begriff von Rache gut trifft). Dass Rache ebenso wie Liebe zum Gottesbild der ganzen Bibel gehört, haben Alttestamentler wiederholt hervorgehoben. 35 Beim Verstehen der biblischen Racheaussagen ist eine Differenz zwischen der Antike einerseits und heute andererseits zu bedenken. In der Antike (und später) gilt Rache als eine legitime Form der ZNT 17 (9. Jg. 2006) Konfliktregelung (was heute in den Altertumswissenschaften neu entdeckt wird), während seit der Aufklärung eine Delegitimierung und (etwa in der Tiefenpsychologie) Pathologisierung von Rache vorherrscht: Rache wird abgespalten - und manchmal ist das Andere das Orientalische, wonach »alle morgenländischen Völker sehr rachgierig« seien (JAKOB MICHAEL REINHOLD LENZ, der JOHANN DAVID MICHAELIS aufgreift)3'- und von einem Handeln auf ein Gefühl reduziert. Erst wo die Differenz als solche anerkannt ist, kann ein angemessenes Verstehen beginnen. Zur Ethik des Gewaltverzichts Die neutestamentlichen Ratschläge zu und die Berichte über die Praxis von Gewaltverzicht und gewaltfreiem Handeln und ihre intensive Erforschung stehen bewusst nicht im Mittelpunkt dieses Aufsatzes. 37 Hinweisen will ich auf GERD THEißENs Untersuchungen zur Soziologie der Jesusbewegung. Nach Theißen besteht die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der J esusbewegung, ihr Beitrag zur Bewältigung sozialer Spannungen, in bestimmten Formen der Verarbeitung und Überwindung von eigener und fremder Aggression. Er unterscheidet (1) den Aggressionsausgleich durch Gegenimpulse Martin Leutzsch Gewalt und Gewalterfahrung im Neuen Testament kaum in den Blick gekommen sind. Zwei scheinen mir besonders wichtig zu sein. Während es zum Phänomen der Freundschaft für die Antike und darüber hinaus zahllose Untersuchungen gibt, hat Feindschaft als eine soziale Beziehung kaum Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das gilt, soweit ich sehe, für alle Kultur- und Sozialwissenschaften - und eben auch für die neutestamentliche Wissenschaft. Ohne die Gründe für solches Ignorieren untersuchen zu wollen (möglicherweise hat hier die Prominenz der scheinbar von vornherein feststehenden Lösung - Feindesliebe den genauen Blick auf das Problem überflüssig erscheinen lassen), benenne ich einige Fragen zu diesem Thema: Welche intraindividuellen, interindividuellen und strukturellen Bedingungen für Feindschaft gibt es? Auf welchen Ebenen gibt es sie? In welchen Kontexten findet sie statt? Welche gesamtgesellschaftlichen Funktionen hat die Feindschaftsbeziehung? In welchem Verhältnis zu anderen Sozialbeziehungen steht sie? Welche Akzeptanz oder Nichtakzeptanz hat Feindschaft seitens der unmittelbar Beteiligten und seitens der Gesellschaft? Welche Motive und welche Anlässe für, welche Bezugspunkte und Ziele von Feindschaftsbeziehungen lassen sich unterscheiden, welche Austragungsmodi, welche Auswirkungen gibt es? Mit Hilfe solcher differenzierter Fragen kann z. B. die Eigenart der Feind- (Feindesliebe, Integration diskriminierter Gruppen); (2) die Verlagerung von Aggression auf andere Objekte (Dämonenaustreibung in Schweine Mk 5,1-20) und Subjekte (Menschensohn als künftiger Weltrichter), (3) die Rück- »Beim Thema Gewalt im schaftsbeziehung im Gleichnis vom Taumellolch unter dem Weizen (Mt 13,24-30) präziser wahrgenommen werden, als das bislang der Fall ist. Neuen Testament zeigt sich, dass in der menschlichen Sphäre auf allen Ebenen ganz überwiegend Männer als tatsdchli- Die zweite Dimension ist noch umfassender. Beim Thema Gewalt im Neuen Testache 0der potentielle Akteure von Gewalt im Blick sind.« wendung der Aggression auf den Aggressor und die Verinnerlichung durch ihn als Appell zum Aggressionsverzicht (Beispiele: Mt 5,21f.27-30.38-42); und (4) die Darstellung und Transformation von Aggression in christologischen Symbolen ( der Gekreuzigte als Sündenbock: Mk 10,45; 14,24; lKor 15,3)." Blinde Flecke, offene Fragen Trotz der vielfältigen Untersuchungen von Gewalt im NT gibt es Dimensionen des Themas, die noch ZNT 17 (9. Jg. 2006) ment zeigt sich, dass in der menschlichen Sphäre auf allen Ebenen ganz überwiegend Männer als tatsächliche oder potentielle Akteure von Gewalt im Blick sind. Was bedeutet dieser Befund für das Verständnis von Gewalt - und für das von Männlichkeit? Die Erforschung von Männlichkeiten im NT, die seit kurzem begonnen hat, 39 hätte hierauf künftig ihr Augenmerk zu legen. Dabei wäre zu beachten, dass die sich wandelnden Wahrnehmungen und Bewertungen von Gewalt im NT in den letzten zweihundert Jahren im Kontext von sich wandelnden Männlichkeitsidealen stattgefunden haben. 9 Von 1770 bis 1850 war das herrschende bürgerliche Männlichkeitsideal das der edlen Einfalt und stillen Größe. Dem entsprach die J esusvorstellung von HÖLDERLIN, JEAN PAUL, KAROLINE VON GüNDERRODE oder GOETHE, und der stille, beherrschte, ruhige Jesus prägte die J esusbilder der Nazarener und die Jesusstatue THORVALDSENS. Mit der Formierung der sozialen Bewegungen ab den 1840er Jahren im Kontext der Industrialisierung, aber auch des Kolonialismus und des Antisemitismus stieg der Bedarf an einem aggressiven Männlichkeitsideal. Ab den 1880er Jahren wird der sanfte Jesus der Nazarener als weich, verweichlicht, unmännlich bewertet. In den sozialen Bewegungen Kontinentaleuropas wird die jeweilige Jesusvorstellung in Wort und Bild stark auf die Tempelreinigung fokussiert, ganz gleich, ob Jesus dabei antiklerikal gegen Priesterherrschaft, antikapitalistisch gegen die Hochfinanz oder antisemitisch gegen »die« Juden agiert. Ohne das Thema hier weiterverfolgen zu können, mache ich nur auf Folgendes aufmerksam: Kurz nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg schrieb der deutsche Neutestamentler JOHANNES LEIPOLDT über »Die männliche Art Jesu«. 1946 erschien in Österreich das Buch » Der Mann Jesus« des Theologen GEORG BICHLMAIR. Hier wurde Bedarf an einer Redefinition von Männlichkeit wahrgenommen und theologisch darauf geantwortet. Ähnliches geschah in den 1970er und 1980er Jahren, wo im Zuge von Bürgerrechts-, Studierenden- und Frauenbewegung bisherige Männlichkeitsideale tief in Frage gestellt wurden. »Jesus der Mann« von HANNA WOLFF und »Jesus der erste neue Mann« von FRANZ ALT reagieren auf solche Veränderungen. 40 Welchen Bedarf an welcher Männlichkeit, welchen Bedarf an welcher Gewalt, welcher Gewaltfreiheit und welchen Bearbeitungen von Gewalt hat die heutige Gesellschaft? Die eigene Position zu diesen Fragen sollte sich klar machen, wer Gewalt im Neuen Testament untersucht: Dann lässt dort vielleicht mehr und anderes finden als das, was die eigene Position nur bestätigt ... Anmerkungen 1 Die gegenwartige Monotheismus-Gewalt-Debatte wurde angestoßen von Jan Assmann (vgl. ausführlich J. Assmann, Die Mosaische Unterscheidung oder der 10 Preis des Monotheismus München/ Wien 2003). Vgl. etwa J. Manemann (Hg.), Monotheismus (Jahrbuch Politische Theologie 4), 2. Aufl., Münster 2005; Th. Söding (Hg.), Ist der Glaube Feind der Freiheit? Die neue Debatte um den Monotheismus (Quaestiones Disputatae 196), Freiburg/ Basel/ Wien 2003; H. Düringer (Hg.), Monotheismus eine Quelle der Gewalt? (Arnoldshainer Texte 125), Frankfurt 2004. Ein Neutestamentler, der Stellung genommen hat, ist W. Stegemann, Wie »christlich« ist das Judentum? Zur Kritik an einigen seiner (protestantischen) Konstruktionen, in: R. Faber (Hg.), Zwischen Affirmation und Machtkritik. Zur Geschichte des Protestantismus und protestantischer Mentalitäten, Zürich 2005, 141-163, hier: 156- 161. - Die Zurückhaltung neutestamentlicher Exegetinnen ist auch bei der schon einige Zeit zurückliegenden Debatte um Rene Girards Thesen zu Religion und Gewalt festzustellen. Hier waren es vor allem systematische Theologen, die sich beteiligten (besonders Raymond Schwager und sein Kreis), daneben auch Alttestamentler wie z.B. N. Lohfink, Der gewalttätige Gott des Alten Testaments und die Suche nach einer gewaltfreien Gesellschaft, JBTh 2 (1987), 106-136; U. Rüterswörden, Das Ende der Gewalt? Zu Rene Girards Buch, JBTh 2 (1987), 247-256; von neutestamentlicher Seite habe ich wahrgenommen: R. Hamerton-Kelly, A Girardian Interpretation of Paul: Rivalry, Mimesis and Victimage in the Corinthian Correspondence, Semeia 33 (1985), 65-82; E. Gans, Christian Morality and the Pauline Revelation, Semeia 33 (1985), 97-108; B.L. Mack, The Innocent Transgressor: Jesus in Early Myth and History, Semeia 33 (1985), 135-166; V.K. Robbins, Luke-Acts: A Mixed Population Seeks a Horne in the Roman Empire, in: L. Alexander (Hg.), Images of Empire (JSOT Supplement 122), Sheffield 1991, 202- 221; vgl. auch R. North, Violence and the Bible: The Girard Connection, CBQ 47 (1985), 1-27. - Die seit gut fünfzehn Jahren artikulierte postchrist! iche Pauschalkritik an Christentum und Kirche als einer gewalttätigen Religion und Institution - Aufsehen erregend etwa in Dan Browns »The Da Vinci Code« bezieht sich auch auf die Bibel (vgl. F. Buggle, Denn sie wissen nicht, was sie glauben. Oder warum man redlicherweise nicht mehr Christ sein kann, Hamburg 1992; ders., Inhumaner Jesus? , in: Verfälschter Jesus? Christentum und Christusbilder. Beiträge einer Tagung der Evangelischen Akademie Baden 2.-4. April 1993 [Herrenalber Protokolle 97], 2. Aufl., Karlsruhe 1997, 40-47) und hat etwa auf Akademietagungen auch zu Stellungnahmen von exegetischer Seite geführt. 2 Beispiele für den Begriff »Gott des Alten Testaments« und für die Entgegensetzung »Gott des Alten Testaments - Gott des Neuen Testaments«: H. Lemke, Judenchristentum. Zwischen Ausgrenzung und Integration. Zur Geschichte eines exegetischen Begriffes (Hamburger Theologische Studien 25 ), Münster/ Hamburg/ Berlin/ London 2001, 156-158 mit Anm. 192, 195 (ebd. 157: Kriegsgott); M. Priestman, Romantic Atheism. Poetry and Freethought, 1780-1830 (Cambridge Studies in Romanticism 37), Cambridge 1999, 190; F.v. Sallet, Laien-Evangelium, Jamben, Leipzig o. J., 306; F. Steck (Hg.), Adolf Harnack: Marcion. Der moderne Gläubige des 2. Jahrhunderts, der erste Reformator. Die Dorpater Preisschrift (1870). Kritische Edition des handschrift- ZNT 17 (9. Jg. 2006) liehen Exemplars mit einem Anhang (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 149), Berlin/ New York 2003, 26; P. Kornfeld, Der beseelte und der psychologische Mensch, Kunst, Theater und Anderes, in: Th. Anz/ M. Stark (Hgg.), Expressionismus. Manifeste und Dokumente zur deutschen Literatur 1910-1920. Mit Einleitungen und Kommentaren, Stuttgart 1982 (zuerst 1918), 222-238, hier: 228; N. Kazantzakis, Rechenschaft vor EI Greco, München 1978, 254.261.269f.284f.289.372f. Die Etikettisierung des Gottes Israels als Gott der Gewalt findet sich z. B. bei K. Gutzkow, Zur Philosophie der Geschichte, Hamburg 1836, 227. - Vgl. auchJ.W.v. Goethe, Werke. Hamburger Ausgabe, Bd. I-XIV, München 1982, hier: VIII 161 (Wilhelm Meisters Wanderjahre II 2), wo beim Gang durch eine Galerie mit Bildern aus dem Alten und Neuen Testament über »die Bilder der zweiten heiligen Schriften« gesagt wird: »Sie schienen von einer andern Hand zu sein als die ersten: alles war sanfter, Gestalten, Bewegungen, Umgebung, Licht und Färbung.« Mit umgekehrten Vorzeichen wertet Nietzsche das Alte Testament höher als das Neue, vgl. F. Nietzsche: »In ihm finde ich grosse Menschen, eine heroische Landschaft und Etwas vom Allerseltensten auf Erden, die unvergleichliche Naivität des starken Herzens; mehr noch, ich finde ein Volk.« (F. Nietzsche, Kritische Studienausgabe Bd. I-XV [dtv], München/ Berlin 1993, hier: V 393 [Zur Genealogie der Moral III 22]). ' Vgl. R.B. Bottigheimer, The Bible for Children: From the Age of Gutenberg to the Present, New Haven/ London 1996, 70-81.132-136.142-151.162-174; für die Analyse eines charakteristischen Beispiels (Ri 4f.) vgl. R.B. Bottigheimer, The Bible for Children: the Emergence and Development of the Genre, 1550-1990, in: D. Wood (Hg.), The Church and Childhood (Studies in Church History 31), Oxford/ Cambridge, Mass. 1994, 347-362. Vgl. auch die Überlegungen der Erzählfigur Frau Müller-Schulze in C. Menck, Chemisch gereinigte Kinderseelen, in: Frankfurter Hefte 1 (1946), 888-890, hier: 889! ' So der Titel des Buches von S. Schulz, Gott ist kein Sklavenhalter. Die Geschichte einer verspäteten Revolution, Zürich/ Hamburg 1972. 5 So im Rahmen mehrerer, einander z. T. ausschließender Argumentationsstränge A.F. Ide, Zoar and Her Sisters: Homosexuality, the Bible, and Jesus Christ, Oak Cliff 1991, 177-192. ' So D. Schmidt, 1 Thess 2: 13-16: Linguistic Evidence for an Interpolation, JBL 102 (1983 ), 269-279; weitere Vertreter dieser Ansicht nennt T. Holtz, Der erste Brief an die Thessalonicher (EKK NT 13), Zürich/ Einsiedeln/ Köln/ Neukirchen-Vluyn 1986, 97 Anm. 431. 7 Vgl. R. Kampling (Hg.), »Nun steht aber diese Sache im Evangelium... « Zur Frage nach den Anfängen des christlichen Antijudaismus, Paderborn/ München/ Wien/ Zürich 1999. 8 Vgl. K. Wengst, Pax Romana - Anspruch und Wirklichkeit. Erfahrungen und Wahrnehmungen des Friedens bei Jesus und im Urchristentum, München 1986; für Eph vgl. E. Faust, Pax Christi et Pax Caesaris. Religionsgeschichtliche, traditionsgeschichtliche und sozialgeschichtliche Studien zum Epheserbrief (NTOA 24), Freiburg/ Göttingen 1993. ' Vgl. J.P. Louw/ E.A. Nida (Hgg.), (1989) Greek-English Lexicon of the New Testament based on Semantic ZNT 17 (9. Jg. 2006) Martin Leutzsch Gewalt und Gewalterfahrung im Neuen Testament Domains 1: Introduction and Domains, 2. Aufl., New York 1989; dies. (Hgg.), Greek-English Lexicon of the New Testament based on Semantic Domains 2: Indices, New York 1989. Vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung dieses Unternehmens unbeschadet der Korrekturbedürftigkeit im Konkreten (dazu schon E. Nida / J.P. Louw, Lexical Semantics of the Greek New Testament: A Supplement to the Greek-English Lexicon of the New Testament Based on Semantic Domains [Society of Biblical Literature Resources for Biblical Study 25], Atlanta 1992) J.A.L. Lee, A History of New Testament Lexicography (Studies in Biblical Greek 8), New York/ Washington/ Baltimore / Bern/ Frankfurt/ Berlin/ Brussels / Vienna / Oxford 2003, 155-175. 10 Bibliographische Zugänge bieten die Literaturangaben zu den einzelnen Wörtern in EWNT und in ThWNT. Vgl. weiter z.B. Lee, History, 297-304 (zu kratos); M. Leutzsch, Die Bewährung der Wahrheit. Der dritte Johannesbrief als Dokument urchristlichen Alltags (Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium 16), Trier 1994, 90-93 (zu hybris). 11 Vgl. z.B. D. Senghaas (Hg.), Imperialismus und strukturelle Gewalt. Analysen über abhängige Reproduktion (edition suhrkamp 563), Frankfurt 1972; I. Fetscher, Strukturelle Gewalt. Entstehung, Bedeutung und Funktion eines sozialwissenschaftlichen Modewortes, in: F. Engel-Janosi/ G. Klingenstein/ H. Lutz (Hgg.), Gewalt und Gewaltlosigkeit. Probleme des 20. Jahrhunderts (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 4), München 1977, 85-93; M. Jander, Strukturelle Gewalt. Die Entfaltung eines Begriffs, sowie die Möglichkeiten und Schwierigkeiten, damit umzugehen, medien + erziehung 22 (1978), 256-266. Für die Theologie vgl. Th. Posern, Strukturelle Gewalt als Paradigma sozialethisch-theologischer Theoriebildung (EHS 23/ 465), Frankfurt usw. 1992; auch F. Furger, Sozialethik in heilsgeschichtlicher Dynamik, in: H. Rotte (Hg.), Heilsgeschichte und ethische Normen (Quaestiones Disputatae 99), Freiburg/ Basel/ Wien 1984, 128-159, hier: 148f. 12 J. Galtung, Gewalt, Frieden und Friedensforschung, nach: ders., Strukturelle Gewalt. Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung (rororo 1877), Reinbek 1975, 7- 36, hier: 9. 13 Vgl. R.A. Horsley, Jesus and the Spiral of Violence, San Francisco 1987, 20-58. Zur Kategorie »Ungerechtigkeit« vgl. die wichtige sozialwissenschaftliche Studie von B. Moore, Ungerechtigkeit. Die sozialen Ursachen von Unterordnung und Widerstand (stw 692), Frankfurt 1987. 14 Vgl. D. Daube, Civil Disobedience in Antiquity, Edinburgh 1972, 12f.46-49.100-112 (für Jesus) und 135-141 (Paulus). Definition »ziviler Ungehorsam« ebd. 1-4. 15 Vgl. W. Stegemann, Zur Metaphorik des Opfers, in: B. Janowski/ M. Welker (Hgg.), Opfer. Theologische und kulturelle Kontexte (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1454), Frankfurt 2000, 191-216. 16 Vgl. die entsprechende Analyse zu Mt 5,41 von W. Wink, Neither Passivity nor Violence: Jesus' Third Way (Matt. 5: 38-42 par.), in: W.M. Swartley (Hg.), The Love of Enemy and Nonretaliation in the New Testament, Westminster/ Louisville 1992, 102-125, hier: 108-112; ausführlich B. Isaac, The Limits of Empire. The Roman Army in the East, Oxford 1990, 291-297. - Sachlich geht es um diese Form der Zwangstransportleistung auch in Mk 11,1-9, wo auf Initiative Jesu ein Esel requiriert wird 11 (vgl. J.D.M. Derrett, Law in the New Testament: The Palm Sunday Colt, NovTest 13 [1971], 241-258). 17 Vgl. etwa zum Prozess gegen Jesus: K. Kertelge (Hg.), Der Prozeß Jesu. Historische Rückfrage und theologische Deutung (Quaestiones Disputatae 112), Freiburg/ Basel/ Wien 1988; zum Prozess gegen Paulus zuletzt: H. Omerzu, Der Prozeß des Paulus. Eine exegetische und rechtshistorische Untersuchung der Apostelgeschichte (BZNW 115), Berlin/ New York 2002. 18 Für das Verhältnis von Wahrheit (Joh 18,37f.) und Folter (Joh 19, 1) ist die Untersuchung von P. du Bois, Torture and Truth, New York/ London 1991 erhellend. Für die Hinrichtungsart der Kreuzigung vgl. M. Hengel, Crucifixion: In the Ancient World and the Folly of the Message of the Cross, London 1977. 19 Vgl. T. Seland, Establishment Violence in Philo and Luke: A Study of Non-Conformity to the Torah and Jewish Vigilante Reactions, Leiden 1995. 20 Vgl. R. Kampling, Das Blut Christi und die Juden. Mt 27,25 bei den lateinischsprachigen christlichen Autoren bis zu Leo dem Großen (Neutestamentliche Abhandlungen, Neue Folge 16 ), Münster 1984. 21 Vgl. z.B. M. Hengel, Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr. (AGJU I), 2. Aufl., Leiden/ Köln 1976, 26-38; zuletzt ausführlich zum Thema W. Riess, Apuleius und die Räuber. Ein Beitrag zur historischen Kriminalitätsforschung (Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien 35), Stuttgart 2001. 22 Vgl. H.-J. Klauck, Judas ein Jünger des Herrn (Quaestiones Disputatae 111), Freiburg/ Basel/ Wien 1987; W. Klassen, Judas: Betrayer or Friend of Jesus? , London 1996. 23 Jesus als politischer Revolutionär: Überblick von E. 12 Bammel, The Revolution Theory from Reimarus to Brandon, in: E. Bammel/ C.F.D. Moule (Hgg.), Jesus and the Politics of His Day, Cambridge/ London/ New York/ New Rochelle/ Melbourne/ Sydney 1984, 11-68. (Die These begegnet bereits im 17. Jahrhundert, vgl. A. Gfrörer, Origo et fundamenta religionis Christianae. Eine bisher noch unbekannte deistische, antichristliche Schrift aus dem 16. Jahrhundert, Zeitschrift für historische Theologie 6/ 2 [1836], 180-259, hier: 200; dazu W. Schröder, Ursprünge des Atheismus. Untersuchungen zur Metaphysik- und Religionskritik des 17. und 18. Jahrhunderts [Quaestiones 11], Stuttgart-Bad Cannstatt 1998, 103.397-403; für die Verschiebungen im 18. Jahrhundert umfassend D. Menozzi, Les interpretations politiques de Jesus de l' Ancien Regime a la Revolution, Paris 1983 ); Gegenstimmen seit Christian Thomasius (vgl. M. Pott, Christian Thomasius und Gottfried Arnold, in: D. Blaufuß/ F. Niewöhner [Hgg.], Gottfried Arnold [1666-1714]. Mit einer Bibliographie der Arnold-Literatur ab 1714 [Wolfenbütteler Forschungen 61], Wiesbaden 1995, 247-265, hier: 256), z.B. zur Zeit der Studentenbewegung M. Hengel, War Jesus Revolutionär? (Calwer Hefte 110), Stuttgart 1970; ders., Gewalt und Gewaltlosigkeit. Zur »politischen Theologie« in neutestamentlicher Zeit (Calwcr Hefte 118), Stuttgart 1971; vgl auch: ders., Christus und die Macht. Die Macht Christi und die Ohnmacht der Christen. Zur Problematik einer »Politischen Theologie« in der Geschichte der Kirche, Stuttgart 1974. - Jesus als geistiger oder kultureller Revolutionär begegnet seit Lenz, Spittler und Herder bis hin zu G. Theißen, Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2000. 24 Vgl. M. Goodman, The Ruling Class of Judaea. The Origins of the Jewish Revolt against Rome A.D. 66-70, Cambridge/ New York/ Port Chester/ Melbourne / Sydney 1987, 95-97 u.ö. 25 Vgl. E.P. Sanders,Jesus andJudaism, London 1985, 61- 76; H. Mödritzer, Stigma und Charisma im Neuen Testament und seiner Umwelt. Zur Soziologie des Urchristentums (NTOA 28), Freiburg/ Göttingen 1994, 144-156; M.N. Ebertz, Das Charisma des Gekreuzigten. Zur Soziologie der Jesusbewcgung (WUNT 45), Tübingen 1987, lO0f.; Horsley, Jesus, 297-300. " Vgl. W. Speyer, Art. Fluch, in: RAC 7 (1969), 1160- 1288; auch S. Wyss, Fluchen. Ohnmächtige und mächtige Rede der Ohnmacht. Ein philosophisch-theologischer Essay zu einer Blütenlese, Freiburg/ Schweiz 1984; J. Gager (Hg.), Curse Tablets and Einding Spells from the Ancient World, New York/ Oxford 1992. 27 Vgl. A. Doll, Von der vis maior zur höheren Gewalt. Geschichte und Dogmatik eines haftungsentlastenden Begriffs (EHS 2/ 854), Frankfurt/ Bern/ New York/ Paris 1989. 28 Vgl. P. Trummer, Die Sanftmut Jesu und der Zorn Gottes. Exegetische und hermeneutische Beobachtungen zum Jesus- und Gottesbild, in: ders., Aufsätze zum Neuen Testament (Grazer Theologische Studien 12), Graz 1987, 39-79; K. Berger, Der »brutale« Jesus. Gewaltsames in Wirken und Verkündigung Jesu, Bibel undKirche51 (1991), 119-127. 29 Zum Tod in der Offb vgl. P. Lampe, Die Apokalyptiker ihre Situation und ihr Handeln, in: U. Luz / J. Kegler/ P. Lampe/ P. Hoffmann (Hgg.), Eschatologie und Friedenshandeln. Exegetische Beiträge zur Frage christlicher Friedensverantwortung (SES 101), 2. Aufl., Stuttgart 1982, 59-114, hier: 94-114; auch T. Pippin, Death and Desire: The Rhetoric of Gender in the Apocalypse of John, Louisville 1992. 30 Vgl. J.S. Pobee, Persecution and Martyrdom in the Theology of Paul (JSNT.SS 6 ), Sheffield 1985. 31 Vgl. N. Brox, Der erste Petrusbrief (EKK NT 21), Zürich/ Einsiedeln/ Köln/ Neukirchen-Vluyn 1979, 256f. und passim. 32 Vgl. C. Butterweck, ,Martyriumssucht< in der Alten Kirche? Studien zur Darstellung und Deutung frühchristlicher Martyrien (Beiträge zur Historischen Theologie 87), Tübingen 1995. 33 Vgl. R. Feldmeier, Die Christen als Fremde. Die Metapher der Fremde in der antiken Welt, im Urchristentum und im 1. Petrusbrief (WUNT 64 ), Tübingen 1992. 34 Vgl. zur »Sprache des Leids« bei Paulus: M. Schiefer Ferrari, Die Sprache des Leids in den paulinischen Peristasenkatalogen (SBB 23), Stuttgart 1991; für den weiteren neutestamentlichen Kontext vgl. etwa: E.S. Gerstenberger / W. Schrage, Leiden (Biblische Konfrontationen/ Kohlhammer TB 1004), Stuttgart/ Berlin/ Köln/ Mainz 1977. 35 Vgl. J. Ebach, Der Gott des Alten Testaments ein Gott der Rache? , in: ders., Biblische Erinnerungen. Theologische Reden zur Zeit, Bochum 1993, 81-93; ders., Der Gott des Alten Testaments ein Gott der Rache? Versuch der Klärung einer gerade von Christen immer wieder gestellten Frage, Junge Kirche 55 (1994), 130-139; ZNT 17 (9. Jg. 2006) W. Dietrich, Gott der Rache versus Gott der Liebe? Wider die Verzerrung biblischer Gottesbilder, in: W. Dietrich IM. George/ U. Luz (Hgg.), Antijudaismus christliche Erblast, Stuttgart/ Berlin/ Köln 1999, 9-27. Vgl. auch W. Dietrich/ C. Link, Die dunklen Seiten Gottes, 2. Bd., 2. Aufl., Neukirchen-Vluyn, 2004.- Vgl. auch die polemische Spitze gegen den Gott der Rache im NT bei S.L. Steinheim, Die Offenbarung nach dem Lehrbegriffe der Synagoge, Vierter Theil in zwei Abtheilungen: Fünf Monomachieen, voran geht ein Commentar zu den ersten fünf Capiteln der Genesis, Altona 1865, 198 (bezogen auf die Schlachtung des eigenen Sohnes als Sühnopfer). 36 J.M.R. Lenz, Werke und Briefe in drei Bänden 2: Lustspiele nach dem Plautus. Prosadichtungen. Theoretische Schriften (insel taschenbuch 1442), Frankfurt/ Leipzig 1992, 237. Zu Michaelis' Antijudaismus vgl. A.-R. Löwenbrück, Judenfeindschaft im Zeitalter der Aufklärung. Eine Studie zur Vorgeschichte des modernen Antisemitismus am Beispiel des Göttinger Theologen und Orientalisten Johann David Michaelis (1717-1791) (Europäische Hochschulschriften 3/ 662), Frankfurt/ Berlin/ Bern/ New York/ Paris/ Wien 1995. Zum Orientalismus vgl. E.W. Said, Orientalism, London 1995 und die dadurch ausgelöste Diskussion. 37 Vgl. zusätzlich zu bisher genannten Studien z.B. N. Lohfink, Der Weg aus der Gewalt, in: ders., Kirchenträume. Reden gegen den Trend, 5. Aufl., Freiburg/ Basel/ Wien 1988, 112-135; N. Lohfink/ R. Pesch, Weltgestaltung und Gewaltlosigkeit. Ethische Aspekte des Alten und Neuen Testaments in ihrer Einheit und ihrem Gegensatz (Schriften der Katholischen Akademie in Oda Wischmeyer (Hrsg.) Paulus Martin Leutzsch Gewalt und Gewalterfahrung im Neuen Testament Bayern 87), Düsseldorf 1978; H. Merklein, Jesu Botschaft von der Gottesherrschaft. Eine Skizze (SBS 111 ), Stuttgart 1983, 122-124; L. Schottroff, Gewaltverzicht und Feindesliebe in der urchristlichen Jesustradition, in: dies., Befreiungserfahrungen. Studien zur Sozialgeschichte des Neuen Testaments (Theologische Bücherei 82), München 1990, 12-35; W.M. Swartley (Hg.), The Love of Enemy and Nonretaliation in the New Testament, Louisville 1992; G. Theißen, Gewaltverzicht und Feindesliebe (Mt 5,38-48/ Lk 6,27-36) und deren sozialgeschichtlicher Hintergrund, in: ders., Studien zur Soziologie des Urchristentums (WUNT 19), 2. Aufl., Tübingen 1983, 160-197. 38 Vgl. G. Theißen, Soziologie der Jesusbewegung. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Urchristentums (Theologische Existenz heute 194), München 1977, 93- 103. Kritik bei R.A. Horsley, Sociology and Jesus Movement. New York 1989, 58-64.166-170. Vgl. auch Mödritzer, Stigma, 110-132, der die Ratschläge der Bergpredigt Mt 5,38-48 als »Aggressionsüberwindung durch Selbststigmatisierung« interpretiert (ebd. 123- 132). 39 Vgl. S.D. Moore/ ].C. Anderson (Hgg.), New Testament Masculinities (Semeia Studies 45), Leiden/ Boston 2004; auch M. Leutzsch, Konstruktionen von Männlichkeit im Urchristentum, in: F. Crüsemann/ M. Crüsemann/ C. Janssen/ R. Kessler/ B. Wehn (Hgg.), Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel, FS Luise Schottroff, Gütersloh 2004, 600-618. 40 Vgl. H. Wolff, Jesus der Mann. Die Gestalt J esu in tiefenpsychologischer Sicht, 4. Aufl., Stuttgart 1979; F. Alt, Jesus der erste neue Mann, 9. Aufl., München/ Zürich 1991. Leben - Umwelt - Werk - Briefe ZNT 17 (9. Jg. 2006) UTB 2767 2006, 320 Seiten, div. Abb. und Tab.,€ [D] 19,90/ SFR 34,90 ISBN 3-8252-2767-7 Das Buch ist als Lehrbuch für die Examensvorbereitung in den Fächern Evangelische und Katholische Theologie konzipiert und stellt Umwelt, Person, Werk, Briefe, theologische Themen und Wirkung des Paulus auf dem neuesten Forschungsstand dar. Besonderes Interesse gilt drei Bereichen: der Rekonstruktion des jüdischen und griechisch-römischen religiösen Umfeldes, der strukturierten, formalen und thematischen Erschließung der Briefe sowie der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des Paulus. Das Buch steht zwischen den umfangreichen Spezialdarstellungen der paulinischen Theologie und den Kurzeinführungen für einen allgemeinen Interessenlenkreis und erfüllt damit ein Desiderat der deutschsprachigen Fachliteratur. A. Francke 13