eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 9/18

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
121
2006
918 Dronsch Strecker Vogel

Die Rezeption der Apostelakten im frühen Christentum

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2006
Christine M. Thomas
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Christine M. Thomas Die Rezeption der Apostelakten im frühen Christentum 1 1. Einführung: Die apokryphen Akten als christliche Tradition Wer die mittelalterlichen Kathedralen Europas besucht, entdeckt auf den bunten Glasfenstern zahlreiche Darstellungen von Begebenheiten aus dem Leben der Apostel, die nicht aus dem Neuen Testament stammen. So findet man zum Beispiel in Chartres einige eindrückliche, aber eigentlich ganz unbekannte Darstellungen: Einmal streitet der Apostel Johannes mit dem Priestern des Artemistempels in Ephesos, ein andermal trinkt er mutig einen Becher voll Gift. Es gibt eine Vielzahl solcher Szenen auch auf anderen Fenstern aus dem 12. und 13. Jahrhundert: in Bourges ist Johannes abgebildet, wie er unversehrt einem Kessel mit kochendem Öl entsteigt; in Troyes Petrus und Simon Magus vor Nero im Wettstreit um die Auferweckung eines toten Knaben; in Chartres findet sich wiederum Johannes, der eine Frau von der Totenbahre auferweckt. Die Geschichten, auf die die Kirchenfenster anspielen, gehen alle auf die sogenannten apokryphen Apostelakten zurück, Schriften, die frühestens in das zweite und beginnende dritte Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung datieren. Diese Schriften gehören damit zu den frühesten bekannten christlichen Erzählungen. Sie dienen demselben Zweck wie die neutestamentliche Apostelgeschichte: Sie berichten vom Geschick der zwölf Jünger Jesu, wurden aber nicht in den neutestamentlichen Kanon aufgenommen, als dieser im vierten Jahrhundert n.Chr. seine endgültige Gestalt annahm. Dem nichtkanonischen Status der apokryphen Akten zum Trotz bieten sie doch die eigentliche telalter. Ihre Erzählungen sind im Laufe der frühen christlichen Kunstgeschichte vielfach aufgegriffen worden. Ohne die Akten hätten wir wenig oder keine Informationen darüber, in welche Länder die Apostel die christliche Mission brachten, noch wüßten wir etwas über die ersten Konvertiten, über Wunder, die die Apostel vollbrachten und über ihr Todesschicksal. Die kanonische Apostelgeschichte berichtet uns nicht, daß der Apostel Thomas Kirchen in Indien gründete, aber die Thomasakten tun es. Im Neuen Testament hören wir nichts von Thekla, der mutigen jungen Frau, die sich von Paulus' Verkündigung angezogen fühlte, Heim und Verlobten verließ, um auch das Evangelium zu predigen, und die eine der bekanntesten Heiligen des Ostens wurde. Ihre Geschichte wird allerdings breit in den Paulusakten verhandelt. Derselbe Text berichtet von Paulus' Enthauptung in Rom unter Nero, ein Detail, das Lukas in der Apostelgeschichte merkwürdigerweise verschweigt. Und während Lukas Petrus in Jerusalem verläßt, erzählen uns die Petrusakten, wie er nach Rom kam, eine doch recht wichtige Information über den ersten Inhaber des »Stuhles Petri«. Die Geschichten aus den apokryphen Apostelakten ebenso wie ihre bildlichen Repräsentationen üben Einfluß bis in die Moderne aus. Die Oper »Nerone« von Arrigo Boito verarbeitet in einigen Szenen die Begegnung zwischen Petrus und dem Erzhäretiker Simon Magus, wie sie zuerst aus den Petrusakten bekannt ist. Das Hollywoodepos »Quo Vadis? « von 1951 verdankt seine Handlung derselben Schrift und darüber hinaus sogar den Filmtitel. Nachdem Petrus für Quelle für nahezu alle Einzelheiten, die wir aus dem Leben der Jünger nach J esu Kreuzigung kennen. Die Apostelakten bildeten die Basis für eine ganze Reihe liturgischer Kompositionen durch die gesamte christliche Antike hindurch und bis hinein ins Mit- >~Dem nichtkanonischen Status de? C apokryphen Akten zum einige Zeit in Rom gelehrt hat, flieht er auf Anraten seiner Schüler aus der Stadt, um der Gefangenschaft und dem sicheren Märtyrertod zu entgehen nur um Jesus zu treffen, der auf dem Weg in die Hauptstadt ist. »Quo vadis, domine? «, fragt Petrus ihn. 52 Trotz bieten sie doch die eigentliche Quelle für nahezu alle Einzelheiten, die wir aus dem Leben der Jünger nach JesuKreuzigung kennen.« ZNT 18 (9. Jg. 2006) Christine M. Thomas Die Rezeption der Apostelakten im frühen Christentum Christine M. Thomas Professorin Christine M. Thomas absolvierte ein Studium der klassischen Philologie und alten Geschichte an der University of Minnesota und der Eberhardt-Karls Universität, Tübingen, 1995 Promotion in Religionswissenschaften an der Harvard University. Nach einemJuniorstipendium mit der Society of Fellows in Harvard (1993-96) trat Christine M. Thomas ihre Stelle an der Religionswissenschaftlichen Abteilung. der University of California, Santa Barbara, an, wo sie als Associate Professor unterrichtet. Seit 1991 ist sie der archäologischen Arbeit in der Türkei verbunden und leitet zur Zeit Grabungsprojekte in Ephesus und Metropolis an der Westküste der Türkei. Prof. Thomas ist als Autorin, Herausgeberin und Übersetzerin aktiv. Derzeit befinden sich von ihr sechs Bücher und vierzehn Artikel im Druck, die sich vorwiegend mit den christlichen Apokryphen und den Religionen des antiken Kleinasien befassen. Christine Thomas lebt in Santa Barbara mit ihrem Mann, einem kleinep Sohn und einer großen, faulen Katze. Weitere Informationen unter: http: / / www.religion.ucsb.edu/ faculty/ thomas.htrnl »Wohin gehst du, Herr? « Als der Heiland sanft antwortet: » Ich gehe nach Rom, um gekreuzigt zu werden«, sieht der ewig wankelmütige Petrus schlagartig ein, daß es ihm vorherbestimmt ist, dem Meister nachzufolgen; prompt kehrt er um, mutig dem eigenen Kreuzestod entgegenschreitend. Die Filmversion hält diese alte Erzählung nicht in buntem Glas fest, sondern im farbenprächtigen Technicolorverfahren der S0er Jahre des letzten Jahrhunderts. 2. Die Entstehung der apokryphen Akten Die frühesten apokryphen Apostelakten sind die ZNT 18 (9.Jg. 2006) fünf Schriften, die Paulus, Petrus, Johannes, Thomas und Andreas zugeschrieben werden. Diese fünf datieren in der frühesten schriftlichen Form, die für uns greifbar ist, in das späte 2. bzw. frühe 3. Jahrhundert n.Chr. Mit Ausnahme möglicherweise der Thomasakten sind alle Schriften ursprünglich in Griechisch geschrieben, jedoch ist ihr Erhaltungszustand ausgesprochen fragmentarisch und wichtige Passagen jeder Schrift sind nur in frühen Übersetzungen erhalten. Von den Petrus-, Johannes- und Thomasakten sind ausführliche Passagen erhalten. Die Thomasakten scheinen sogar fast vollständig vorzuliegen, allerdings unterscheiden sich die syrische und die griechische Version des Textes bedeutend voneinander, und es ist nicht klar, welche der beiden die ursprünglichere Fassung darstellt. Etwa drei Viertel der Johannesakten sind als lange Auszüge in verschiedenen Manuskripten enthalten. Für die Petrusakten ist anzunehmen basierend auf der Zeilenzählung der Stichometrie des Nikephoros, des Patriarchen von Konstantinopel, der im frühen 9. Jh. für uns der letzte Zeuge ist, welcher diese Schrift in ihrer Gesamtheit gesehen zu haben scheint -, daß wir gegenwärtig zwei Drittel des Originals besitzen. Doch ist dieser Text nur in einem langen lateinischen Fragment erhalten, den Actus Vercellenses, die als eine Art Vorspiel einer Abschrift der Pseudoklementinen beigefügt sind, welche die Abenteuer des Petrus und seines Schülers Klemens, der schließlich zum römischen Bischof avancierte, erzählen. Von den Paulusakten ist der gesamte Zyklus der Theklageschichte recht gut im griechischen Original erhalten, ebenso die Geschichte von Paulus' Märtyrertod, doch sonst ist die Erzählung sehr fragmentarisch. Noch bruchstückhafter ist der Erhaltungszustand der Andreasakten: Hier gibt es außerhalb des Martyriumsberichts gar keine zusammenhängende Erzählung, sondern nur einzelne, fragmentarisch erhaltene Teile der Gesamterzählung.' Obwohl diese Werke aus dem zweiten bzw. dritten Jahrhundert stammen, gibt es doch einige Anzeichen, die auf ihre früheren schriftlichen oder mündlichen Quellen verweisen. Besonders im Fall der Petrusakten, die in einem längeren ununterbrochenen Abschnitt erhalten sind, hat die Quellenkritik interessante Ergebnisse zutage gefördert. Spuren im Text verraten, daß ein späterer Redaktor einigermaßen ungeschickt verschiedene 53 schriftliche Vorlagen miteinander verwoben hat, allerdings lassen sich diese Vorlagen nicht mehr präzise rekonstruieren.' Wiederum weisen viele der apokryphen Akten zwei oder mehr Episoden gleichen Inhalts auf. Die Varianten mögen ursprünglich auf mündliche Erzähltradition zurückgehen, in der man ein und dieselbe Geschichte wieder und wieder erzählte, jedes Mal ein wenig verschieden. So wird zum Beispiel Paulus' Schülerin Thekla zweimal zum Tode in der Arena verurteilt, beide Male, weil sie das amouröse Ansinnen eines mächtigen Mannes zurückweist: In der ersten Variante der Erzählung ist es ihr Verlobter Thamyris in Ikonion, der von edler Abstammung ist, das zweite Mal der Syriarch 4 Alexander in Antiochia. Petrus macht es zwei jungen Frauen unmöglich, mit ihren Verehrern davonzulaufen, indem er Gott bittet, sie physisch untauglich zu machen: Einmal fällt eine gewisse Gärtnerstochter tot um, nachdem er auf diese Weise für sie eintritt, das andere Mal wird seine eigene Tochter in Antwort auf sein Gebet gelähmt. Zusammengenommen lassen sich in den fünf frühen apokryphen Akten auch sieben Beispiele auflisten, die insgesamt dreizehn Frauen betreffen und die am besten typisiert werden als »Keuschheits-Verfolgungs- Geschichten«, weil in ihnen Keuschheit als ein entscheidender Bestandteil der Evangeliumsnachfolge angesehen wird. In diesen Erzählungen werden die Apostel immer wieder als erfolgreich darin porträtiert, verheiratete Frauen zur Enthaltsamkeit von ihren Männern zu überzeugen. Die erbosten Männer reagieren mit Inhaftierung der Apostel und es folgt meistens auch deren Hinrichtung.' Für die frühe Datierung sprechen nicht nur die Anzeichen, die auf schriftliche und mündliche Quellen deuten, auch das Erzählmaterial selbst weist auf das erste nachchristliche Jahrhundert. Die Liste der Charaktere in diesen Erzählungen ist gesättigt mit Persönlichkeiten des ersten Jahrhunderts. Nicht nur die offensichtlichen, zentralen Charaktere, die Apostel und die Kaiser, die sie töten lassen, sondern auch viele der Nebenakteure, Personen, die weder in den Akten noch in der Geschichtsschreibung einen wichtigen Platz für sich beanspruchen, stammen aus dieser frühen Zeit. Die »Königin Tryphaina« zum Beispiel in den Paulusakten, die ihr Haus in Antiochia der Thekla öffnet und sie unterstützt, nachdem Thekla dem sicheren Tod in der Arena entgangen ist, 54 ist Antonia Tryphaina, ein Mitglied der königlichen Familie von Pontos, die durch Münzen und Inschriften des ersten Jahrhunderts belegt ist. Sie war die Ehefrau des Königs Kotys, Mutter Ptolemon II., Urenkelin des Markus Antonius und eine entfernte Verwandte des regierenden Kaisers Claudius. Tryphaina regierte solange ihr Sohn, der die Herrschaft von 37/ 38 bis 63 n.Chr. innehatte, noch minderjährig war, daher ihre Titulierung als Königin in den Paulusakten. 6 Ebenso dürfte Marcellus, der illustre Bekehrte des Petrus in den Petrusakten mit Granius Marcellus zu identifizieren sein, der aus den Annalen des Tacitus bekannt ist. Er war während der Herrschaft des Tiberius Statthalter von Bithynien und wurde der Veruntreuung und des Verrates angeklagt (Ann. 1.74). Nun dürften Tacitus' Annalen kaum zur Bettlektüre des oder der Autoren der Petrusakten gehört haben, der oder die sehr wahrscheinlich kein Latein konnten, daher darf man hier wohl mündliche Überlieferung im Hintergrund vermuten.' Die meisten der frühen apokryphen Akten weisen zudem Vertrautheit mit spezifischen lokalen Bedingungen und Traditionen auf. Die Thomasakten beispielsweise sind Bestandteil eines größeren Korpus von Literatur, das man in der Gegend von Edessa lokalisieren kann. Das Thomas-Buch und das Thomasevangelium, die in koptischer Übersetzung in Nag Hammadi gefunden wurden, gehen sehr wahrscheinlich auf syrischen Ursprung zurück und teilen viele Motive mit den Thomasakten, z.B. die starke Entwertung aller Körperlichkeit, Wanderaskese sowie die Annahme, jeder Gläubige habe einen göttlichen Zwilling. Die Thomasakten sind in voneinander abhängigen syrischen und griechischen Versionen erhalten und auch das ist typisch für zeitgleiche christliche Werke aus Edessa. 8 Die Petrusakten spielen zwar in Rom, nehmen aber Bezug auf eine Herberge für Bithynier dort (Kap. 4) und auch auf den römischen Gouverneur für Bithynien, Granius Marcellus. Diese Notizen stehen im Einklang mit der Lokalisierung der Adressaten des kanonischen 1. Petrusbriefs (1,1): Pontus und Bithynien, die dort unter anderen zentralanatolischen Gebieten wie Kappadokien und Galatien aufgeführt werden. Die Begebenheiten schließlich, von denen die Paulusakten erzählen, finden in Ikonion, im zentralen Kleinasien statt, wo Lu- ZNT 18 (9. Jg. 2006) Christine M. Thomas Die Rezeption der Apostelakten im frühen Christentum kas die erste Missionstätigkeit des Paulus verankert. Die Paulusakten nennen viele Personen aus Ikonion und aus dem pisidischen Antiochia, Lystra und Derbe, Gegenden für die uns solche spezielle Informationen in der kanonischen Apostelgeschichte fehlen: Im Unterschied zu den 65 namentlichen Genannten in den Paulusakten, kennt Lukas nur einen einzigen Christen aus dieser Gegend namentlich - Timotheus von Lystra (Apg 16,1), der später an der ägäischen Küste in Ephesos bezeugt ist (1Tim 1,3). Einige der in den Apostelakten genannten Persönlichkeiten sind auch aus den Quellen des ersten Jahrhunderts bekannt, zum Beispiel den Paulusbriefen, der Apostelgeschichte und den Pastoralbriefen.9 Zwei dieser Individuen, Simon und Kleobios, sind jedoch nur in den Petrusakten bezeugt und in Hegesipps >Erinnerungen,. Hegesipps Werk aus dem zweiten Jahrhundert ist bis auf Auszüge in der Kirchengeschichte des Eusebius (IV 22,5) verloren, basierte aber wohl auf Traditionen, die denen vergleichbar sind, die von den Paulusakten verarbeitet wurden. Hegesipp hält Simon und Kleobios für die Begründer zweier der sieben Urhäresien und sie werden auch in den Paulusakten (Kap. 8) als gnostische Häretiker des 1. Jahrhunderts eingeführt. 3. Kanonizität Ebenso wie manche anderen Werke, die später aus dem Kanon ausgeschlossen wurden, zitierten die Kirchenväter die apokryphen Akten ebenso wie die Schriften, die schließlich kanonisch wurden. Häufiger als direkte Zitate aus den apokryphen Akten begegnen Bezugnahmen auf die Erzählungen, die sich darin finden. So ist Hippolyt von Rom der erste Kirchenschriftsteller, der Petrus' Konfrontation mit Simon Magus in Rom erwähnt (Refutatio 6.15). Da Hippolyts Werk nach 222 n.Chr. geschrieben ist, die Petrusakten allerdings schon etwa 175 n.Chr., ist es wahrscheinlich, daß Hippolyt seine Informationen von dort bezog. Tertullian (160-210 n.Chr.), der erste Schriftsteller, der die Geschichte von Johannes' Leiden im kochenden Ölkessel kennt (De praescriptione 36), mag seine Information auf ähnliche Weise aus den J ohannesakten bezogen haben, denn wir wissen, daß er mindestens auch die Paulusakten kannte ZNT 18 (9. Jg. 2006) (s.u.). Origenes (185-254 n.Chr.) erwähnt als erster Kirchenvater, daß Petrus mit dem Kopf nach unten gekreuzigt wurde (bei Eusebius, Kirchengeschichte II 1), ein Detail, das er von demselben apokryphen Text erfahren haben könnte. Eine Passage in Tertullian (De baptismo 17, etwa 198-200 n.Chr.) legt sogar nahe, daß einige Christen die apokryphen Akten als normative theologische Texte benutzt haben. Tertullian interpretiert die Figur der Thekla in den Paulusakten, die er für fälschlich dem Paulus zugeschrieben hält, als einen Versuch, die Autorität des Paulus zu nutzen, um Frauen zur Lehre und zum Vollzug der Taufe zu bevollmächtigen. Thekla wird in den Paulusakten tatsächlich als eine Wanderpredigerin beschrieben, die sich selbst in einer Wassergrube in der Arena tauft, weil sie glaubt, daß ihr Ende gekommen ist. Tertullian spricht ausdrücklich jene an, die diese Interpretation gutheißen (»denen aber sage ich«); dabei kritisiert er nicht das Verständnis des Textes an sich, sondern seine Echtheit als paulinisches Dokument. Er schreibt die Paulusakten einem Presbyter in Kleinasien zu, der sein Amt verlor, nachdem er die Akten geschrieben hatte. Für Tertullian ist das Beweis genug, daß der Inhalt des Werkes nicht akzeptabel für die Kirche sei. Selbst noch zu Zeiten des Eusebius (ca. 325 n.Chr.) wurden die Paulusakten von vielen Christen als echt, alt und normativ für die Lehre betrachtet. Eusebius selbst kategorisiert sie als »umstrittene« Schrift, übrigens zusammen mit einigen Schriften, die schließlich in den Kanon des Neuen Testaments aufgenommen wurden, wie zum Beispiel die Briefe des Jakobus und Judas, der 2. Petrusbrief, der 2. und 3. J ohannesbrief und die Johannesoffenbarung (Kirchengeschichte III 25). Eusebius behandelt die apokryphen Akten nicht als Gesamtkorpus, er sieht Unterschiede im Hinblick auf ihre Echtheit und theologische Akzeptabilität. Auch kennt er die Petrusakten und notiert, daß sie nicht allgemein anerkannt seien, womit er natürlich verrät, daß einige sie sehr wohl anerkennen (Kirchengeschichte III 3). Die Andreas- und Johannesakten dagegen sind Eusebius so suspekt, daß er sie nicht einmal unter die zurückgewiesenen christlichen Schriften stuft, sondern sie generell unter der Kategorie »absurd und unfromm« ablegt. Wenn man die relativ nuancierte Behandlung der Akten bei Eusebius bedenkt, ist es überra- 55 sehend, daß innerhalb recht kurzer Zeit alle apokryphen Akten dasselbe Schicksal erlitten: Keine dieser Schriften erlangte den Vorzug (der anderen umstrittenen Werken wie etwa dem Hirt des Hermas, der Didache und dem Barnabasbrief zuteil wurde), während der Spätantike in frühe griechische Manuskripte des Alten und Neuen Testaments hineinkopiert zu werden. Die komplette Marginalisierung der Akten führte schließlich auch zu deren sehr unterschiedlichem und fragmentarischen Erhaltungszustand. Die Tatsache, daß alle fünf Akten gleichermaßen zurückgewiesen wurden, mag mit ihrer zeitgleichen Akzeptanz als Korpus durch die Manichäer zusammenhängen. Die Manichäer weigerten sich, die kanonische Apostelgeschichte anzuerkennen und stützten sich stattdessen auf die apokryphen Akten, deren Autorschaft sie einem Manichäer namens Leukios Charinos zuwiesen. Sowohl Faustus von Milevis als auch Philaster (um 400 n.Chr.) bezeugen eine solche Sammlung. Diese Sammlung ist möglicherweise schon dem Herakleides, einem Schüler Manis (gest. 277 n.Chr.) bekannt gewesen, der sie in seinen Laudationes heiliger Frauen (erhalten im manichäisch-koptischen Psalter 192.25-193 .3) erwähnt. Dies zeigt, daß die frühen Manichäer die Akten als ein Korpus bereits in vorkonstantinischer Zeit lasen, kurz nach dem Tode des Gründers Mani selbst.' 0 Selbstverständlich ist die Kanonisierung ebenso wie der parallele Prozeß der »Apokryphisierung« ein Geschehen, das sich über eine lange Zeit erstreckte. Die apokryphen Akten begannen ebenso wie die kanonische Apostelgeschichte als mündliche Erinnerungen und kürzere schriftliche Erzähltexte über bemerkenswerte Begebenheiten aus dem Leben der ersten Jünger J esu. Dabei ist es allerdings klar, daß jede einzelne der apokryphen Akten um einiges später niedergeschrieben wurde als die Apostelgeschichte des Lukas. Genau wie das kanonische Werk blieben auch die apokryphen Akten anonym: Keine weist eine Verfasserangabe im Beginn des Werkes auf. Jedoch blieben die Akten anonym über den Zeitpunkt hinaus, an dem dies als akzeptables Indiz für Echtheit und frühe Entstehungszeit galt. Die kanonische Apostelgeschichte entging diesem Schicksal, weil sie mit dem Evangelium, das man später dem Autor Lukas zuschrieb, verbunden ist. Im Vorspann von Evangelium und Apostelgeschichte wird ein 56 bestimmter Theophilus angesprochen, die Apostelgeschichte gibt sich darüber hinaus als ein zweites Werk zu erkennen, das die Erzählungen des Evangeliums fortsetzt. Als daher das anonyme Evangelium schließlich Lukas zugewiesen wurde, um ihm seine apostolische Autorität zu sichern, wurde derselbe Autor auch für die Apostelgeschichte in Anspruch genommen. Eusebius behandelte als eines der wichtigsten Kriterien für Kanonizität, ob einer der Autoren, die »zur Sukzession der kirchlichen Schriftsteller gehören«, ein bestimmtes Werk erwähnt. Das ist sicher ein bemerkenswerter, geradezu historischkritischer Maßstab, um das Alter eines gegebenen Dokuments festzustellen und nachfolgende Fälschungen auszuschließen; wenn man diesen Maßstab jedoch praktisch anwendet, ergeben sich dabei sogleich zwei ernsthafte Probleme im Hinblick auf die apokryphen Akten. Zum einen ist die Konzentration auf die »kirchlichen« Schriftsteller problematisch, denn sie kamen aus städtischen Zentren des Imperiums, Rom oder Alexandria zum Beispiel, und nicht aus den Gegenden, mit denen die Akten verknüpft sind und wo sie wahrscheinlich ihre größte Verbreitung hatten, nämlich dem kleinasiatischen Hinterland oder Edessa. Des weiteren ist es schwierig, irgendwo direkte Zitate aus den Akten zu finden, einfach weil sie zum Großteil erzählende Texte sind. Sicher hat jede der fünf apokryphen Akten lange theologische Passagen, die Reden der Apostel wiedergeben, jedoch handelt es sich dabei nicht um den J esusworten in den Evangelien vergleichbares »Spruchmaterial«. Diese Reden wurden von den Autoren, die sie zitieren, auch nicht mit derselben Ehrfurcht behandelt wie etwa J esusworte. Die Reden in den Akten sind denen in der Apostelgeschichte verwandt, die, wie überhaupt Reden in der antiken Geschichtsschreibung, immer auch eine metatextuelle Funktion erfüllen. Sie erlauben den Autoren, die Ereignisse zu kommentieren, ihre Ursachen sowie die Motivationen der Akteure zu erforschen und schließlich eine übergreifende Geschichtsphilosophie zu artikulieren. Meistens greifen Kirchenschriftsteller bestimmte Episoden aus den Erzählungen der Akten auf, oft ohne Quellenangabe. Freilich hörte die mündliche Tradition nicht einfach auf, nachdem die Akten niedergeschrieben waren, daher ist es im Einzelfall schwierig auszumachen, woher genau ein Autor ZNT 18 (9. Jg. 2006) Christine M. Thomas Die Rezeption der Apostelakten im frühen Christentum seine Kenntnis einer bestimmten Episode hat. Schließlich fungierten die Akten auch als Quellentexte für zahlreiche spätere Schriften über die Apostel, schon von daher kann man häufig kaum bestimmen, welchen von einer Reihe eng verwandter Texte ein Kirchenschriftsteller zu Rate gezogen hat. Alle diese Faktoren tragen zu der Schwierigkeit bei, vor der sich moderne Wissenschaftler ebenso sehen wie dereinst Eusebius, Zitate aus den apokryphen Akten in anderen frühen christlichen Werken wiederzufinden. 4. Das spätere Schicksal der apokryphen Akten Ausschluß aus dem Kanon ist nicht gleichbedeutend mit Ausschluß aus der christlichen Tradition. Obwohl die »Apokryphisierung« der Akten ihren Gebrauch als normative theologische Dokumente verhinderte, war es nicht das Ziel der Kanonisierung, Menschen vom Lesen nichtkanonischer Schriften abzuhalten. Einige der apokryphen Akten wurden sicher von manchen in der Kirche als normativ betrachtet, aber viele hielten sie für erbauliche Geschichten von verehrten christlichen Vorbildern, Schriften, die, obwohl nicht normativ, so doch alt, wertvoll und nützlich zu lesen waren. Daher verschwanden die Akten nie ganz aus der christlichen Tradition, sondern führten ein langes und reiches Weiterleben in zahllosen Erzählungen und ikonographischen Darstellungen. Wie auch das Neue Testament wurden die Akten beinahe von ihrer ersten Bezeugung an als schriftliche Quellen in eine Unzahl von Sprachen übersetzt und verbreitet, wobei die meisten dieser Übersetzungen auf das 4.-6. Jh. n.Chr. zurückgehen. Passagen der frühesten Akten existieren in griechischen, lateinischen, koptischen, syrischen, armenischen, arabischen, äthiopischen und altkirchenslawischen Fragmenten und bezeugen die Tatsache, daß die Akten in jedem Winkel des Reiches Leser fanden. Doch erfährt man dadurch nicht nur von der großen Popularität dieser Texte, sondern auch von der Art und Weise, wie diese Texte in den regionalen Kirchen Fuß fassten, durch Mönche nämlich, die selbst nicht in den beiden Hauptsprachen der Zeit - Griechisch und Lateinisch zu Hause waren. Zusätzlich zu dieser Vielzahl an Übersetzun- ZNT 18 (9. Jg. 2006) gen wurden Neuerzählungen der Texte angefertigt, diese vornehmlich in Lateinisch, Griechisch und Syrisch. Sie datieren ebenfalls typischerweise in das 4.-6. Jh. n.Chr. und benutzen die Akten als eine Art Basistext. Dabei wurde entweder die Erzählung derart gekürzt, daß nur noch Verhaftung und Martyrium des Apostels zur Darstellung kamen, dazu die Szenen, die der Verhaftung unmittelbar vorausgehen. So wurde beispielsweise der letzte Teil der Petrusakten zunächst als das »Martyrium des Heiligen Apostels Petrus« (4. Jh. n.Chr.) neu entworfen und dem Bischof Linos zugeschrieben, sodann als das »Leiden der Heiligen Apostel Petrus und Paulus« (5. Jh. n.Chr.), zugeschrieben dem Marcellus. 11 Solche Texte wurden als Teile der Märtyrer- und Heiligenkalender benutzt und am Tag des entsprechenden Heiligen verlesen. Dementsprechend haben wir für alle der apokryphen Akten eine recht gute Bezeugung des originalen griechischen Textes in Exzerpten, die nur das Martyrium umfassen. Die Kopisten übernahmen nur diesen Teil der längeren Akten für den liturgischen Gebrauch und ignorierten den Rest. Dann wieder findet man Beispiele, wo ein Kirchenschriftsteller den Inhalt der Erzählung beibehalten, aber in eine theologisch akzeptablere Form gegossen hat. Viele der Episoden aus den Andreasakten zum Beispiel sind nur in einem Auszug erhalten, den Gregor von Tours im 6. Jh. unter dem Titel »Das Buch der Wunder des Heiligen Apostels Andreas« (Liber de Miraculis Beati Andreae Apostoli) veröffentlicht hat. Ähnlich hat Abdias im späten 6.Jh. die J ohannesakten in den Virtutes I ohannis neu erzählt. Diese späteren Schriften benutzen die frühen apokryphen Akten als Quelle für ihre Erzählungen, bewahren aber nicht den Wortlaut der Akten. Das Anliegen hier ist weniger streng martyrologisch als hagiographisch, denn der Akzent liegt ganz auf den Wundern und Bekehrungen, die die Apostel vollbrachten. In all diesen verschiedenen Wiederverwendungen der Akten wurden die Reden der Apostel entweder theologisch gesäubert oder völlig ausgelassen. Als Petrus sich dem Kreuz nähert, an das er kopfüber geschlagen werden wird, erklärt er in einer Rede in den Petrusakten, daß er darin dem Vorbild des ersten Menschen folgen wird, der mit dem Kopf nach unten (wie ein Säugling geboren 57 wird) in die Welt kam, daher rechts und links verwechselte und folglich auch in anderen Hinsichten völlig desorientiert war. 12 Diese philosophische Reflektion über den Eintritt der Sünde in die Welt mit Adam wurde in späteren Neufassungen (Pseudo-Hegesipp, Pseudo-Marcellus) durch Petrus' Bitte ersetzt, kopfüber gekreuzigt werden zu wollen, weil er nicht würdig sei, in der gleichen Weise sein Ende zu finden wie sein Herr. Auch das »Buch der Wunder« des Gregor von Tours schneidet mißliebiges theologisches Material heraus. Wie Gregor selbst berichtet, hatte er eine Kopie der Andreasakten gefunden, die »aufgrund ihrer exzessiven Wortfülle von manchen als apokryph bezeichnet wird. Daher befand ich es für richtig, daraus nur die Wunder zu exzerpieren und alles auszulassen, was Verdruß bereitet« (aus dem Prolog). Indem er die langen Redepassagen mit ihrem philosophischen und theologischen Material aussparte, reinigte Gregor den Text von seiner häretischen Wortfülle und stillte zugleich seine eigene Langeweile, die er offenbar dem Material gegenüber empfand. Den frühen Akten vergleichbare Literatur wurde im Laufe der Zeit für alle zwölf Apostel geschaffen, aber auch für nichtapostolische Persönlichkeiten wie z.B. den Evangelisten Markus. Diese Texte variieren sehr, sowohl nach Entstehungsdatum wie Inhalt, wobei die Philippusakten zwar ein Jahrhundert nach den frühen apokryphen Akten datieren, diesen aber nach Form und Inhalt sehr nahe stehen. 13 In einen ähnlichen Zeitraum wie die Philippusakten sind wohl auch die »Akten des Andreas und Matthias« zu datieren, die am Anfang einer Tendenz stehen, weniger bekannte Apostel in Paaren zu verhandeln, so wie auch in den »Akten des Andreas und Bartholomäus«, den »Akten des Bartholomäus und Barnabas« und der »Passion des Simon und Judas«, die den Märtyrertod sterben müssen, weil sie in Persien Zauberer konfrontieren. Alle diese Texte aus späterer Zeit enthalten typischerweise einige Episoden aus dem Leben der Apostel und einen Bericht über ihre Verhaftung sowie Hinrichtung.14 Hinzu kommen ab dem späten 4. Jh. n.Chr. eine ganze Reihe von Schriften, die eine Art Überblick über das Leben und Sterben aller zwölf Apostel darstellen, wobei jeweils eine kurze Passage einem der Apostel gewidmet ist. Die frühesten Akten in diesem Stil werden Hegesipp 58 zugeschrieben (4.Jh. n.Chr.), andere Abdias und Melito. Die Arbeit an solchen Neuauflagen der Apostelakten kulminierte in den »Goldenen Legenden« (Legenda aurea), einer Zusammenfassung von Geschichten, die über die Apostel kursierten und die von Jakob von Vorago um 1260 n.Chr. besorgt wurde. Ganz in den Spuren der späteren Aktenliteratur kompilieren die »Goldenen Legenden« Taten und Wunder der Apostel im Einklang mit der hagiographischen Literatur über andere, nichtapostolische Heilige. Sie dienen nunmehr maßgeblich dazu, gute Beispiele für christliches Benehmen zu liefern. Die Tatsache allerdings, daß überhaupt neue Akten allen Aposteln gewidmet wurden, eben auch den ganz unbedeutenden mit lauter unzusammenhängenden Details, zeigt, daß hier auch eine gewisse Neugierde auf das Schicksal dieser wichtigen ersten Christen zu befriedigen war. Die Bedeutung der christlichen Kunst wird im Verhältnis zu den Texten oft unterschätzt, aber es ist deutlich, daß von der Antike bis ins Mittelalter Bücher viel weniger wichtig im Hinblick auf die Verbreitung der christlichen Tradition waren als etwa Predigten, Liturgien und Bilder. In diesen drei Genres gibt es reichlich Belege für die Präsenz von Traditionen, die letztlich auf die apokryphen Akten zurückgehen. Da jeder der Apostel auch als Heiliger galt, wurden seine Taten zum Objekt zahlreicher Predigten an seinem Festtag, die apokryphen Akten wurden zur Basis der Hagiographien, Lektionare bzw. Synaxarien in der östlichen orthodoxen Kirche. Szenen aus dem Leben der Apostel waren beliebter Gegenstand christlicher Kunst in allen Medien, von den spätantiken Sarkophagen über liturgische Gerätschaften, Kirchendekorationen in Mosaiken, Malereien und Glasfenstern. Die vierzehn Panelen des Zyklus, der den Taten des Johannes in der Kathedrale von Chartres gewidmet ist, folgen der Ordnung des Festes des Hl. Johannes am 27. Dezember. Dieser Apostel war im 12. und 13.Jh. besonders populär und Szenen aus seinem Leben schmücken die Kirchenfenster in Bourges, Paris (Saint-Chapelle), Tours, Troyes, Rheims, Lyon und Saint-Julien-du-Sault. 15 Christliche Kunst bildet ein wichtiges Gegengewicht zu den Texten, denn, anders als die Texttradition, versteift sie sich weniger auf die Martyrien und konzentriert sich stattdessen auf ZNT 18 (9. Jg. 2006) Christine M. Thomas Die Rezeption der Apostelal<ten im frühen Christentum die anschaulichen Taten der Apostel; wenn der Buchstabe tötet, so ist es die bildende Kunst, die die Apostel wieder zum Leben erweckt. Einige der Lieblingsdarstellungen sind hier Petrus und der sprechende Hund in ihrer Begegnung mit dem Erzhäretiker Simon Magus; Simon Magus beim Sturz in seinen Tod, als er erfolglos zu fliegen versucht; Thekla im Feuer oder von wilden Tieren umgeben; Johannes die tote Drusiana wiederbelebend, mitten aus ihrem Leichenzug heraus; Andreas, der die Dämonen in der Gestalt wilder Hunde bändigt. Die Tatsache, daß diese Szenen in künstlerischen Darstellungen in den Kirchenräumen und sogar auf liturgischen Gerätschaften auftauchen, zeigt, daß sie völlig als christliche Tradition akzeptiert waren, wie immer man sich auch zur Kanonizität der literarischen Quellen dieser Bilder stellte. Viele der Bildtypen, die man in den Repräsentationen der apokryphen Akten wiederfindet, gehen vielleicht ursprünglich auf Illustrationen in den Manuskripten zurück, die zusammen mit den Texten immer und immer wieder kopiert wurden und daher möglicherweise in die frühesten christlichen Jahrhunderte zurückreichen. Da die Erhaltung von Manuskripten stets ein heikles Unterfangen ist, bewahrt christliche Kunst manchmal unabhängig von Texten Geschichten aus den apokryphen Akten auf und ist mitunter sogar der einzige Zeuge einer Geschichte, wie z.B. die Bekehrung des jugendlichen Räubers durch Johannes. Clemens von Alexandria erwähnt diese Geschichte (Quis dives 42), doch ist sie sonst nicht mehr erhalten. Die prominente Position, die die apokryphen Akten in der kirchlichen Tradition einnehmen, leschluß aller anderen frühen christlichen Erzählungen sowie schließlich der Angriff auf die Hagiographie. Immerhin waren die Apostel die ersten Heiligen. Da auch die moderne Forschung, die sich mit dem Frühchristentum befaßt, stark durch den Protestantismus geprägt ist, wird das Resultat dieser Tendenzen im Umgang mit den apokryphen Akten weiter verstärkt. 5. Theologische Tendenz und Wert Die apokryphen Akten der Apostel sind im Laufe der Forschungsgeschichte beharrlich theologisch unterschätzt worden. Einer ihrer frühen Herausgeber, Lipsius, charakterisierte sie alle als gnostische Texte mit einer leichten katholischen Überarbeitung,1' eine recht merkwürdige Beurteilung, wenn man bedenkt, daß zumindest die Paulusakten einen Brief (3. Korintherbrief) des Paulus enthalten, in dem er ausdrücklich gegen Doktrinen der »Gnostiker« Stellung bezieht. Zunächst herrschte in der Forschung einigermaßen Unklarheit darüber, wer die Gnostiker eigentlich waren und was sie glaubten, da so wenige ihrer Schriften überlebt hatten. Die einzig erhaltenen ausführlichen Quellen über die Gnostiker stammten von den Häresiologen, Kirchenschriftstellern, die die Gnostiker für Feinde und eine Bedrohung der sich entwickelnden christlichen Lehre hielten. Daher waren moderne Forscher bis zu einem gewissen Grade dazu verdammt, die antiken häresiologischen Beurteilungen nachzuvollziehen, die im Laufe der Zeit auch noch dazu tendierten, alle als häretisch eingestufgen die Annahme nahe, daß ihre endliche Marginalisierung sofern man wirklich davon sprechen kann mit Tendenzen zusammenhängt, die sich der protestantischen Reformation verdanken und der Moderne generell: Die Ablehnung von Bildern, die Entwertung der christlichen Kunst, die Betonung des originalen Textes gegenüber dem Erzählen und Wiedererzählen » Die prominente Position, die die apokryphen Akten in der kirchlichen Trad: ition einnehmen, legen die Annahme nahe, daß ihre endliche ten Gruppierungen unter einer Überschrift, nämlich »gnostisch«, abzuhandeln. Das war sicher weitestgehend dadurch bedingt, daß die kirchlichen Schriftsteller mehr und mehr den Kontakt mit den andersgläubigen Gruppen verloren und daher in gar keiner ernsthaften theologischen Diskussion mehr mit ihnen standen. Die- Marginalisierung [. ..] mit Tendenzen zusammenhängt, die sich derproustantischen Reformation verdanken und der Moderne generell ... « se Situation änderte sich drain der mündlichen Tradition, das Prinzip der sola scriptura mit dem damit einhergehenden Ausmatisch, als 1945 die koptisch gnostischen Texte bei Nag Hammadi gefunden wurden, die drei- ZNT 18 (9. Jg. 2006) 59 zehn Codices aus der Feder der Gnostiker selbst bieten. Seit diesem Fund besteht Klarheit darüber, daß »die Gnosis« nicht ein Monolith war, sondern eine ganze Anzahl verschiedener theologischer Richtungen umfaßte, und zwar so verschieden, daß der Sammelterminus »Gnosis« möglicherweise gar nicht sinnvoll anzuwenden ist. 17 Die genauere Kenntnis des Phänomens, die wir den koptischen Texten verdanken, führte zu der Einsicht, daß viele der heterodoxen Dokumente, die man zuvor der »Gnosis« zugeschlagen hatte, tatsächlich wenig mit den Nag Hammadi-Texten zu tun haben und als theologisch distinkt von jenen zu betrachten sind. Auch die apokryphen Akten fallen unter diese Gruppe von Dokumenten. Dem theologischen Verständnis der Akten ist nicht dadurch geholfen, daß man sie selektiv liest, indem man sich auf den Unterhaltungsaspekt der Geschichten über sprechende Tiere und aufsässige Ehefrauen verlegt und die langen, theologischen Reden der Apostel außer Acht läßt. Nur durch solche selektive Wahrnehmung haben Forscher in der Vergangenheit behaupten können, die apokryphen Akten wollten hauptsächlich unterhalten und seien nicht primär als theologische Werke intendiert. Was die Tiergeschichten betrifft, so hat die Vorliebe der modernen Leserschaft für diskursive Theologie oft den Blick für die narrative Theologie in diesen Dokumenten verstellt, die theologischen Gehalt durch Geschichten vermittelt. Die Johannesakten (Kap. 60-61) erzählen von Johannes Aufenthalt in einer Herberge, die mit Wanzen verseucht ist. Nachdem er sich genügend schlaflos im Bett gewälzt hat, befiehlt Johannes schließlich den Wanzen, sein Bett zu verlassen. Die Krabbeltiere gehorchen sogleich und stellen sich in ordentlichen Reihen außerhalb der Tür auf. In den Paulusakten nähert sich ein Löwe dem Paulus, um von ihm die Taufe zu erbitten. Paulus willigt ein und der Löwe zieht fort, um fürderhin ein asketisches Leben zu führen. Als Paulus einige Zeit später die Arena betritt, um sich den wilden Tieren zu stellen, trifft er denselben Löwen, der, wie sein treuer Vorgänger in der Sage von Androkles und dem Löwen, sich weigert, Paulus irgendein Leid anzutun und öffentlich seine Taufe durch Paulus bezeugt (P.Heid., S. 4-5). Ganz ähnlich übt Thekla eine Faszination, die eines Franz von Assisi würdig ist, auf die Tiere aus, die sie zerreißen 60 sollen. Die wilden Robben zeigen kein Interesse, sie zu verletzen, als sie sich in der Wassergrube, die ihr Ende hätte bedeuten sollen, selbst tauft. Die Löwin, die sie angreifen soll, liegt ihr stattdessen zu Füßen und kämpft sogar auf den Tod mit einem anderen Löwen, der gegen Thekla geschickt wird (Kap. 38). Diese charmanten Erzählungen drücken die Hoffnung aus, daß Christi Macht nicht nur Errettung für die Menschen bedeutet, sondern auch Erlösung der gesamten Schöpfung, eine Hoffnung, der nicht zuletzt Paulus selbst Ausdruck verleiht (Röm 8,9- 22). Sie spielen auch deutlich auf die Hebräische Bibel an, denn sie zeigen, daß das messianische Zeitalter, wie Jesaja es mit all den friedlichen Kreaturen beschreibt, nun wirklich angebrochen ist: Die Prophezeiung ist erfüllt. Schließlich bieten die Tiere mit ihren löblichen Charakterzügen Anschauungsunterricht für ihre menschlichen Betrachter: Wie Johannes ganz richtig bemerkt wenn die Wanzen der menschlichen Stimme gehorchen, warum gehorchen die Menschen dann nicht der göttlichen Stimme? Die erzählerische Funktion der Tiere ist dieselbe wie die der Vögel und Blumen in J esu Gleichnissen. Im Lichte neuerer theologischer Versuche, die Menschen in ihrer Umwelt, besonders in ihrer Beziehung zu den Tieren, zu verstehen, dürften die apokryphen Akten durchaus etwas mehr Aufmerksamkeit verdienen. 18 Die theologische Auswertung der apokryphen Akten steckt noch in ihren Anfängen. 19 Alle fünf Akten, manche mehr, manche weniger, sind geprägt von einer theologischen Position, die als Enkratismus bekannt ist, eine Form asketischen Verhaltens, die allen Nachfolgern Christi anempfohlen wird: Enthaltsamkeit vom Geschlechtsverkehr, der Zeugung von Kindern, von Wein und Fleisch. Enkratismus wird in den apokryphen Akten als ein Mittel gepriesen, den Körper zu reinigen, so daß Gott zum Gläubigen sprechen kann. Während über spätantiken christlichen Asketizismus, der von der nachkonstantinischen Kirche akzeptiert und gefördert wurde, viel Tinte geflossen ist, hat der Asketizismus der apokryphen Akten wenig Interesse auf sich gezogen. Er ist mit späteren asketischen Bewegungen eng verwandt und hat ebenso wichtige Verbindungen zu Theologie und Praxis der vorkonstantinischen syrischen Kirche. Schließlich wäre es durchaus ZNT 18 (9. Jg. 2006) Christine M. Thomas Die Rezeption der Apostelakten im frühen Christentum lohnend, auch die Lehren der apokryphen Akten in den Kontext kulturvergleichender asketischer Praktiken zu stellen, so wie es in letzter Zeit für den spätantiken christlichen Asketizismus geschehen ist. 20 Auch hat die theologische Wertschätzung der Akten unter der Tendenz moderner Leser gelitten, die Akten als ein von der kanonischen christder apokryphe Paulus jungen Leuten anrät, nicht zu heiraten noch Kinder zu zeugen und das »jungfräuliche Leben« lobt (Kap. 5-6), lehrt der Paulus der Pastoralbriefe, daß Frauen durch Kindergebären gerettet werden (lTim 2,15) und daß junge Witwen wieder heiraten sollen, damit sie nicht zu ungebührlichem Benehmen verleitet werden (lTim 5,11-15). Im Unterschied zur tüchlichen Literatur getrenntes Phänomen wahrzunehmen. Die literarische Beziehung zwischen den apokryphen Akten und dem Neuen Testament ist Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen, meist mit dem Ziel nachzuweisen, daß die Akten literarisch abhängig von den neutestamentlichen Schriften »Auch hat die theologische Wertschätzung der Akten unter der Tendenz moderner Leser gelitten, die Akten als ein von der kanonischen christlichen Literatur tigen Thekla, die ausgeht und das Evangelium predigt, wird den Frauen in den Pastoralbriefen verboten zu lehren oder Autorität über Männer auszuüben (lTim 2, 11-12). Es scheint, daß die beiden Textkorpora in eine Debatte über das Erbe des Paulus eingetreten sind, jedes mit dem getrenntes Phänomen wahrzunehmen.« sind ( oder auch umgekehrt in der Sicht mancher Abweichler). Sehr viel weniger Aufmerksamkeit ist der Frage zuteil geworden, wie denn diese Dokumente die theologischen Themen, die aus dem Neuen Testament bekannt sind, weiterführen und entwickeln. So müßte man sicher fragen, in welchem Sinne denn etwa die Petrusakten als »petrinisch« zu bezeichnen wären oder die Paulusakten als »paulinisch« oder die Johannesakten als »johanneisch«. Die Paulusakten haben eine etwas ungewöhnliche Beziehung zu den Pastoralbriefen (1 Tim, 2Tim, Tit), Briefe, die unter dem Namen des Paulus geschrieben sind, die die Mehrheit der Forscher jedoch als nicht aus der Feder des Paulus stammend beurteilt. 21 Die Akten und die Briefe nennen einige identische Persönlichkeiten im Umfeld des Paulus, jedoch nicht in derart genauer Entsprechung, die man bei literarischer Abhängigkeit erwarten würde. Z.B. Demas und Hermogenes, zwei gnostische Häretiker in den Paulusakten, sind beide auch aus den Pastoralbriefen bekannt: Hermogenes und Phygelos verlassen Paulus in Asien (2Tim 1,15), Demas in Thessalonike (2Tim 4, 10). Doch ist die Beziehung in theologischer Hinsicht noch auffälliger. Während die Paulusakten Paulus als Enkratiten zeichnen, rät der Paulus der Pastoralbriefen Timotheus zu ein wenig Wein (lTim 5,23) und warnt vor solchen, die den Menschen verbieten zu heiraten und bestimmte Speisen zu genießen (lTim 4,3). Während ZNT 18 (9. Jg. 2006) Anspruch auf seine Autorität, um sehr unterschiedliche Visionen christlichen Lebens zu verbreiten. Welches Korpus gibt Paulus zutreffender wieder? Die apokryphen Akten stehen sicherlich im Einklang mit dem Paulus, der Menschen anhielt, unverheiratet zu bleiben, so daß sie sich umso besser dem Dienst des Herrn widmen könnten, da nicht viel Zeit bis zum Ende bleibt (1Kor 7, 25-26); ebenfalls mit dem Paulus, der Regeln für die Prophetinnentätigkeit von Frauen in der Kirche aufstellte, ohne sie zum Schweigen zu verurteilen (lKor 11,2-16); und schließlich mit dem Paulus, der Frauen in gemeindeleitender Funktion grüßt, so wie Phoebe und Chloe, oder Apostel wie Junia (Röm 16,1.7; lKor 1,11). Die Lektüre der apokryphen Akten kann letztlich zu einem besseren Verständnis des Neuen Testaments selbst verhelfen, denn die Akten heben einige durchaus legitime theologische Dimensionen ans Licht, die ernsthafte Christen des 2. und 3. Jh. deutlich sahen - und diese waren Paulus und seinen Lehren ja immerhin viel näher als wir es sind. Die Petrusakten für ihren Teil malen ein Bild von Petrus, das dem der kanonischen Evangelien sehr nahe kommt, aber stärker noch ein Modell für den Umgang mit den Herausforderungen entwirft, denen sich ein christliches Leben zu stellen hat. Petrus, der mutig genug ist, Jesus auf das Wasser zu folgen und bis zu dessen Gerichtsverhandlung, verliert immer im entscheidenden Moment seine Entschlossenheit: Er versinkt im 61 Wasser und verrät seinen Herrn. Ganz ähnlich schwankt auch in den Petrusakten Petrus' Mut, als er sich der Verhaftung und seinem Märtyrertod nähert. Er flieht aus der Stadt, nur um plötzlich Jesus selbst gegenüber zu stehen eine Szene voll Zartheit und Pathos zugleich (Kap. 35). Zum ersten Mal in seinem Leben ist Petrus nun auf dieser Straße fähig, seine Unschlüssigkeit zu besiegen, bevor es zu spät ist. In seinen Reden nimmt Petrus Bezug auf seinen eigenen Kampf gegen sich selbst, als er etwa Marcellus tröstet, der, nachdem er sich zum Christentum bekehrt hatte, wieder davon abfiel und Simon Magus folgte (Kap. 7-8). Dieser Text hat sehr deutlich den Abfall vom Glauben zum Thema und findet theologische Wegweisung und Ermutigung Figur des Petrus, dem Grünin der einer Gewandtheit und psychologischen Genauigkeit verhandelt, die man vergebens in der kanonischen christlichen Erzählliteratur sucht. Es geschah sicher auch aus diesem Grund, daß solche Geschichten, obwohl apokryph, wieder und wieder erzählt und illustriert wurden von einer Kirche, die sie unbestreitbar hoch schätzte. Denn diese Geschichten boten jedem Hörer Modelle unter den allerersten Bekehrten, wie man den Zwängen und Dilemmas, die christliches Leben mit sich brachte, entsprechen könnte. Der Umgang der Apostel mit den Problemen ihrer bedrängten Nachfolger wurde für die spätere christliche Leser- oder Hörerschaft zur apostolischen Antwort an sie, apostolische Lehre für ihren Umgang mit den Schwierigkeiten christlicher Existenz, die im Neuen der der römischen Kirche. Auch treffen sich die Petrusakten mit den anderen apokryphen Akten in ihrem Augenmerk auf individueller Spiritualität. Wo die kanonische Apostelgeschichte sich auf den Moment der Bekehrung von Individuen und ganzen Gruppen konzentriert und dabei versucht, die Beziehung zwischen der Gemein- »In ihrer Verwendung als Vorlesestoff, als Quelle für Predigten, Geschichten und Kunst, prägten die apokryphen Akten alltägliches religiöses Verhalten unter den frühen Christen; sie halfen, ein Testament praktisch nicht behandelt werden. In diesen Geschichten von den apokryphen Akten wird Christentum nun wirklich in das alltägliche Leben übersetzt und das ist viel mehr als eine bloße soziale Standortbestimmung. In ihrer Verwendung als Vorlesestoff, als Quelle für Predigten, Geschichten und dezidiert christliches Selbstverständnis zu entwickeln.« schaft der Christusgläubigen und dem Volk der Juden mit seiner Geschichte herzustellen, interessieren sich die apokryphen Akten für den einzelnen Christen und seinen oder ihren Fortschritt im Glauben nach der Konversion. 22 Insbesondere beschäftigen sie sich direkt und indirekt mit dem Problem der Sünde, Apostasie und Versuchung unter denen, die schon Christen sind, sei es am Beispiel des Senators und Patrons Marcellus (wie oben erwähnt) oder des jugendlichen Räubers, der wieder in seine alten Lebensgewohnheiten zurückgeglitten ist (J ohannesakten). Johannes sorgt auch für Drusiana, eine christliche Frau, die verheiratet ist, aber enthaltsam lebt und so sehr besorgt ist um die sündhafte Anziehung, die ein junger Mann ob ihrer Schönheit zu ihr verspürt, daß sie zunächst depressiv wird, dann krank und schließlich stirbt, nachdem sie Gott gebeten hat, sie aus dem Leben abzuberufen, weil sie für einen anderen Menschen zum Stolperstein geworden war (Kap. 63-64). Diese Situationen werden mit 62 Kunst, prägten die apokryphen Akten alltägliches religiöses Verhalten unter den frühen Christen; sie halfen, ein dezidiert christliches Selbstverständnis zu entwickeln. Dank ihrer Existenz konnte der christliche Glaube gedeihen. Anmerkungen Die Übersetzung wurde von Frau Dr. Gabriele Faßbeck angefertigt. Für detaillierte Informationen über den Erhaltungszustand der fünf frühen apokryphen Akten vgl. W. Schneemelcher, Apostelgeschichten des 2. und 3. Jahrhunderts, in: Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Tübingen 1997-1999, Bd. 2. Zur Frage der ursprünglichen Sprache der Thomasakten vgl. H.W. Attridge, The Original Language of the Acts of Thomas, in: Of Scribes and Scrolls: Studies on the Hebrew Bible, Intertestamental Judaism, and Christian Origins, FS J. Strugnell, Lanham, Md. 1990, 241-245. Zu den Actus Vercellenses L. Vouaux, Les Actes de Pierre, Paris 1922, 17. Ein Überblick zu neuen Arbei- ZNT 18 (9. Jg. 2006) Christine M. Thomas Die Rezeption der Apostelakten im frühen Christentum ten zu den Johannes- und Andreasakten findet sich bei E. Junod/ ].-D. Kaestli (Hgg.), Acta Johannis, Turnhout, Belgium 1983 bzw. J.-M. Prieur (Hg.), Acta Andreae, Turnhout, Belgium 1989. G. Poupon, Les ,Actes de Pierre< et leur remaniement, ANRW 2.25/ 6, 4363-4383; C.M. Thomas, The Acts of Peter, Gospel Literature, and the Ancient Novel, New York 2003, 21-30. Der Syriarch war ein hoher regionaler Regierungsbeamter, Repräsentant des Volkes von Syria, mit kultischen und politischen Verantwortlichkeiten (Anm. der Übersetzerin). V. Burrus, Chastity as Autonomy: Women in the Stories of the Apocryphal Acts, Lewiston, NY 1987. Diese Geschichten sind alle verwandt mit einer Version, die der Märtyrer Justin erzählt (2. Apologie 2): R.M. Grant, A Woman of Rome: The Matron in Justin, 2 Apology 2.1-9, Church History 54, 461-472. Über Dublettenerzählungen in den apokryphen Akten vgl. Thomas, Acts of Peter, 64-71; D.R. MacDonald, From audita to legenda: Oral and Written Miracle Stories, Foundations and Facets Forum 2 (1986), 15-26. A. von Gutschmid, Die Königsnamen in den apokryphen Apostelgeschichten, RhM N.F. 19 (1864), 161-83, 380-401: 177-179; W.M. Ramsay, The Church in the Roman Empire before A.D. 170, London 1893, 382-389, 427-428, Anm. 2; D. Magie, Roman Rule in Asia Minor to the End of the Third Century, Princeton 1950, 1.513, 2.1368, Anm. 51. G. Ficker, Die Petrusakten: Beiträge zu ihrem Verständnis, Leipzig 1903, 38-39, 43-44; Thomas, Acts of Peter, 46-50, 59-61. B. Layton, The Gnostic Scriptures: A New Translation with Annotations and lntroductions, Garden City, NY 1987, 359-364. Titus: 2Tim 4,10 sowie aus dem an ihn gerichteten Brief; Onesiphoros: 2Tim 1,16; 4,19; Demas: Kol 4,14; Phlm 24; 2Tim 4,10; Hermogenes: 2Tim 1,15; Stephanas: lKor 1,16; 16,15; Barsabbas Justus: Apg 1,23; 15,22. Vgl. C.M. Thomas, The Acts of Paulas a Source for the Life of Paul, in: Actes du ler Congres International sur Antioche de Pisidie, Paris 2002, 85-92. 10 P. Nagel, Die apokryphen Apostelakten des 2. und 3. Jahrhunderts in der manichäischen Literatur, in: Gnosis und Neues Testament. Studien aus Religionswissenschaft und Theologie, Gütersloh 1973, 149-182, bes. 152-153, 175-176; K. Schäferdiek, Die Leukios Charinos zugeschriebene manichäische Sammlung apokrypher Apostelgeschichten, in: Neutestamentliche Apokryphen, 81-93, bes. 83-86. 11 R.A. Lipsius / M. Bonner (Hgg.), Acta apostolorum apocrypha, Leipzig 1891, 1.1-22, 118-177. 12 Das Motiv stammt ursprünglich aus Platons Timaeus (43), hat aber eine lange, davon unabhängige Geschichte, vgl. J.Z. Smith, Birth upside down or right side up, History of Religions 9 (1969), 281-303; J.-M. Prieur, »Si vous ne faites ce qui est a droite comme ce qui est a gauche«: crucification et renversement des attitudes dans la litterature chretienne ancienne, Revue d'histoire et de philosophie religieuses 81, 413-424. 13 Vgl. hierzu das relativ neue Werk von F. Bovon/ F. Amsler / B. Bouvier, Actes de l' ap6tre Philippe, Turnhout, Belgium 1996; dies., Acta Philippi: commentarius, indices, textus, Turnhout 1999. ZNT 18 (9. Jg. 2006) 14 A. de Santos Otero, Spätere Apostelakten, in: Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Tübingen 1997-1999, Bd. 2. 15 Vgl. die wertvolle Materialsammlung und -besprechung hierüber und die anderen Apostel in D.R. Cartlidge / J.K. Elliot, Art and the Christian Apocrypha, London 2001. 16 R.A. Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten und Apostellegenden: Ein Beitrag zur altchristlichen Literaturgeschichte, Braunschweig 1883-1887, 1.4ff. 17 M.A. Williams, Rethinking Gnosticism: An Argument for Dismantling a Dubious Category, Princeton 1996. 18 Vgl. C.R. Matthews, Articulate Animals: A Multivalent Motif in the Apocryphal Acts of the Apostles, in: Apocryphal Acts of the Apostles, Boston 1999. 19 In den letzten zwanzig Jahren ist viel Arbeit der theologischen Auswertung individueller Akten gewidmet worden. Repräsentative Beispiele findet man in folgenden Sammlungen (dabei ist zu beachten, daß viele der Autoren den Themen zusätzliche Artikel und Monographien gewidmet haben): F. Bovon (Hg.), Les Actes apocryphes des ap6tres: Christianisme et monde pa1en, Geneva 1981; F. Bovon/ A.G. Brock/ C.R.Matthews (Hgg.), The apocryphal Acts of the Apostles: Harvard Divinity School studies, Boston 1999; J.N. Bremmer (Hg.), The Apocryphal Acts of Paul and Thecla, Kampen, Netherlands 1996; ders., The Apocryphal Acts of John, Kampen, Netherlands 1996; ders., The Apocryphal Acts of Peter: Magie, Miracles, and Gnosticism, Louvain 1998; ders., The Apocryphal Acts of Andrew, Louvain 2000; ders., The Apocryphal Acts of Thomas, Leuven 2001; R.F.J. Stoops (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles in lntertextual Perspectives (Semeia 80), Atlanta 1997. 20 Zum Enkratismus vgl. Y. Tissot, Encratisme et Actes apocryphes, in: Les Actes apocryphes, 109-119. Zum syrischen Asketizismus des 2. nachchristlichen Jahrhunderts vgl. P. Brown, The Body and Society: Men, Women and Sexual Renunciation in Early Christianity, New York 1988, 83-102. Zum spätantiken Asketizismus in kulturvergleichender Perspektive vgl. R. Valantasis / V.L. Wimbush/ G.L. Byron/ W.S. Love (Hgg.), Asceticism, New York 1995. 21 Zur Beziehung zwischen Paulusakten und Pastoralbriefen vgl. D.R. MacDonald, The Legend and the Apostle: The Battle for Paul in Story and Canon, Philadelphia 1983. Zur Datierung der Pastoralbriefe: Diese Schriften werden erst recht spät von den Kirchenvätern zitiert (erstmals bei lrenaeus, ca.180 n.Chr.); sie fehlen auch in zwei wichtigen frühen Sammlungen von Paulus briefen, erstens P46 (Chester Beatty Papyrus II), eine Manuskriptsammlung von Paulusbriefen, die um 200 n.Chr. datiert (mit sieben anerkannt echten Paulusbriefen, dem Hebräerbrief, Epheser- und Kolosserbrief); zweitens bei Marcion (fl. 140), dessen Ausgabe der Paulusbriefe (ausgiebig zitiert in Tertullian, Adv. Marc.) nicht die Pastoralen beinhaltet, obwohl er Eph, Kol und den 2Thess kannte. 22 Ich verdanke diese Beobachtung F. Bovon, Canonical and Apocryphal Acts of Apostles, Journal of Early Christian Studies 11 (2003 ), 165-194. 63