ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
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1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
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2007
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Dronsch Strecker VogelJesu DNS-Spuren in einem Ossuar und in einem Massengrab seine Gebeine?
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Peter Lampe
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72 ZNT 19 (10. Jg. 2007) Pünktlich zur Passionszeit 2007 warteten ein Oscar- und ein Emmy-Preisträger mit Schlagzeilen auf, kaum dass der Aschermittwoch verstrich. Produzent James Cameron, weltberühmt durch Titanic und The Terminator, Dokumentarfilmer Simcha Jacobovici und eine doktorierte Entourage ließen am 4. März The Lost Tomb of Jesus über den Discovery-Channel flimmern. Zu Karfreitag erschlug der Streifen einige deutsche Zuschauer auf Pro7 im Sofa. Zugleich dürfen wir uns über das locker gestrickte Buch The Jesus Family Tomb die Augen reiben. 1 Die Filmer triumphieren über nicht weniger als den Fund der Ossuare Jesu, seiner Frau und seines Sohnes, seiner Mutter und eines Bruders. Vorgeblich neue wissenschaftliche Erkenntnis wird neuerdings auf TV-Kanälen und in Büchern für die Kaufhausauslage vorgetragen. Silberlinge klimpern im Hintergrund. Dabei fing alles harmlos an. Im März 1980 schrappten Baubagger in der Dov-Gruner-Strasse im Jerusalemer Viertel Ost-Talpiyot den Eingang eines Felsengrabes an. Yosef Gat vom Department of Antiquities and Museums setzte zur Notgrabung an. 2 Zwischen dem Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts und dem Jahre 70 n. Chr., dem Fall Jerusalems, hatten in der Gruft etwa fünfunddreißig jüdische Tote die, wie sie hofften, letzte Ruhe gefunden, etwa die Hälfte in zehn Ossuaren. Dergleichen steinerne Knochenkisten standen bei Jerusalemern fast ein Jahrhundert lang bis zum Jahr 70 in Mode. Verstorbene wurden wie Jesus von Nazareth in ein Grabtuch gehüllt und in einem Felsengrab beigesetzt. War der Leichnam verwest, betteten die Angehörigen die Gebeine in ein Ossuar. Platz war beschränkt in den Grüften. Die meisten Jerusalemer Gebeinekistchen bargen Reste von zwei Toten. 3 In die Wände der Grabkammer von Talpiyot sind sechs Schächte (Loculi) 4 eingelassen, in die je ein Leichnam geschoben wurde; heute verlorene Verschlusssteine versiegelten luftdicht. Später wurden diese Fächer geleert. In einige von ihnen wurden Ossuare gestellt, andere dienten weiter dem Neubestatten. In der Endphase des Gräberkomplexes wurden Leichname nur noch in Schacht 4 beigesetzt und in zwei Arkosolen an der Nord- und Westwand, die ursprünglich Ossuare geborgen hatten. Sechs der Ossuare von Talpiyot wurden beschriftet, 6 von 10. In der Regel tragen weniger als 60% der Gebeinekisten Inschriften. Diese überdurchschnittliche Schreibfreude trägt nichts zum näheren Identifizieren der hier bestatteten Gruppe bei, außer dass sie gebildeter als der Durchschnitt gewesen sein mag. War dies die Bauhandwerkerfamilie aus Nazareth? Drei der sieben epigraphisch belegten Namen des Gräberkomplexes ahmen die Namengebung der Hasmonäer nach: Matthäus, Judas, Josef. Das Verhältnis von griechischen zu aramäischen Inschriften beträgt 1: 5, abweichend von der üblichen Ratio von 3: 4. 5 Offenkundig mied die Gruppe das Griechische mehr als der Rest der Jerusalemer Ossuarbenutzer. Pochte sie bewusst auf jüdische Identität? Die christliche Gemeinschaft mit ihrem starken diasporajüdischen Anteil auch in Jerusalem hegte dagegen keine Berührungsängste gegenüber dem Griechischen. Fünf der Ossuare wurden ornamentiert, fünf nicht, was dem Durchschnitt entspricht. Vier der beschrifteten Gebeinekisten verzichten auf Schmuck, zwei nicht (die von Mariamene Mara und Jehuda, dem Sohne Jeshuas). Ossuar Nr. 7 trägt wenigstens eine Steinmetzmarke. Nur Nr. 10, heute verschollen, blieb blank. Die Inschriften lauten: »Jeshua (? ) Sohn Jehosefs« (Nr. 4, @swhy rb [OwOvOyO ), 6 »Jehuda Sohn Jeshuas« (Nr. 2, [wvy rb hdwhy ), »José« (Nr. 5, hswy ), »von Mariamene alias Mara« (Nr. 1, Mariamh,nou h Ma,ra ); »Marja« (Nr. 6, hyrm ) und »Matja« (Nr. 3, hytm und im Inneren des Ossuars htm ). All dies wusste die Wissenschaft seit dreizehn Jahren, als die Grabung des verstorbenen Yosef Gat von L.Y. Rahmani (1994) und A. Kloner (1996) veröffentlicht wurde. Es bedurfte der Phantasie von Filmemachern, um Schlagzeilen zu pressen. Wurde nicht ein Jesusbruder »Joses« gerufen (Mk 6,3)? Hießen nicht alte Bekannte aus dem Neuen Testament Maria, Jesus (Jeshua), Josef, Judas, Matthäus? Matja kürzte Matitjahu- Nachgefragt Peter Lampe Jesu DNS-Spuren in einem Ossuar und in einem Massengrab seine Gebeine? Von medialer Pseudowissenschaft und zuweilen unsachgemäßen Expertenreaktionen c/ 006207 ZNT 19 19.03.2007 8: 37 Uhr Seite 72 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% ZNT 19 (10. Jg. 2007) 73 Peter Lampe Jesu DNS-Spuren in einem Ossuar und in einem Massengrab seine Gebeine? Matthäus ab ( whyttm ). 7 Gut, der Evangelist Matthäus scheidet aus, denn der begann nach dem Jüdischen Krieg Materialien für sein Evangelium zusammenzusuchen und starb nicht darüber. Aber ein galiläischer Zöllner und Jesusjünger hieß Matthäus (Mt 10,3 par). Wurde ausgerechnet der als einziger der Jünger in Jesu Gruft beigesetzt? Verwandt war er nicht. Bleibt noch Jesu Urgroßvater väterlicherseits, der sich Mattat (Lk 3,24) oder Mattan (Mt 1,15) genannt haben soll. Wurde dieser zu Beginn der 30er Jahre n. Chr. längst verstorbene Ahn von Galiläa nach Jerusalem umgebettet? Warum nicht auch der Großvater und Vater Josef? Variieren Mattat oder Mattan überhaupt Matitjahu? Die Filmemacher, nicht zuletzt ihr Statistiker, legten die Matthäus-Karte geschwind wieder aus der Hand und wandten sich den beiden Marias zu. Mariamene sei Maria Magdalena und Marja die Jesusmutter. Mariamene 8 variiert Miriam-Marjam- Marja ( ~yrm / hyrm ), den gebräuchlichsten Namen für Jüdinnen der Zeit. Namenzusätze wie Mara halfen, die zahlreichen Marien zu unterscheiden. Keine der beiden neutestamentlichen Frauen kann bei näherem Hinsehen gemeint sein. In den Quellen des 1. Jh. lautet der Namenzusatz der Jesusjüngerin durchgehend Magalena: »aus Magdala«. Warum wurde dieser Usus auf dem Ossuar verlassen? Warum wurde ein anderer Aliasname verwendet, der für sie nirgends belegt sich findet? Mara kürzt Martha ab. Wäre Mara der Titel »Herrin«, wie die Dokumentarfilmer vorschlagen, ärgerte das »alias« in der Inschrift (»Mariamene alias Mara«). Warum wäre der Titel ihr beigelegt worden, während »Herr« dem Jesus der Gruft nicht zustand? Warum hätte die aramäischsprachige Magdalena vom galiläischen Lande als einzige in der Jerusalemer Gruft eine griechische Inschrift gewidmet bekommen und - neben Jehuda - als einzige ein Ossuar, das sowohl beschriftet als auch ornamentiert ist. Dem Jesus der Gruft wurden dergleichen Auszeichnungen nicht zuteil. Ein Paket von Ungereimtheiten fällt auf die Waage. Knochen sind in den Ossuaren nicht mehr enthalten. Sie wurden nach der Ausgrabung in einem für antike Gebeine konsakrierten Jerusalemer Areal neu bestattet; ihr Zugehören zu bestimmten Ossuaren lässt sich nicht mehr feststellen. Stimmte die Theorie der Filmer, lägen Jesu von Nazareths und seiner Familie Gebeine wie die Mozarts in einem Massengrab. Sind die Knochen verschollen, haften doch DNS-Spuren in den Kistchen, besonders in den Jeshua- und Mariamene-Ossuaren. Möglicherweise wird eines Tages ein begeisterter Milliardär das Erbgut aller im Massengrab bestatteten Knochen aufschlüsseln lassen, um es mit dem der Ossuare zu vergleichen. Die Filmer begnügten sich bislang mit Bescheidenerem. In einem renommierten Labor in Ontario 9 ließen sie DNS- Spuren aus dem Jesus- und dem Mariamene- Ossuar untersuchen, schlossen eine gemeinsame Mutter aus und verkünden tollkühn, die beiden seien wohl verheiratet gewesen. In der Gruft lagen rund fünfunddreißig Individuen bestattet, etwa die Hälfte Männer. Alle diese Herren kommen als Ehemänner in Frage - vorausgesetzt, Mariamene war verheiratet. Das Discoveryteam übersah ferner, dass im Durchschnitt jedes Jerusalemer Ossuar 1,7mal für Sekundärbestattungen genutzt wurde, so dass die Wahrscheinlichkeit, organische Spuren des angeblichen Pärchens Jeshua/ Mariamene untersucht zu haben, nur 34 % beträgt. Wie viele Individuen tatsächlich in jedem dieser beiden Ossuare beigesetzt waren, wurde nicht untersucht. Wir wissen weiter nicht, welches Ossuar neben welchem in situ platziert war. Im Zuge der Notgrabung wurden die Kistchen aus der Gruft abtransportiert. Diese in den archäologischen Publikationen fehlende wichtige Information scheint verloren. Die Filmer 10 greifen nach einem letzten Strohhalm, den legendarischen Philippusakten aus dem 4. Jahrhundert, die eine Jesusjüngerin Mariamne als Schwester des Philippus vorstellen. Dem Text geht Quellenwert für das 1. Jahrhundert ab. Auch ist nicht klar, ob die Legendeautoren mit ihrer Mariamne Maria Magdalena meinten. Nirgends erwähnen sie die übliche Herkunftsangabe Magdala. In 94,7-9 nennen sie dafür Mariamne in einem Atemzug mit einer Martha (vgl. Lk 10,38- 42), was eine Identifikation mit Maria Magdalena in noch weitere Ferne entschwinden lässt. 11 Ähnlich desaströs gestaltet sich der Versuch, die Jesusmutter in der Gruft bestattet zu finden. Auf dem Ossuar steht hyrm / Marja / Maria, die lateinische Version des Namens. Doch wurde die Mutter Jesu zu Lebzeiten nie so angeredet. Die griechischen Texte des Neuen Testaments bezeichnen die Mutter durchgehend mit dem semitischen Mariam. Warum wäre dieser Usus auf dem Ossuar verlassen worden? 006207 ZNT 19 19.03.2007 8: 37 Uhr Seite 73 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% 74 ZNT 19 (10. Jg. 2007) Nachgefragt Jehuda (Judas) wurde als Sohn Jeshuas bestattet. Dass Jesus von Nazareth einen Sohn zeugte, findet beim Krimiautoren Dan Brown offene Ohren, in historischen Quellen nirgends Anhalt. Da hilft nicht, über den namenlosen Lieblingsjünger im Johannesevangelium oder über den Buben von Mk 14,51 zu spekulieren, wie die Dokumentarfilmer sich erlauben. 12 Die Mär einer Romanze zwischen Jesus und Magdalena entsprang der erotischen Phantasie gnostischer Asketen des zweiten und dritten Jahrhunderts. Der Historiker des ersten Jahrhunderts vermag Spuren erotischen Flackerns zwischen dem Nazarener und der Frau aus Magdala nicht zu entdecken. 13 So bleiben José und Jeshua als letzte Opfer des Identifikationsseifers. Der Jesusbruder Joses bietet sich an. José und Joses verkürzen Jehosef. Dagegen fällt das Kartenhaus bei Jeshua in sich zusammen, wenn gepustet wird. Ausgerechnet Jeshua stellt den am schlechtesten lesbaren Namen auf den sechs Ossuaren dar. Ausgerechnet diese Inschrift wurde am schludrigsten in flüchtiger Kursive gekratzt, in nur oberflächlicher Ritzung. Jeder der vier aramäischen Buchstaben des Namens bleibt unklar, besonders die beiden ersten. 14 Gestehen wir dennoch die Lesart zu! 15 Die Probleme beginnen dann erst. Wäre der Nazarener hier begraben, würde sich erneut ein Stapel von Ungereimtem auftürmen. Nirgends in der Gruft finden sich Hinweise auf christliche Nutzer, nicht einmal der aramäische Gebetsruf der frühesten Christen, Maranatha (»Unser Herr, komm! «), mit dem sie die Wiederkunft Jesu zum Weltende herbeisehnten. Kreise und Rosetten zieren die Ossuare. Nirgends zeigt sich ein Verehren des Jesus als eines lebendigen Herrn. 16 Allenfalls ein münzengroßes Graffito auf dem Deckel des Jesus-Ossuars, ein X mit einem dritten (und vierten? ) Strich, könnte als hingekritzeltes Sternchen gedeutet werden, wenn das X nicht die flüchtig hingeworfene Marke des Steinmetzen war, die auch auf dem Ossuar selbst sichtbar ist, 17 während die anderen Kratzer dem Zufall sich verdanken mögen. Das reicht nicht, den »Stern aus Jakob« von 4. Mose 24 begrüßen zu können. 18 Professionell geschnittene Ornamente zieren die Mariamene- und Judah-Ossuare, nicht die Jesus-Knochenkiste. Diese wurde nicht einmal prominent aufgestellt. Sorgfältiger als alles andere in der Gruft wurden die beiden Arkosole aus dem Fels herausmodelliert. Ein solcher Ehrenplatz wurde dem Jesus der Gruft nicht zugewiesen. Ja, selbst wenn sein Ossuar ursprünglich in einer dieser bogenförmig überwölbten Nischen gestanden hätte, wäre es später an einen weniger prominenten Platz weggestellt worden, als in die Bogennischen Neuverstorbene gelegt wurden. Gingen so Christen mit ihrem Messias um? Wenn sich keine vernünftigen historischen Argumente beibringen lassen, wird die Statistikdame aufs Tanzparkett gebeten. Am pseudowissenschaftlichen Arm geführt, entblößt sie sich als willfähriges Mädchen. Ins ungestüme Wahrscheinlichkeitskalkül sinkt historisch Ungereimtes nicht ein. Stattdessen argumentieren die Filmemacher eindimensional: Die Kombination der vier Namen Jesus Sohn Josefs (durchschnittliches Vorkommen: in 1 von 190 Fällen), Mariamene (in 1 von 160), Maria (in 1 von 4) und José (in 1 von 20) sei so selten, dass die Probabilität, eine solche Gruppe anzutreffen, 1/ 600 betrage. 19 Unsachgemäß höhnten Fachkollegen in den Medien als Gegenargument gegen die Filmer, alle vier Namen seien Allerweltsnamen. Das rechneten die Filmer ein! Ihr Fehler liegt darin, dass sie nicht sahen, dass die Wahrscheinlichkeit, die beiden neutestamentlichen Marien in der Gruft zu finden, gegen Null läuft. Nach dem Ausgeführten dürfte die Statistikdame allenfalls gefragt werden, wie wahrscheinlich es war, das Paar José/ Jesus Sohn Josefs nochmals anzutreffen. Dann landeten wir bei 53%. 20 Bei 53% Regenwahrscheinlichkeit aber schadet es nicht, den Schirm einzupacken. Gleichwohl, das Geschmäckle auf der Zunge des Historikers spült sich nicht herunter. Epigraphisch erhobene Statistikdaten spiegeln nur bedingt demographische Verhältnisse. In der Regel verewigten sich auf Inschriften gehobenere Schichten, so dass diese dort ebenso überrepräsentiert sind wie in literarischen Quellen. Darüber hinaus verdanken sich epigraphische Funde sachfremden Faktoren. Die eine Inschrift wird gefunden, weil der Jerusalemer Siedlungsbau um sich greift; die andere nicht, weil sie irgendwo im Gazastreifen verborgen liegt. Wir tappen im Dunkeln, wenn wir Namenshäufungen auf Inschriften oder in der antiken Literatur auf demographische Verhältnisse hochzurechnen versuchen. Wir kennen nicht einmal die Gesamtzahl antiker Bevölkerung, sei es in Jerusalem oder Judäa. Antike Demographie tastet in trübem Wasser. Alle in den Medien als Reaktion auf Cameron/ Jacobovici 006207 ZNT 19 19.03.2007 8: 37 Uhr Seite 74 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% ZNT 19 (10. Jg. 2007) 75 Peter Lampe Jesu DNS-Spuren in einem Ossuar und in einem Massengrab seine Gebeine? gehandelten statistischen Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Objektivität gaukeln sie einer Öffentlichkeit vor, die einer wissenschaftsfrömmigen Ersatzreligion frönt und bei Reizwörtern wie »Mitochondrien-DNS« und »statistische Wahrscheinlichkeit« glasige Augen bekommt. Mit den Filmern einen Argumentationsturm auf dem Fundament unrepräsentativer epigraphischer Namenshäufungen aufruhen zu lassen, bedeutet, auf eine Sanddühne zu bauen, die mit jedem Inschriftenfund weiterwandert. - Auf dem Waschbrett der Statistik formal richtig zu schrubben, bedeu tet nicht, Historiographie sauber hinzubekommen. Im übrigen gehörten in den 120er Jahren n. Chr. Jahren zum sozialen Umfeld einer Jüdin Babatha im Hafenstädtchen Maoza am Südende des Toten Meeres nicht nur ihr Mann Jesus, dessen Kinder und Schwiegervater Simon, sondern auch Namen wie Jakobus, Juda und Mariame (PBabatha 17 von 128 n. Chr.; 25-26 sowie 34 von 131 n. Chr.). Diese Herrschaften haben mit dem Neuen Testaments eindeutig nichts tun. Nach der Statistik der Filmer hätte es sie schwerlich geben dürfen. Die Krone, aber keinen Doktorhut setzen sich die Dokumentareiferer auf, wenn sie spekulieren, das seit 2002 berühmte Ossuar des Jakob Sohn Josefs Bruder Jesu stamme aus dem Jesus-Mausoleum und sei nach der Notgrabung gestohlen worden. Seine Oberfläche entspreche der der Talpiyot-Ossuare, wie Analysen des CSI Suffolk Crime Lab (New York) von 2006 zeigten. Die Aussage ist so nicht zu halten. Die methodisch beste Studie des international renommierten Patinaexperten Wolfgang Krumbein bilanzierte, dass das Jakob-Ossuar mindestens 200 Jahre lang Wind, Wetter, Sonne, auch Wasser ausgesetzt war und nicht der Atmosphäre einer abgeschlossenen Höhle. 21 Auch entspricht die chemische Oberflächenanalyse nicht dem, was die Filmer 22 für die Jakobskiste herausbekamen. 23 Zugleich bilanziert der Krumbeinreport, dass die Inschriftenbuchstaben zwar in einem Zeitraum mehrerer Jahre mehrmals eifrig und ungeschickt gesäubert wurden, aber an mindestens drei Stellen Spuren natürlicher Patina in Anfangs- und Endbuchstaben sich erhielten. 24 Die Oberfläche der Endbuchstaben (»Bruder Jesu«) unterscheidet sich nicht von der der übrigen Inschrift. Mag die gesamte Inschrift mithin echt sein, die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Apostel und Jesusbruder Jakobus meinte, beläuft sich auf 2-5 %. Ein Jakob, Sohn Josefs und Bruder Jesu, wird (angesichts der freilich niemals repräsentativen epigraphischen Daten) in der fraglichen Zeit in Jerusalem in 20-50facher Ausfertigung herumgelaufen sein. 25 Im übrigen ziert auch dieses Ossuar kein christliches Anzeichen. Wenigstens in theologischer Hinsicht erledigten die Filmer die Hausaufgaben: Das Entdecken einer Gebeinekiste Jesu werde nicht den christlichen Osterglauben herausfordern. Paulus hielt fest, »Fleisch und Blut« würden im Auferweckungsakt nicht wiederbelebt (1Kor 15,50). 26 Gott ist in seinem Neuschaffen des gestorbenen Menschen, so glauben viele Christen, nicht auf Moleküle des alten Körpers angewiesen. Materie gewährleistet nicht einmal die Kontinuität des irdischen Menschen: Von der Leserin dieser Zeilen ist keines der Moleküle übrig, mit denen sie als Erstklässlerin die Schulbank drückte. Christen mögen, egal wie schnell sie auf ihrem Sofa von diesem Aschermittwoch sich erholten, gelassen Ostern erwarten. l Anmerkungen 1 S. Jacobovici/ C. Pellegrino, The Jesus Family Tomb. The Discovery, the Investigation, and the Evidence That Could Change History, San Francisco 2007. 2 Vom 28. März bis 14. April 1980. Siehe A. Kloner, A Tomb With Inscribed Ossuaries in East Talpiyot, Jerusalem: Atiqot 29, 1996, 15-22; L.Y. Rahmani, A Catalogue of Jewish Ossuaries, Jerusalem 1994, 222-224, Nr. 701-709. Shimon Gibson, in Manhattan am 26. Februar 2007 bei der Pressekonferenz des Discovery- Channels mit auf der Bühne, zeichnete damals die Pläne. 3 Durchschnittliche Belegung: 1,7mal. Cf. A. Kloner, Tomb, 22 Anm. 2, sowie ders., Burial Caves and Ossuaries from the Second Temple Period on Mount Scopus, in: I. Gafni/ A. Oppenheimer/ M. Stern, (Hgg.), Jews and Judaism in the Second Temple, Mishnaic and Talmudic Periods, FS S. Safrai, Jerusalem 1993, 75-106, hier 105. 4 Maße: Längen von 1,24 bis 1,76 m; Breiten von 0,34 bis 0,54 m. Die schmalen Seiten dieser Loculi öffnen sich zur zentralen Grabkammer hin. 5 Zu diesem und dem folgenden Durchschnittswert Kloner, Tomb, 16; ders. Burial Caves 104-105. 6 Davor steht eine X-förmige Steinmetzmarke wie auf Ossuar Nr. 7. Siehe Abbildungen bei Kloner, Tomb, 19-20. Es handelt sich nicht etwa um christliche Andreaskreuze (s.u. Anm. 16). Beide X wurden flüchtig hingeworfen, wie wenn jemand etwas abhakte. 7 Vgl. zu diesem und den folgenden Namen bes. T. Ilan, Lexicon of Jewish Names in Late Antiquity, Part 1: Palestine 330 B.C.E. - 200 C.E., Tübingen 2002, je s.v. Ilan notiert auch hilfreich, wie häufig die Namen in unseren Quellen begegnen (zur oft überschätzten Relevanz solcher Häufungszahlen siehe unten). Vgl. 006207 ZNT 19 19.03.2007 8: 37 Uhr Seite 75 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% 76 ZNT 19 (10. Jg. 2007) Nachgefragt ferner z.B. dies., The Names of the Hasmoneans in the Second Temple Period: Eretz Israel 19, 1987, 238-241 (hebr.); R. Hachlili, Jewish Names and Nicknames in the Second Temple Period: Eretz Israel 17 (Brawer volume), 1983, 188-211 (hebr.); dies., Hebrew Names, Personal Names, Family Names, and Nicknames of Jews in the Second Temple Period, in: J. W. van Henten - A. Brenner (Hgg.), Families and Family Relations as Represented in Judaisms and Early Christianities. Texts and Fictions, Leiden 2000, 83-115. 8 Die Namensform findet sich nicht nur auf zahlreichen Jerusalemer Ossuaren (siehe z.B. Rahmani, 1994, 14. 115-116). Vgl. auch Jos., Ant. 4,78; Bell. 1,241. Auf den kleinasiatischen Inschriften MAMA 7,98,1 (chr.? ); 8,127,1; der alexandrinisch-jüdischen Inschrift SEG 8,433,1 (jüd.); den fünf Jerusalemer Epigraphen SEG 33,1278/ CIJ 1293,b,1; SEG 33,1290,1 (beide 1. Jh. v. oder n. Chr.); CIJ 1341,1; 1387,1 (beide 2. Jh. v. - 2. Jh. n. Chr.); SEG 20,481,a,1 (4. Jh. n.Chr.? ) und der Jerichoer Inschrift SEG 31,1407,1,1 (10-74 n.Chr.) ist darüber hinaus Maria,mh zu greifen; ebenso in den Papyri PBabatha 26; 34 und PMur 2,113,Fr.A neben anderen jüdischen Personen, darunter Simon, Salome und gar Jesus: »Jesus Chtusion aus Juda« (PBabatha 34). 9 Paleo-DNA Lab der Lakehead University, Dr. C. Matheson. 10 2007, 205. 11 Aus demselben Grunde stellt auch Orig., c.Cels. 5,62,16 ( Maria,mmhj kai. ... Ma,rqa j / Mariammes Kai ... Marthas) gegen Jacobovici/ Pellgerino, Family Tomb, 205, einen schlechten Beleg dar. Ihr Verweis auf Epiphanius (ebd.) führt gänzlich in die Irre; Epiphanius verwendet nirgends eine Mariamene-ähnliche Namensform zeugniswert für das 1. Jh. besitzt auch Hipp., ref. 5,7; 10,9 aus dem frühen 3. Jh. nicht. 12 2007, 207-209. 13 Siehe zu den Quellen P. Lampe, Küsste Jesus Magdalenen mitten auf den Mund? , Neukirchen 2007, 13-18. 14 Abb. bei Kloner 1996, 19. Kloners eigenes Urteil: »Each of the four letters... is unclear« (18). 15 So auch der Herausgeber des Katalogs Jüdischer Ossuare, Rahmani (Catalogue, 223). Doch wird angesichts der unsicheren Lesart klar, dass die Discovery- Leute, die über eine Vaterschaft des Jesus von Nazareth nachdenken, in der Gefahr stehen, in den Strudel eines Zirkelschlusses gezogen zu werden: Weil ein gut lesbarer Jesus der Vater des in der Gruft bestatteten Jehuda war, liest Rahmani auf dem anderen Ossuar der Gruft Jeshua; ergo ist in diesem anderen Ossuar ein Jesus beigesetzt und zu folgern, dass Jesus von Nazareth einen Sohn namens Jehuda zeugte. Von weitem winkt Münchhausen mit dem Zopfe. 16 Teilten die bestattenden Familienmitglieder ein Jahr nach dem Tod, als das Ossuar bestückt wurde, nicht den Auferweckungsglauben der Christen? Auferstehungsglaube setzt mitnichten ein leeres Grab voraus (s.u.), das als Motiv spät in der Tradition zu greifen ist (Mk 16). Jacobovici/ Pellegrino, Family Tomb, 196, deuten mit Verweis auf Ez 9,4; Orig., Selecta in Ez. 13,800,50-13,801,14; I. Mancini, Archaeological Discoveries Relative to the Judeo-Christians, Jerusalem 1968, das X vor dem Namen Jeshua nicht, wie üblich, als Steinmetzzeichen, sondern als Symbol für einen Gerechten. Aber damit wäre kein judenchristliches Indiz geliefert. Auch als christliches Kreuz ist das X nicht interpretierbar. Die frühe Kreuzdarstellung unter S. Sebastiano (ca. 150-240 n. Chr.) zeigt ein eindeutig christliches Kreuz als T (P. Lampe, From Paul to Valentinus, Minneapolis 2003, 29.141, Abb. S. V), nicht als Andreaskreuz. Jacobovicis/ Pellegrinos Verweis auf Herculaneum (Family Tomb, 195) läuft ins Leere (siehe Lampe, Paul, 9). Minucius Felix, Oct. 29,8, und Tert., Apol. 16,6-8, kennen (zeitgleich mit dem Graffito unter S. Sebastiano) das Kreuz als Christensymbol, bezeugen aber zugleich, dass es in der Umwelt eine Fülle kreuzförmiger Objekte ohne christlichen Gehalt gab, selbst im paganen Kult. 17 Siehe die vorige Anm. sowie Anm. 6. 18 Gegen Jacobovici/ Pellegrino, Family Tomb, 211f. Ich nahm Ossuar und Graffito am 26.2.2007 in New York aus 2m Entfernung in Augenschein; näher war nicht erlaubt. 19 Die vernünftige Kalkulation des Statistikers Prof. A. Feuerverger (Univ. of Toronto) im Discovery-Channel-Team: 1/ 190 (Jesus Sohn Josefs) x 1/ 160 (Mariamene) x 1/ 20 (José) x 1/ 4 (Marja) = 1/ 2400000, multipliziert mit 4 (Ausgleich für mögliche Tendenzen in den Quellen), multipliziert mit 1000 (Anzahl der möglichen Kollektivgrabstätten im Jerusalem des ersten Jahrhunderts). Das Resultat lautet 1 zu 600. 20 1/ 190 x 1/ 20 = 1/ 3800. Um Tendenzen in den historischen Quellen auszubalancieren, wird 1/ 3800 x 2 = 1/ 1900 gerechnet und diese Zahl nochmals mit 1000 multipliziert, d.h. der Anzahl von Kollektivgrabstätten, die in Jerusalem des 1. Jh. existiert haben mögen. Das Ergebnis lautet 1/ 1,9. - Die vom Discoveryteam zugrundegelegten Zahlen (190 - 20 - 160 - 4) zu hinterfragen - sie kennen, Ilans Namenslexikon! - ist unnötig, wenn gezeigt werden kann, dass sie auf der Basis der eigenen Daten ad absurdum zu führen sind. 21 Darauf weisen Pflanzenspuren, dazu sog. Biopitting (Pockennarben im Stein), das durch Flechten und Pilzbefall nach > 150 Jahren sich einstellt. Ferner bedeckte alluvialer Dreck die Inschrift über längere Zeit. 22 Jacobovici/ Pellegrino, Family Tomb, 175-192. 23 Nach der Analyse von Prof. W. Krumbein (Univ. Oldenburg, Sept. 2005) beinhaltet die Oberfläche neben Calzit (CaCO 3 ) auch Patina aus (in absteigender Reihenfolge des Quantums) Apatit (Calciumphosphat), Whewellit (hydriertem Calciumoxalat), wahrscheinlich auch aus Weddelit (Calciumoxalat). Ferner in der Patina: Mikrofossilien und Quartz, die wohl staubige Winde anwehten. Der Krumbeinreport unter www.bib-arch.org/ bswbOOossuary_Krumbeinreport.pdf; dazu kollegialer E-Mail-Kontakt mit mir. 24 Auf Fotos von 2003/ 4 sind solche auch noch in den Buchstaben Shin und Ayin des Jeshua-Namens erkennbar. In den Buchstabenoberflächen saßen darüber hinaus die gleichen vom Wind herangetragenen Mikrofossilien und der gleiche angewehte Quartz wie auf dem übrigen Ossuar, was nicht für, sondern eher gegen eine Inschriftenfälschung spricht. 25 Vgl. Lampe, Jesus, 23. 26 Zur paulinischen Vorstellung P. Lampe, Paul’s Concept of a Spiritual Body, in: T. Peters, R.J. Russell, M. Welker (Hgg.), Resurrection. Theological and Scientific Assessments, Grand Rapids/ Cambridge, UK 2002, 103-114; ders., Die Wirklichkeit als Bild. Das Neue Testament als ein Grunddokument abendländischer Kultur im Lichte konstruktivistischer Epistemologie und Wissenssoziologie, Neukirchen 2006, 102-104. 006207 ZNT 19 19.03.2007 8: 37 Uhr Seite 76 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100%
