ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
121
2007
1020
Dronsch Strecker VogelVom historischen zum erinnerten Jesus. Der erinnerte Jesus als neues Paradigma der Jesusforschung
121
2007
Carsten Claußen
Was gibt es Neues vom historischen Jesus? Seit Beginn der 80er Jahre schien eine neue Epoche angebrochen zu sein, die als „dritte Fragerunde“ (= “third quest“) der historischen Jesusforschung bezeichnet wird. Im Zentrum stand dabei die verstärkte Wahrnehmung der jüdischen Lebenswelt Jesu. Methodologisch gewannen sozialwissenschaftliche Zugänge an Bedeutung, und neben den neutestamentlichen Zeugnissen erfuhren außerkanonische Texte, wie etwa das Thomasevangelium, verstärkte Aufmerksamkeit. Mehr als zwei Jahrzehnte später lassen sich wiederum neue Forschungstrends beobachten. Besonders charakteristisch treten ein gesteigertes Interesse an der Archäologie Palästinas, eine differenzierte Würdigung der Logienquelle Q und ein neu entfachtes Interesse an der Erforschung mündlicher Überliefungsmechanismen der Jesustradition (v.a. Bailey) hervor. Konkret werden einige Monographien (Dunn, Bauckham, Theißen, Hurtado) vorgestellt und kritisch gewürdigt. Insgesamt verdichtet sich dabei der Eindruck einer Bewegung hin zu einer bereits vorösterlich christologischen und damit theologischen Wahrnehmung des erinnerten Jesus.
znt10200002
2 ZNT 20 (10. Jg. 2007) Auf welchen Jesus gründet sich der christliche Glaube? Diese Frage bewegt die wissenschaftliche Jesusforschung seit nun mehr als zwei Jahrhunderten. Dabei sind die Alternativen in ihren Grundformen einfach und klar. Entweder beginnt der christliche Glaube mit der historischen Person Jesu. Der Hamburger Orientalist H ERMANN S AMUEL R EIMARUS (1694-1768) setzte diese Frage nach dem historischen Jesus auf die Tagesordnung und gilt damit nach gängiger Auffassung als Begründer der kritischen Jesusforschung. 1 Oder aber der christliche Glaube gründet in der Bedeutung, die seine Anhänger ihm nach Ostern beimessen und die sie in den im Neuen Testament überlieferten Zeugnissen implizit oder explizit bekennen. M ARTIN K ÄHLER (1835-1912) hat in seiner kleinen Schrift »Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus« (1892) 2 beide Möglichkeiten gegenübergestellt - und sich gegen den »historische(n) Jesus der modernen Schriftsteller« und für »den lebendigen Christus« entschieden. 3 Warum? Weil »wir (...) keine Quellen für ein Leben Jesu (besitzen), welche ein Geschichtsforscher als zuverlässige und ausreichende gelten lassen kann,« 4 so begründet Kähler seine Entscheidung. Wenige Jahre später hat A LBERT S CHWEITZER mit dem Resultat einer kritischen Erledigung der Rückfrage nach dem historischen Jesus eine ausführliche »Geschichte der Leben-Jesu-Forschung« (1906) 5 vorgelegt. Er entlarvte darin die zahlreichen Leben-Jesu-Bilder ihres projektiven Charakters. Die jeweiligen Autoren der verschiedensten Jesusbücher hatten mehr von sich selbst erzählt als von Jesus von Nazareth. So erschien es nach dieser Generalabrechnung und Bankrotterklärung der historischen Jesusforschung nur konsequent, dass R UDOLF B ULTMANN die Verkündigung Jesu in den Bereich der Voraussetzungen seiner neutestamentlichen Theologie verwies, mit Jesus als dem Gekreuzigten und Auferstandenen einsetzte und sich auf die Verkündigung der Christusbotschaft konzentrierte. 6 Andere dagegen, etwa J OACHIM J EREMIAS , setzten in ihrer Darstellung der neutestamentlichen Theologie weiterhin explizit beim historischen Jesus ein. 7 Wieder andere wie E RNST K ÄSEMANN sahen gerade um des von R UDOLF B ULTMANN so sehr betonten christologischen Kerygmas die Rückfrage nach dem historischen Jesus als geboten an, weil der irdische Jesus mit dem erhöhten Christus in den neutestamentlichen Schriften als identisch vorausgesetzt sei. 8 Seit P ETER M ÜLLER vor nun fast zehn Jahren in der ersten Nummer der Zeitschrift für Neues Testament einen ebenso informativen wie differenzierten Beitrag unter dem Titel »Neue Trends in der Jesusforschung« 9 veröffentlichte, ist der unaufhörliche und kaum überschaubare Strom immer neuer populärer und wissenschaftlicher Jesusbücher nicht abgerissen. Als Müller seinen Lesern und Leserinnen Überblick verschaffte, konnte er seinen damaligen Standpunkt noch »mitten in der ›dritten Fragerunde‹« der historischen Jesusforschung, 10 der sogenannten »Third Quest«, verorten. Was ist aus diesem Neuansatz geworden? 1. Erinnerungen an die Anfänge der »Third Quest« Was 1998 noch wie eine klar definierbare Epoche der Leben-Jesu-Foschung erschien, nötigt heute angesichts der nicht abreißenden Flut neu erscheinender Jesusbücher mehr denn je nach einer kritischen Rückfrage, - nicht nur nach dem historischen Jesus selbst, sondern nach der Kohärenz und Konsistenz der gegenwärtigen Forschungslage. Als der britische Neutestamentler T OM W RIGHT 1988 in einem forschungsgeschichtlichen Überblick den Begriff der »Third Quest« prägte, 11 war ihm die Vielschichtigkeit dieser neuen Bewegung durchaus bewusst. In Absetzung zur von E RNST K ÄSEMANN 1953 eingeläuteten Phase der von J AMES M. R OBINSON so benannten »New Quest«, der neuen Rückfrage nach dem historischen Jesus, sah Wright vor allem seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts »eine durchaus ande- Neues Testament aktuell Carsten Claußen Vom historischen zum erinnerten Jesus. Der erinnerte Jesus als neues Paradigma der Jesusforschung 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 2 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% ZNT 20 (10. Jg. 2007) 3 Carsten Claußen Vom historischen zum erinnerten Jesus re Bewegung (...) an einer Vielzahl von Orten und ohne einheitlichen Hintergrund oder Programm.« 12 Unter dem Einfluss der unterdessen viel leichter zugänglichen jüdischen Quellen seien eine Reihe von Forschern als Historiker aufgebrochen, um in Absetzung von den Schülern R UDOLF B ULTMANN s nun zu behaupten, dass man durchaus viel über Jesus von Nazareth wissen könne und dass sich damit auch ein lohnenswerter Erkenntnisgewinn erzielen lasse. Als die vier herausragenden Beiträge dieser dritten Suche nach dem historischen Jesus nennt Wright Werke von B EN F. M EYER - »The Aims of Jesus« (1979) 13 -, A NTHONY E. H ARVEY - »Jesus and the Constraints of History« (1980) 14 - M ARCUS J. B ORG - »Conflict, Holiness and Politics in the Teachings of Jesus« (1984) 15 und E.P. S ANDERS - »Jesus and Judaism« 16 (1985). Bereits diese wenigen Werke offenbaren eine große Bandbreite höchst unterschiedlicher Jesusbilder. War das zentrale Thema der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu die Wiederherstellung Israels (Meyer) oder könne man dies eher vernachlässigen (Harvey)? 17 Ist Jesus für seine Landsleute als politischer Verräter gegenüber den jüdischen Freiheitsbestrebungen seiner Zeit einzuordnen und zugleich als Weiser (»sage«) und als Heiliger (»holy man«) 18 zu charakterisieren (Borg)? Oder muss Jesus - unter dem Eindruck seiner Taten, nicht etwa seiner Verkündigung, wie Meyer betonte - im Rahmen einer jüdischen Eschatologie verstanden werden, die auf die Wiederherstellung Israels (»restoration eschatology«) hofft, ohne dass er selbst in einem politischen Sinne darauf hingewirkt habe (Sanders)? Will man diese zweifellos herausragenden Jesusbücher auf einen Nenner bringen, so bleibt kaum mehr als die Verortung Jesu inmitten des palästinischen Judentums seiner Zeit. Man mag dafürhalten, dass eine solche Sicht der Dinge seit den 80er Jahren geballt auftrat. Neu ist die Darstellung eines jüdischen Jesus jedoch keinesfalls. Bereits J OSEF K LAUSNER hatte Jesus Anfang des 20. Jahrhunderts als Vertreter einer beeindruckenden jüdischen Ethik dargestellt. 19 C LAUDE J.G. M ONTEFIORE stellte Jesus in die Reihe mit den großen jüdischen Propheten 20 und für R OBERT E ISLER war er ein jüdischer Rebell, der in einer späteren Phase seines Lebens mit Gewalt den Tempel erobert habe und schließlich in der Auseinandersetzung mit den Römern gescheitert sei. 21 Auch D AVID F LUSSER 22 und G EZA V ERMES 23 veröffentlichen Jahre vor der »Third Quest« ihre jüdischen Jesusbücher. Auf christlicher Seite hatte bereits die religionsgeschichtliche Schule Anfang des 20. Jahrhunderts herausgearbeitet, dass Jesus theologisch ins Judentum gehöre. So formulierte etwa J ULIUS W ELLHAUSEN pointiert: »Jesus war kein Christ, sondern Jude.« 24 Und Neutestamentler wie A DOLF S CHLATTER und J OACHIM J ERE - MIAS unternahmen es in zahlreichen Veröffentlichungen, Jesus vor dem Hintergrund des antiken Judentums zu verstehen. So ist die frühe Phase der »Third Quest« letztlich kaum mehr als ein Neuansatz, mit dem sich jedoch die Erkenntnis, Jesus im Judentum zu verorten, auf breiter Front durchsetzte. War der gemeinsame Nenner also bereits in der Anfangsphase der »Third Quest« sehr klein, so zeigte sich in der Folgezeit, dass neue Forschungsansätze und -perspektiven keinesfalls das Weiterleben oder Wiederaufleben älterer Ansätze verhindern. D ALE A LLISON weist mit Recht darauf hin, dass die einzelnen »quests« keinesfalls als klar abgrenzbare Epochen zu denken seien. 25 So erschienen auch während der »no quest« R UDOLF B ULTMANN s zahlreiche, dem historischen Jesus gewidmete Jesusbücher und mitten in der »Third Quest« kehrte das sogenannte »Jesus Seminar« zu einem Feilschen um die Authentizität der Jesuslogien zurück, wie es eher für manche Teile der 61 V D D L F Z ( J Carsten Claußen Carsten Claußen, Jahrgang 1966, ist Wissenschaftlicher Assistent an der Abteilung für Neutestamentliche Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München. Er wurde dort 1999 mit einer Arbeit über antike Synagogen promoviert. Derzeit arbeitet er an seiner Habilitation über das Gebet Jesu in Joh 17. 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 3 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% 4 ZNT 20 (10. Jg. 2007) Neues Testament aktuell »New Quest« typisch gewesen war. So kann eine Einteilung der historischen Jesusforschung nur noch sehr zurückhaltend nach chronologischen Gesichtspunkten verfahren. Entsprechend lassen sich für die »Third Quest« im Rückblick nur noch wenige, jeweils eine größere Zahl von Forschungsbeiträgen verbindende Charakteristika festhalten. Neben der bereits erwähnten Einordnung Jesu ins Judentum lässt sich vor allem ein gesteigertes Interesse an sozialgeschichtlichen Perspektiven beobachten, die meist an die Stelle der in der »New Quest« sehr dominanten theologischen Fragestellungen traten. An die Stelle des Differenzkriteriums trat mit der »Third Quest« das historische Plausibilitätskriterium. Schließlich erweiterte sich der Horizont der Quellen. Neben einem gesteigerten Interesse an der rekonstruierten Logienquelle wurde auch das außerbiblische Thomasevangelium verstärkt in die Jesusforschung eingebunden und signalisierte damit zugleich das Zurücktreten der Kanongrenze. Doch gilt dies noch für die jüngste Gegenwart? Oder müssen wir gar bereits von einer »Fourth Quest« sprechen, wie einige wenige Forscher es postulieren oder konstatieren? 26 Auf der Suche nach Antworten auf diese Fragen wird es zunächst darum gehen, einige Werke kurz vorzustellen, die in besonderer Weise den gegenwärtigen Diskussionsstand der Jesusforschung repräsentieren. Davon ausgehend ist zu fragen: Womit hat die historische Jesusforschung es in der Gegenwart besonders zu tun? Hier lassen sich vor allem drei Bereiche benennen: Den Versuch, unter besonderer Berücksichtigung der in der Logienquelle zusammengefassten Jesusworte, auf möglichst authentisches Material zurückzugreifen; die verstärkte Hinzuziehung archäologischer Befunde; und schließlich die Erforschung der Mechanismen, unter denen mündliche Überlieferung auf dem Weg zu den neutestamentlichen Evangelien erfolgte. Doch zunächst ein Blick auf einige neuere Publikationen der Jesusforschung. 2. Neue Bücher - neue Trends Die Zahl neuer Jesusbücher reißt nicht ab, nimmt sogar stetig zu, und gelegentlich mag man sich mit D ALE A LLISON fragen, ob es nicht einfach nur mehr Neutestamentler und Verlage als früher gebe, die bereit seien, deren Bücher zu publizieren. 27 Doch egal wie man dieses stetige Anwachsen der Jesusliteratur deuten mag, auf keinen Fall kann ein Artikel zur historischen Jesusforschung wie dieser enzyklopädischen Ansprüchen genügen, sondern muss nach Bemerkenswertem und möglichst Neuem Ausschau halten. So fällt die Auswahl im Bewusstsein der Selbstbeschränkung auf drei englischsprachige und ein deutschsprachiges Werk, die auf je verschiedene und doch vergleichbare Weise den Graben zwischen dem sogenannten historischen Jesus und dem sogenannten Christus des Glaubens überbrücken wollen. Setzt J AMES D.G. D UNN dabei auf die Erinnerungen der Nachfolger Jesu so betont R ICHARD B AUCK - HAM die Bedeutung der Augenzeugen für die Entstehung der neutestamentlichen Evangelien. G ERD T HEISSEN bietet eine differenzierte Sicht der Trägergruppen der mündlichen Jesusüberlieferung. Einen Schritt über die historische Jesusforschung hinaus widmet sich L ARRY W. H URTA - DO der Verehrung Jesu Christi als Herr. 2.1. Der erinnerte Jesus Gleichsam mit einem Paukenschlag eröffnete der britische Neutestamentler J AMES D.G. D UNN mit seinem Vortrag »Altering the Default Setting: Reenvisaging the Early Transmission of the Jesus Tradition« 28 eine neue Forschungsrunde zur Frage nach der mündlichen Überlieferungsgeschichte der Jesusüberlieferung. Schon der Titel verhieß, dass es Dunn um nichts Geringeres als einen Paradigmenwechsel ging, der zwischenzeitlich in seinem Werk »Jesus Remembered« ausführlicher formuliert vorliegt. 29 Hatte sich die historische Jesusforschung bisher unter dem Einfluss der Quellenkritik vor allem mit schriftlichen Vorstufen der synoptischen Tradition beschäftigt, so drängte Dunn nun dazu, der Beobachtung, dass die Evangelien aus mündlicher Überlieferung hervorgegangen seien, mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ursprünglicher Ausgangspunkt der mündlichen Überlieferung sei dabei der Eindruck (»impact«), den Jesus während seines irdischen Wirkens hinterlassen habe. 30 Dunn weist darauf hin, dass Jesus schon vor Ostern Glauben hervorgerufen habe. 31 Entsprechend groß sei die Kontinuität zwischen dem vorösterlichen Jesus und 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 4 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% ZNT 20 (10. Jg. 2007) 5 Carsten Claußen Vom historischen zum erinnerten Jesus dem Jesus der Evangelien. »Die Idee, dass wir durch die Glaubensperspektive der neutestamentlichen Schriften hindurch einen Jesus sehen könnten, der nicht Glauben hervorgerufen oder Glauben auf eine andere Art hervorgerufen habe, ist eine Illusion. Einen solchen Jesus gibt es nicht.« 32 Insofern folgt Dunn der Entscheidung Kählers zu Gunsten des »lebendigen Christus« gegen den »historische(n) Jesus moderner Schriftsteller« 33 und weigert sich, Jesus vom Glauben zu trennen. Die parallelen Überlieferungen der Synoptiker dienen Dunn dazu, sowohl die Stabilität der Überlieferung als auch die Abweichungen als Folge der mündlichen Performanzen zu erklären. Hier wirkt sich seine grundlegend veränderte Sicht mündlicher Überlieferungsprozesse aus. Er schreibt: »Es bestätigt sich, dass das Modell literarischer Überarbeitung vollkommen ungenügend ist: in mündlicher Überlieferung (›oral tradition‹) ist das Erzählen einer Geschichte in keiner Weise die Überarbeitung eines früheren Erzählvorgangs; vielmehr beginnt jeder Erzählvorgang mit demselben Gegenstand und Thema, aber Nacherzählungen sind unterschiedlich: jeder Erzählvorgang ist eine Performanz der Tradition selbst, nicht etwa der ersten oder der dritten oder der 21. Überarbeitung der Tradition. Dementsprechend sollten wir die mündliche Weitergabe der Jesustradition als eine Folge von Nacherzählungen ansehen, bei denen jede bei demselben Vorrat gemeinschaftlich erinnerter Ereignisse und Lehre einsetzt und jede den gemeinsamen Bestand in verschiedenen Mustern für verschiedene Kontexte zusammenwebt.« 34 Dieses Modell übernimmt Dunn von dem amerikanischen Neutestamentler K ENNETH E. B AILEY , dessen Werk weiter unten noch ausführlicher dargestellt wird. Zunächst einmal ist nur wichtig festzuhalten, dass dieses Modell einer mündlichen Überlieferung durch immer wieder neue Performanzen im Grundbestand eine zuverlässige Weitergabe der Tradition leisten kann, während die konkreten Erzählungen durchaus voneinander abweichen können. Damit legt Dunn ein Erklärungsmodell vor, mit dem es zugleich möglich ist, Konstanz und Abweichungen der in den Evangelien verschrifteten Jesusüberlieferungen als Folge ihrer mündlichen Vorgeschichte plausibel zu machen. Die Jesusüberlieferungen gehen damit einerseits im Kern auf Jesus zurück und führen zu einem weitgehend kohärenten Jesusbild der synoptischen Tradition. Als Erinnerungen der Tradenten sind sie jedoch Bearbeitungen und Veränderungen unterworfen. Entsprechend diesem Modell definiert Dunn Jesus als den »erinnerten Jesus« (»the remembered Jesus«). 35 2.2. Der Jesus der Augenzeugen Der im schottischen St. Andrews lehrende Neutestamentler R ICHARD B AUCKHAM vertritt in seiner Monographie »Jesus and the Eyewitnesses. The Gospels as Eyewitness Testimony« die These, dass die neutestamentlichen Evangelisten direkten Zugang zu Augenzeugenberichten gehabt hätten. 36 Damit sei die Dichotomie zwischen dem historischen Jesus und dem Christus des Glaubens verfehlt. Stattdessen sei von einem »Jesus of testimony« - also einem Jesus des Zeugnisses - auszugehen. In dieser Kategorie verbindet sich für Bauckham der irdische mit dem nachösterlichen Jesus. Bauckham geht von einer kurzen Zeitspanne bis zur Abfassung der Evangelien aus, in der die Evangelisten noch Zugang zu Augenzeugenberichten gehabt hätten. Er kritisiert im Gegenzug die Anwendung von Modellen auf die Jesusüberlieferung, die sich der Traditionsweitergabe über mehrere Generationen widmen. Als Beispiel solcher Wertschätzung gegenüber Augenzeugenberichten führt Bauckham den Bischof P APIAS von Hierapolis (frühes 2. Jh. n.Chr.) an. Von jenem sei bekannt, dass er die Berichte von Augenzeugen Jesu sehr geschätzt habe. 37 Ebenso hätten auch die Evangelisten Augenzeugen Jesu befragen können. Für eine den historischen Ereignissen damit zeitlich sehr nahe kommende Weitergabe von Mund zu Mund bevorzugt Bauckham den Terminus »mündlich überlieferte Geschichte« (»oral history«) gegenüber mündlicher Überlieferung (»oral tradition«). 38 Die konkreten Augenzeugen vermutet Bauckham hinter jenen Namen, die in jeweils einem Evangelium aber nicht in den anderen genannt werden, wie zum Beispiel Bartimäus, Alexander und Rufus (alle nur Mk), Kleopas (Lk) oder Lazarus (Joh). Solche namentlich genannten Personen gehörten zur frühesten Überlieferungsstufe und seien als Garanten der berichteten Ereignisse anzusehen. 39 Zusätzlich seien die Zwölf für den Inhalt der Jesusgeschichte insgesamt verantwortlich. 40 Aber sind die Berichte von Augenzeugen per 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 5 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% 6 ZNT 20 (10. Jg. 2007) Neues Testament aktuell se wirklich als zuverlässig einzustufen, wie Bauckham es suggeriert? Der gelegentlich von Zeitgeschichtlern süffisant zitierte Spruch, dass der Zeitzeuge der Feind des Historikers sei, enthält eine berechtigte Anfrage. Auch die Erinnerung von Zeit- und Augenzeugen ist dem Wandel und der Interpretation unterworfen. So verspricht Bauckham mehr als seine Zeugen halten können. Auch Papias verweist schließlich nicht auf Petrus als Augenzeugen, sondern berichtet, dass selbst »Petrus (...) seine Lehrvorträge nach den Bedürfnissen einrichtete« 41 und dass die Zuhörer des Petrus Markus gebeten haben, »er möchte ihnen schriftliche Erinnerungen an die mündlich vorgetragene Lehre hinterlassen.« 42 Der Begriff der Erinnerung ist darum gegenüber dem der Augenzeugenschaft zweifellos der für die mündliche Weitergabe von Überlieferungen tragfähigere, weil er die Balance zwischen den vergangenen Ereignissen und den Interessen und Besonderheiten der Tradenten halten kann. Insofern droht im Begriff des »Jesus der Augenzeugen(schaft)« oder des »Zeugnisses« (»Jesus of testimony«) die Bedeutung des Osterereignisses für die Erinnerung zu verschwimmen. Eine Unterscheidung des historischen Jesus vom Christus des Glaubens ist perspektivisch allemal sinnvoll. Gegen ein Auseinanderreißen und gegeneinander Ausspielen der beiden Perspektiven wehrt Bauckham sich mit Recht, jedoch methodisch wenig überzeugend. 2.3. Der vielfältig überlieferte Jesus Das kleine Bändchen »Das Neue Testament« 43 von G ERD T HEISSEN ist natürlich kein Jesusbuch. Es verfügt auch nicht über einen riesigen Apparat von Fußnoten. Jedoch besticht es durch Klarheit und sei gerade jenen Lesern und Leserinnen empfohlen, die einen schnellen Zugang zu fundiertem Wissen haben wollen. In deutlicher Absetzung von der klassischen Formgeschichte zeichnet Theißen auf wenigen Seiten 44 die verschiedenen Überlieferungswege der synoptischen Tradition nach. Er unterscheidet dabei die Überlieferungen der Wandercharismatiker, die sich in der Logienquelle finden, die Passionsgeschichte und die synoptische Apokalypse, die von den frühchristlichen Ortsgemeinden überliefert wurde und die Wundergeschichten als Überlieferungen im Volk. Im Hintergrund steht Theißens soziologische Unterscheidung zwischen Wandercharismatikern und ortsfesten Sympathisanten. 45 Für die Überlieferung der Wundergeschichten stützt Theißen sich auf Angaben wie Mk 1,28, nach denen sich Gerüchte von Jesus Heilungen und Exorzismen schnell in ganz Galiläa verbreiteten. Wie noch ausführlicher darzustellen sein wird, enthält die Logienquelle nicht nur Spruchmaterial, das sich auf Wandercharismatiker beschränkt, sondern auch Logien, die Sesshaftigkeit voraussetzen. Jesus selbst scheint Kapernaum zum Ausgangspunkt seiner Mission gemacht zu haben 46 und war damit nicht ständig auf Wanderschaft. Lässt man jedoch diese konkreten Einschränkungen einmal bewusst beiseite, so stellt die soziologische und damit etwas schematische Zuordnung bestimmter Gattungen zu konkreten Gruppierungen aus der Geschichte der Jesusbewegung eine durchaus plausible Rekonstruktion der Überlieferung der synoptischen Tradition von Jesus und seinen Jüngern über Wandercharismatiker, Ortsgemeinden und das Volk bis hin zu den Evangelisten dar, die bei den unterschiedlichen Trägergruppen verschiedene Jesusmaterialien abrufen konnten. Damit wird auch bei Theißen ein Traditionskontinuum sichtbar, das bei der Verkündigung und Lehre des historischen Jesus ansetzt und den Überlieferungsweg bis zu den Synoptikern beschreibt. 2.4. Jesus Christus - der Herr Mit dem monumentalen Werk »Lord Jesus Christ. Devotion to Jesus in Earliest Christianity« des in Edinburgh lehrenden Neutestamentlers L ARRY W. H URTADO verlassen wir die historische Jesusforschung im engeren Sinne. Genau 90 Jahre nach dem Erscheinen von W ILHELM B OUSSET s Werk »Kyrios Christos« 47 widmet sich Hurtado der Christusverehrung im Zeitraum von etwa 30 n.Chr. bis etwa 170 n.Chr. Ist Bousset auch der vornehmliche Gesprächspartner Hurtados, so »Der Begriff der Erinnerung ist darum gegenüber dem der Augenzeugenschaft zweifellos der für die mündliche Weitergabe von Überlieferungen tragfähigere ...« 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 6 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% ZNT 20 (10. Jg. 2007) 7 Carsten Claußen Vom historischen zum erinnerten Jesus setzt sich dieses neue Werk doch deutlich von jenem Klassiker und der religionsgeschichtlichen Schule ab. Eine Würdigung dieser Aspekte würde angesichts der thematischen Fokussierung dieses Aufsatzes zu weit führen. Hurtado widmet sich ja gerade der nachösterlichen Verehrung Christi und eben nicht ausführlicher dem historischen Jesus. Darum ist es jedoch umso bemerkenswerter, dass auch Hurtado den Beginn der Jesusverehrung eindeutig beim vorösterlichen Jesus ansetzt. Mit Worten, die bisweilen an Dunns »Jesus remembered« erinnern, stellt Hurtado fest: »Ich schlage vor, dass der einzige vernünftige Faktor, der für die zentrale Stellung der Figur Jesu im frühen Christentum verantwortlich ist, der Eindruck (impact) des Dienstes Jesu und dessen Konsequenzen, vor allem für seine Nachfolger, ist.« 48 Damit setzt selbst ein Werk wie dieses, das sich als Schwerpunkt die nachösterliche Verehrung Christi gesetzt hat, bei den Erfahrungen Jesu und seiner Jünger ein. Die Identität des nachösterlich verehrten Christus mit dem vorösterlichen Jesus wird auch bei Hurtado vorausgesetzt. Zusammenfassend lässt sich für diese vier Werke das Bemühen um die Überbrückung zwischen den ältesten mündlichen Stufen der Jesusüberlieferung und den verschrifteten neutestamentlichen Evangelien und damit zugleich zwischen dem vorösterlichen Jesus und dem Christus des Glaubens festhalten. 3. Logien, Steine und Performanzen Mit demselben Ziel hat sich in jüngerer Zeit auch die Beschäftigung mit der Logienquelle Q, mit archäologischen Befunden Palästinas und, wie schon angedeutet, mit den Mechanismen mündlicher Überlieferung verstärkt. 3.1. Logien: auf der Suche nach den authentischen Worten Jesu Bereits 1838 vermutete der Leipziger Philosoph C HRISTIAN H ERMANN W EISSE als erster, dass der bei Mt und Lk gemeinsame Nicht-Mk-Stoff auf eine gemeinsam benutzte Quelle zurückginge. Dies ergab sich aus der Annahme der Markuspriorität und führte insgesamt erstmalig zu einer umfassenden Begründung der Zweiquellentheorie. Später wies A DOLF VON H ARNACK in seiner Untersuchung der »Sprüche und Reden Jesu. Die zweite Quelle des Matthäus und Lukas« 49 (1907) darauf hin, dass vorwiegend »die moralische Lehre« 50 Auswahl und Anordnung des Q-Stoffes bestimmten und im Gegensatz zu Mk, Mt und Joh keine »christologisch-apologetische (...) Interessen« 51 habe. Entsprechend zeichnet Harnack ein eher undogmatisch, ethisches Bild der Person Jesu nach Q. 52 Damit war die Logienquelle zunächst und für lange Zeit lediglich als eine bloße Materialsammlung von paränetischen Jesusworten angesehen worden, mit der Mt und Lk den Markusstoff ergänzt hatten. Erst seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts kam es zu einer genaueren Untersuchung des literarischen und theologischen Profils, worauf im Folgenden noch näher einzugehen sein wird. Im Kontext der historischen Jesusforschung hat Q mittlerweile eine äußerst prominente Stellung erreicht. So urteilen G ERD T HEISSEN und A NNETTE M ERZ durchaus repräsentativ: »Q ist zweifellos die wichtigste Quelle zur Rekonstruktion der Lehre Jesu.« 53 Sie gestehen jedoch sogleich zu, dass auch die Logienquelle offensichtlich die Rekonstruktion »ganz verschiedene(r) Jesusbilder« 54 zulasse. Doch wie belastbar sind jene auf die Quelle Q sich stützenden Rekonstruktionsversuche überhaupt? Immerhin liegt sie nur als Hypothese vor, die ihre Plausibilität der Zwei-Quellen-Theorie verdankt. Sicherlich, soviel ist nicht zu bezweifeln: Mt und Lk weisen im Nicht-Markus- Stoff auffällige Überschneidungen auf. Insofern die Markuspriorität grundsätzlich die höchste Plausibilität aufweist, tritt Q neben Mk als zweite Hauptquelle der synoptischen Tradition. Die Perikopenreihenfolge deutet neben der hohen Wortsymmetrie gerade in längeren Einheiten und dem Auftreten von Dubletten und Doppelüberlieferungen mit höherer Wahrscheinlichkeit auf die Vorlage einer schriftlichen Form der Logienquelle für Mt und Lk hin. 55 Doch gerade angesichts des hohen Ranges, den Q in der gegenwärtigen Jesusforschung genießt, ist umso präziser nach den Grenzen der Q-Hypothese zu fragen, will man nicht unkontrolliert Rekonstruktionsversuche, Annahmen, Ableitungen und schließ- 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 7 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% 8 ZNT 20 (10. Jg. 2007) Neues Testament aktuell lich Spekulationen auf für notgedrungen immer plausibler gehaltene Hypothesen aufbauen. So fragt A NDREAS L INDEMANN mit vollem Recht: »Wenn schon die Annahme der Existenz von Q eine - wenn auch sehr gut begründete - Hypothese ist, dann muß die Frage erlaubt sein, ob es methodisch wirklich vertretbar ist, diese Hypothese zu erweitern durch die zusätzliche Annahme, es ließen sich die im Verlaufe einer längeren oder kürzeren Traditions- und Redaktionsgeschichte entstandenen Veränderungen des ohnehin nur hypothetisch rekonstruierbaren Q-Textes wirklich im einzelnen aufweisen.« 56 Einen Architekten, der bei dem Aufschichten immer neuer Stockwerke nicht nach der Tragfähigkeit des Fundamentes fragt, würde man mit Recht für töricht halten. So ist etwa grundsätzlicher nach dem als gesichert geltenden Umfang, der Rekonstruktion der Textentstehung und schließlich in aller Nüchternheit nach der Bedeutung der Logienquelle für die historische Jesusforschung zu fragen. 57 3.1.1. Eine Reihe älterer und neuerer Textausgaben der Logienquelle 58 erwecken unwillkürlich den Eindruck, als sei deren Textbestand gesichert. Genau genommen liegt uns jedoch nur die Mt und Lk gemeinsame Textmenge des Nicht-Markus-Stoffes als Q vor. Ungeklärt bleibt dagegen, ob auch im matthäischen oder im lukanischen Sondergut Q-Stoffe erhalten sind, die einer der beiden Q-Rezipienten aus unbekannten Gründen weggelassen haben mag. Auch könnte Q ursprünglich noch weitere Texte enthalten haben, die Mt und Lk beide nicht aufgenommen haben. Schließlich bleibt ungewiss, ob eine Reihe von »Q-Texten«, die in das literarische oder theologische Profil der Aussagen Jesu insgesamt nur schwer einzugliedern sind, überhaupt jemals zur Logienquelle oder allenfalls zu einer bestimmten nur sehr spekulativ zu erschließenden Redaktionsschicht von Q gehört haben. Exemplarisch ist auf einige Texte hinzuweisen. Wie passt etwa die Gerichtspredigt Johannes des Täufers (Lk 3,7-9 / Mt 3,7-10) an den Anfang einer Sammlung von Worten Jesu? Wäre dieser Text nicht wahrscheinlicher einer unabhängigen Einzelüberlieferung zuzuweisen, mit der Mt und Lk die markinische Täuferüberlieferung (Mk 1,7- 8) ergänzt hätten, gerade weil Mk 1,8a.7b.8b eine deutliche Nähe zu Lk 3,16b / Mt 3,11 aufweisen? Zu alledem vermeidet Q auch noch die explizite Zuschreibung an Johannes, die Mt 3,1-6 und Lk 3,1-6 im Anschluss an Mk 1,1-6 vornehmen. Nicht weniger problematisch ist die sich unmittelbar anschließende Erzählung von der Versuchung Jesu zu bewerten. Nicht nur deren Gattung, sondern auch die fehlende Anbindung an die Täuferpredigt werfen die Frage auf, »ob diese Erzählung möglicherweise überhaupt nicht als zur Logienquelle gehörig anzusehen ist.« 59 Sicherlich sind die Übereinstimmungen der jeweiligen Fassung der Versuchungsgeschichte in Lk 4,1-13 und Mt 4,1-11 groß genug, um eine gemeinsame Quelle plausibel erscheinen zu lassen. Zur Logienquelle passt dieser Text dagegen ausgesprochen schlecht und nötigt zur Frage nach einer späteren Redaktionsschicht. 60 Ungewöhnlich innerhalb einer Spruchquelle erscheint auch die als einzige Wundergeschichte Q zugeschriebene Heilungserzählung vom Hauptmann von Kapernaum (Lk 7,1-10 / Mt 8,5- 10.13b / Joh 4,46b-53). Wie eine Reihe anderer Texte, die sich angeblich von einer ältesten Schicht von weisheitlichen Sprüchen und Sprichwörtern abheben, so versucht etwa J OHN S. K LOPPENBORG V ERBIN als prominentester Q-Forscher innerhalb des sogenannten Jesus-Seminars diese Erzählung der Hauptredaktion zuzuweisen. 61 Damit sind wir bei der Frage nach der Entstehung von Q. 3.1.2. Für die Entstehungsgeschichte von Q konkurrieren gegenwärtig vor allem zwei Modelle: J OHN S. K LOPPENBORG V ERBIN vertritt ein dreistufiges Redaktionsmodell. Eine ursprüngliche Schicht von weisheitlichen Spruchgruppen wurde durch eine erste Redaktion zu einer schriftlichen Sammlung von weisheitlichen Reden zusammengefasst (Q 1 ). Die Hauptredaktion (Q 2 ) erweiterte den Textbestand um prophetischapokalyptisches Material. Eine dritten Redaktionsschicht (Q 3 ) 62 entstand durch Hinzufügung der Versuchungsgeschichte und zwei das Gesetz betreffende Jesusworte. 63 P AUL H OFFMANN vertritt dagegen ein Modell mit nur einer Redaktion. Er unterscheidet »zwischen der Q-Tradition, in der Sprüche und Spruchgruppen weisheitlicher und nichtweisheitlicher Prägung durch Israel-Prediger tradiert und gesammelt wurden, und der Q-Redaktion (...), die für deren Verschriftlichung verantwortlich ist.« 64 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 8 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% ZNT 20 (10. Jg. 2007) 9 Carsten Claußen Vom historischen zum erinnerten Jesus Solche Rekonstruktionen gehen jeweils von einer einlinigen Entwicklung von Tradition und Redaktion hin zu einer Endfassung von Q aus, die Mt und Lk in schriftlicher Form vorgelegen habe. Bei aller Parallelität sind jedoch die Differenzen innerhalb des Q-Materials bei Mt und Lk nicht selten erheblich. So sind etwa in der ersten Hälfte der Heilungserzählung vom Hauptmann zu Kapernaum die Unterschiede bedeutend (v.a. Lk 7,2b-7a / Mt 8,5b-7), während die Übereinstimmungen in der zweiten Hälfte überwiegend wörtlich sind (v.a. Lk 7,7b-9a / Mt 8,8b-9). Durchgängig bemerkenswert sind die Unterschiede in den beiden Fassungen der Parabel von den anvertrauten Talenten (Lk 19,12-27 / Mt 25,14-30). Entweder handelt es sich hier jeweils um eine gravierende redaktionelle Bearbeitung oder sogar um zwei unterschiedliche Fassungen der Logienquelle: Q Mt und Q Lk . Gingen diese dann ihrerseits auf eine einzige Q-Fassung zurück, die dann zu zwei unabhängigen redaktionellen Rezensionen bearbeitet worden sind oder ist die Vorstellung einer »Urfassung« von Q generell abzulehnen? Wie auch immer man votieren mag, die Konsequenzen für die Rekonstruktion einer oder mehrerer Theologien der (oder einer) Spruchsammlung wären beträchtlich. 3.1.3. Wie lässt sich angesichts der benannten Unwägbarkeiten und Anfragen die Bedeutung der Logienquelle Q für die moderne Jesusforschung bewerten? Wie bereits kurz erwähnt, sieht G ERD T HEISSEN in Q die Überlieferungen der Wandercharismatiker. 65 Sie hätten den Lebensstil und die Predigt Jesu fortgeführt und dessen Logien gesammelt und verbreitet. 66 Einzelne Q-Sprüche scheinen Heimatlosigkeit (Lk 9,58), Familienkritik (Lk 12,51-53; Lk 14,26), Kritik an Reichtum (Lk 6,20; 12,22) und Gewaltverzicht (Lk 6,27- 38) zu spiegeln. Andere Verse setzen Sesshaftigkeit voraus, etwa die Gleichnisse von Senfkorn und Sauerteig (Lk 13,18-21), das Verbot der Ehescheidung (Lk 16,18) oder die Warnung an den Hausherrn vor einem Dieb (Lk 12,39). 67 Auch der in der neueren Q-Forschung so beliebte Versuch, die Logienquelle einer postulierten Q-Gemeinde zuzuschreiben, 68 muss angesichts solch verschiedenartiger Spiegelungen mit Vorsicht betrachtet werden, wie die Sichtweise, Q »primär als individuelle Sammlung eines Autors oder Kompilators zu sehen.« 69 Aus dem Fehlen einer Passionsgeschichte Schlüsse auf das Fehlen einer Vorstellung vom Tode Jesu als Heilstod zu ziehen, erscheint ebenfalls durchaus problematisch. Die Aufforderung, sein Kreuz zu tragen (Lk 14,27 / Mt 10,38), Jesu Klage über Jerusalem (Lk 13,34-35 / Mt 23,37-39) 70 und das gewaltsame Geschick der Propheten werfen die Frage auf, ob diese Q-Texte ohne ein Wissen um die Passion Jesu überhaupt verständlich wären, auch wenn Q vielleicht einem Verständnis des Todes Jesu als das eines Propheten nähersteht (Lk 11,49-51). Die gattungsgeschichtliche Einordnung führt bei aller durch die erzählerischen Einheiten bedingten Unschärfe zunächst am ehesten zur Benennung als Spruchsammlung. 71 Will man die Zusammengehörigkeit größerer Abschnitte betonen, so erscheint auch die Bezeichnung als »Redenquelle« angebracht. 72 Soviel dürfte jedoch klar sein: Vergleicht man Q mit Mk, so erscheint die Gattungsbezeichnung »Evangelium« für die Logienquelle als nicht angebracht. 73 Selbst wenn die wenigen erzählerischen Texte biographische Anteile von Q darstellen, so wirkt sich das Fehlen der Passionsgeschichte doch entscheidend aus. Abschließend ist nochmals nüchtern festzustellen, dass wir Q lediglich als hypothetische Rekonstruktion haben. Jeglicher Versuch, wahrscheinlich zu machen, was der Logienquelle gefehlt habe, etwa eine Passionsgeschichte, oder welche Redaktionsschichten in welcher chronologischen Reihenfolge zu rekonstruieren sind, oder der Versuch eine Q-Gemeinschaft hinter dem Text postulieren oder gar rekonstruieren zu wollen, ist und bleibt höchst spekulativ. 74 Nicht nur die verschiedenen Q-Schichten, die J.S. K LOPPENBORG V ERBIN glaubt voneinander abheben zu können, erinnern an die Schichten einer archäologischen Grabung. Auch der Buchtitel »Excavating Q« (Q ausgraben) geht in diese Richtung. Diese Anspielung übernehmen J OHN D OMINIC C ROS - SAN und J ONATHAN L. R EED für ihr Werk »Excavating Jesus« (Jesus ausgraben), in dem es nicht nur um die zehn größten exegetischen Entdeckungen, sondern vor allem um die zehn für die »Abschließend ist nochmals nüchtern festzustellen, dass wir Q lediglich als hypothetische Rekonstruktion haben.« 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 9 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% 10 ZNT 20 (10. Jg. 2007) Neues Testament aktuell historische Jesusforschung bedeutendsten archäologischen Entdeckungen geht. 3.2. Steine: auf der Suche nach der materialen Umwelt Jesu Das Interesse an der Erschließung materialer Zeugnisse, die mit den biblischen Texten und besonders den darin erwähnten Orten begegnet bereits in der Alten Kirche. Ab Mitte des 2. Jahrhunderts kann man die Pflege »heiliger« Orte nachweisen. 75 Das Onomastikon des E USEBIUS von Caesarea lässt im 3. Jahrhundert ein Interesse an der Kunde Palästinas erkennen. Frühe Pilgerberichte berichten für die Zeit ab dem 4. Jahrhundert von Reisenden, die die biblischen Orte Palästinas bereisten. 76 Wissenschaftlich-kritischen Ansprüchen eher genügende Forscherexpeditionen sind mit einer »Wiederentdeckung« des Heiligen Landes im 19. Jahrhundert verknüpft. Nicht selten war die apologetische Tendenz einer biblischen Archäologie nicht nur für die Auswahl der Grabungsorte, sondern gelegentlich auch für deren Interpretation erkenntnisleitend. Solche Archäologie diente dann lediglich zum »Auffüllen« lückenhafter, unscharfer, magerer oder schweigsamer Textbefunde. 77 Auf die neutestamentliche Wissenschaft hatte biblische Archäologie - allzumal jene unter apologetischen Vorzeichen - jedoch lange Zeit kaum Einfluss. So konnte P ETER P ILHOFER noch in seinem 2002 erschienenen Ausatzband »Die frühen Christen und ihre Welt« 78 schreiben: »Verglichen mit den benachbarten Disziplinen Altes Testament und Kirchengeschichte erscheint das Neue Testament mithin als archäologiefreie Zone, was umso grotesker wirkt, wenn man sich die schmalen 100 Jahre vor Augen stellt, mit denen es der Neutestamentler im engeren Sinne zu tun hat: mehr als 2000 Jahre Archäologie und Altes Testament, beinahe 2000 Jahre Archäologie und Kirchengeschichte - dazwischen 100 Jahre archäologiefreie Zone, das Neue Testament.« Zwar ist dieses Votum auch in seiner Überspitzung nicht nur für die neutestamentliche Wissenschaft sondern auch - mit umgekehrten Vorzeichen - für die Kirchengeschichte sicher übertrieben. Jedoch lässt sich in der neutestamentlichen Exegese nicht selten eine Vernachlässigung der außerliterarischen Zeugnissen beobachten. Dies spiegelt sich auch in der mangelnden archäologischen Ausbildung von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen im Bereich Neues Testament, die diese nur selten in die Lage versetzen, kompetente Gesprächspartner für Archäologinnen und Archäologen zu sein. So sind im Gegensatz zum Alten Testament nur wenige Neutestamentler und Neutestamentlerinnen selbst an Grabungen beteiligt. Schließlich bedarf die Archäologie einer Breitenwahrnehmung vielfältiger Aspekte zur Interpretation eines konkreten Fundes, wohingegen eine durch konkrete neutestamentliche Fragestellungen motivierte Inanspruchnahme der Archäologie zu einer groben und verengten Wahrnehmung und damit nur sehr beschränkten Interpretation an sich aussagekräftiger Funde führt. Dieser Problemstellung widmete sich jener Perspektivwechsel, den die amerikanischen Neutestamentler J OHN D OMINIC C ROSSAN und J ONATHAN L. R EED in ihrem Werk »Jesus ausgraben. Zwischen den Steinen - hinter den Texten« 79 exemplarisch für das Haus des Petrus in Kapernaum anmahnen: »Christliche Pilger der Vergangenheit und der Gegenwart messen der Frage nach dem wo zwar verständlicherweise eine große Bedeutung bei, die Frage, die sich jedoch in erster Linie aufdrängt, ist nicht, wo Jesus in Kafarnaum war, sondern wie das Kafarnaum Jesu ausgesehen hat. Die Archäologie sollte nicht einfach nur darauf abzielen, spätere Schichten behutsam freizulegen, zu bestimmen, ob das Haus Petrus gehörte, und dann Illustrationen oder Visualisierungshilfen zu präsentieren. Die Archäologie sollte vielmehr darauf abzielen, sehr sorgfältig zu untersuchen, welcher Art das Haus war, sollte es mit anderen Häusern im Kafarnaum des ersten Jahrhunderts vergleichen, den Charakter des Dorfes als Ganzes untersuchen und es mit dem Charakter anderer Dörfer und Städte in und um Galiläa kontrastieren.« 80 Ein solches Vorgehen beschränkt sich nicht auf die im Neuen Testament erwähnten Orte. Auch wenn wie Crossan und Reed zugestehen, die Untersuchung von solchen »heiligen« Orten durchaus reizvoll sein kann, so ist ihr Ziel ein anderes: Sie wollen den »übergreifende(n) gesellschaftliche(n) Kontext, in dem Jesus sein Königreich errichtete« 81 verständlich machen. Die sozialgeschichtliche Ausrichtung solcher Archäologie ist unverkennbar und kann wichtige Informationen zur Lebenswelt Jesu und seiner Jünger beitragen. 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 10 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% ZNT 20 (10. Jg. 2007) 11 Carsten Claußen Vom historischen zum erinnerten Jesus Crossan und Reed übersehen dabei keinesfalls, dass es neben der breit angelegten archäologischen Forschung in sozialgeschichtlicher Perspektive auch der Publikation jener Funde bedarf, die einen etwas konkreteren Einblick zu einzelnen Personen oder konkreten Aspekten der Lebenswelt des historischen Jesus bieten. So stellen sie insgesamt zehn archäologische Funde kurz vor, die sie für die wichtigsten zum Thema Jesus und Archäologie halten. Unter ihnen finden sich etwa das Ossuarium des Hohenpriesters Kaiphas, der uns mehrfach in den Evangelien begegnet, 82 das Haus des Apostels Petrus in Kapernaum, ein Fischerboot aus der Zeit Jesu vom See Genezareth und das Skelett eines gekreuzigten Mannes namens Yehohanan, das Aufschluss über die Kreuzesstrafe gibt. Damit dient die Archäologie vor allem im nordamerikanischen Raum aber auch zunehmend im deutschsprachigen Raum als wichtiger Gesprächspartner der historischen Jesusforschung. Dies wird etwa durch drei neuere Aufsatzbände dokumentiert. So haben S TEFAN A LKIER und J ÜRGEN Z ANGENBERG in ihrem Aufsatzband »Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments« 83 und M AX K ÜCHLER und K ARL M ATTHIAS S CHMIDT in ihrem Tagungsband »Texte - Fakten - Artefakte. Beiträge zur Bedeutung der Archäologie für die neutestamentliche Forschung« 84 jeweils eine ganze Reihe von Beiträgen verschiedener Autoren zusammengestellt, die sich neben methodischen Überlegungen und forschungsgeschichtlichen Perspektiven unter anderem auch konkreten Aspekten des Alltagslebens und der Religiosität widmen. In noch größerer Fokussierung widmet sich ein erst 2006 erschienener, von J AMES H. C HARLESWORTH herausgegebener Aufsatzband dem Thema »Jesus and Archaeology«. 85 Diese (und weitere) 86 Sammelbände dokumentieren auf eindrucksvolle Weise die wachsende Bedeutung und den Erkenntnisgewinn, den archäologische Forschungsergebnisse für die historische Jesusforschung zu bieten haben. 3.3. Erinnerungen: auf der Suche nach dem mündlich überlieferten Jesus Die Frage nach den mündlichen Vorstufen der in den neutestamentlichen Evangelien verschrifteten Jesustradition ist keinesfalls neu. So postulierte bekanntlich bereits J OHANN G OTTFRIED H ERDER (1744-1803) hinter den synoptischen Evangelien ein mündliches Urevangelium. 87 Konkret habe es einen Stand der Evangelisten gegeben. Diese seien Begleiter der Apostel gewesen und hätten später selbst weitergegeben, was sie aus dem Munde jener Begleiter Jesu gehört hätten. Die Übereinstimmungen in den ersten drei Evangelien gingen auf die Festlegungen der Apostel zurück, während die Unterschiede den individuellen Leistungen der Evangelisten und den verschiedenen Adressatenkreisen der jeweiligen Evangelisten zuzuschreiben seien. Zur Verschriftlichung sei es erst als Gegenmaßnahme gegen häretische Fälschungen des Materials gekommen. Eine Weiterentwicklung erfuhr die Untersuchung der mündlichen Evangelienüberlieferung durch J OHANN C ARL L UDWIG G IESELER (1792- 1854). 88 So vermutet er ein auf die Jünger Jesu zurückgehendes mündliches Urevangelium in aramäischer Sprache, das sodann im Kontext der Mission ins Griechische übersetzt und schriftlich fixiert wurde. Verstärkte Aufmerksamkeit erhielt die Frage nach der mündlichen Überlieferung hinter den synoptischen Evangelien durch die klassische Formgeschichte. Für R UDOLF B ULTMANN und M ARTIN D IBELIUS erhielten die »kleinen Einheiten« ihre Prägung jedoch vor allem durch die Bedürfnisse der Gemeinden, weniger durch historische Erinnerung. 89 Es unterblieb allerdings eine genauere Untersuchung mündlicher Überlieferungsmechanismen. Hier setzte die Kritik der schwedischen Neutestamentler H ARALD R IESENFELD und seines Schülers B IRGER G ERHARDSSON an. Gerhardsson legte eine monumentale Untersuchung der Traditionsübermittlung rabbinischer Texte vor. 90 Seine zentrale These ist, dass Jesus als Lehrer seinen Jüngern seine Lehrinhalte zum Auswendiglernen eingeprägt habe. Doch Rückschlüsse von rabbinischen auf frühchristliche Überlieferungsmechanismen ziehen zu wollen galt als anachronistisch. 91 So blieb Gerhardsson die verdiente Anerkennung und Diskussion seiner Forschungsergebnisse lange Zeit weitgehend versagt. 92 Anders erging es schließlich K ENNETH B AILEY , einem amerikanischen Neutestamentler, der mehr als dreißig Jahre lang im Nahen Osten 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 11 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% 12 ZNT 20 (10. Jg. 2007) Neues Testament aktuell unterrichtet hatte. Bereits 1991 veröffentlichte er einen Aufsatz unter dem Titel »Informal Controlled Oral Tradition and the Synoptic Gospels.« 93 Bailey nutzt darin seine detaillierte Kenntnis mündlicher Überlieferungsmechanismen im Kontext heutiger arabischer Dorfgemeinschaften. Seine Beobachtungen wurden zunächst von N.T. W RIGHT und dann vor allem von J AMES D.G. D UNN ausführlich aufgenommen und unter anderem von R ICHARD B AUCKHAM kritisch gewürdigt. 94 Damit kommen Baileys Ausführungen für die gegenwärtige Diskussion zentrale Bedeutung zu, die es gerechtfertigt erscheinen lässt, seine Sicht der Dinge im Folgenden etwas ausführlicher darzustellen: 95 Bailey beschreibt drei verschiedene Arten mündlicher Überlieferung, die er sowohl geschichtlich verortet als auch einzelnen Erklärungsmodellen mündlicher Überlieferungsgeschichte konkret zuweist. Er orientiert sich in seinem Modell an den beiden Fragen, ob die Traditionsweitergabe »formell« durch einen klar definierten Lehr- und Lernkontext erfolgt sei und ob es Kontrollmechanismen zur »Qualitätssicherung« der korrekten Weitergabe gegeben habe. Entsprechend unterscheidet Bailey zwischen »informeller, unkontrollierter«, »formeller, kontrollierter« und »informeller, kontrollierter mündlicher Überlieferung«. 3.3.1. Informelle, unkontrollierte mündliche Überlieferung Die klassische Formgeschichte entwirft ein recht vages Bild mündlicher Traditionsweitergabe, bei der kein geordneter Lehrkontext vorausgesetzt wird. Bultmann setzt für die Untersuchung der Jesustradition bei der mündlichen Überlieferung in der frühchristlichen Gemeinde ein. Aufgabe der Formgeschichte sei es entsprechend »›Entstehung und Geschichte dieser Einzelstücke zu rekonstruieren, somit die Geschichte der vorliterarischen Überlieferung aufzuhellen.‹ 96 Die Erfassung dieser Aufgabe beruht auf der Einsicht, daß die Literatur, in der sich das Leben einer Gemeinschaft, also auch der urchristlichen Gemeinde, niederschlägt, aus ganz bestimmten Lebensäußerungen und Bedürfnissen dieser Gemeinschaft entspringt, die einen bestimmten Stil, bestimmte Formen und Gattungen hervortreiben.« 97 Da sich die christlichen Quellen für das Leben und die Persönlichkeit Jesu, mithin für den historischen Jesus nicht interessiert hätten, 98 ist auch keine Kontrolle der Überlieferung erfolgt oder gar für nötig erachtet worden. Das Überlieferungsmodell der klassischen Formgeschichte führt damit durch die Grundeinschätzung der mündlichen Überlieferungsphase als unzuverlässig auf direktem Wege zur Unmöglichkeit, den neutestamentlichen Quellen historisch gesicherte Informationen und Überlieferungen des historischen Jesus entnehmen zu können. So urteilt Bultmann konsequent gegenüber der historischen Jesusforschung: »Denn freilich bin ich der Meinung, daß wir vom Leben und von der Persönlichkeit Jesu so gut wie nichts mehr wissen können, da die christlichen Quellen sich dafür nicht interessiert haben, außerdem sehr fragmentarisch und von der Legende überwuchert sind, und da andere Quellen über Jesus nicht existieren. Was seit etwa anderthalb Jahrhunderten über das Leben Jesu, seine Persönlichkeit, seine innere Entwicklung und dergleichen geschrieben ist, ist - soweit es nicht kritische Untersuchungen sind - phantastisch und romanhaft.« 99 So steht dieses Überlieferungsmodell der klassischen Formgeschichte der historischen Jesusforschung im Wege. Bailey zieht zum Vergleich die Weitergabe von Gerüchten im heutigen Nahen Osten heran. Den Bedürfnissen von Tradenten und Rezipienten entsprechend könne es dabei etwa zu einem erheblichen Anwachsen der Zahl bei einem Attentat getöteter Menschen kommen, und die Dramatik nehme von Mund zu Mund zu. Bailey bezeichnet dieses Modell als »informell« und »unkontrolliert.« 100 3.3.2. Formelle, kontrollierte mündliche Überlieferung Ganz anders verhält es sich mit der von Gerhardsson beschriebenen Memorisierung der Worte Jesu in Analogie zu rabbinischen Lehrtechniken. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis zwischen Jesus und seinen Jüngern sei als »formell« zu charakterisieren. Durch das den Wortlaut einzelner Jesusworte bewahrende Auswendiglernen sei eine Kontrolle der Überlieferungsqualität gegeben. Auch dieses Überlieferungsmodell kennt Bailey aus persönlicher Erfahrung. Er zieht als Beispiel islamische Scheichs heran, die den gesamten Koran auswendig beherrschten, und verweist auf die 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 12 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% ZNT 20 (10. Jg. 2007) 13 Carsten Claußen Vom historischen zum erinnerten Jesus wortwörtliche Kenntnis umfangreicher Liturgien bei orthodoxen Christen. Für die Antike verweist er auf Belege bei Platon, Plutarch und Ephrem den Syrer, die das Memorieren großer Textcorpora belegen. 101 3.3.3. Informelle, kontrollierte mündliche Überlieferung Als sein eigenes, zur Erläuterung neutestamentlicher Überlieferungsprozesse geeignetes Modell verweist Bailey auf die Traditionspflege in einer heutigen arabischen Dorfversammlung: »Der Rahmen ist die abendliche Versammlung der Dorfbewohner, um Geschichten zu erzählen und Gedichte vorzutragen. Solche Versammlungen haben einen Namen. Sie werden haflat samar genannt. Samar im Arabischen ist verwandt mit dem Hebräischen shamar, das ›bewahren‹ bedeutet. Die Gemeinschaft bewahrt ihren Traditionsschatz. Mit informell meinen wir, dass es keinen bestimmten Lehrer und keinen klar identifizierbaren Schüler gibt. Während den Abend über Geschichten, Gedichte und anderes Traditionsgut erzählt und rezitiert werden, kann sich theoretisch jeder daran beteiligen. Tatsächlich aber rezitieren vor allem die älteren, die begabteren und die sozial herausgehobeneren Männer. Je nach dem wer diesem Kreis gerade angehört, so wechseln die Vortragenden. (...) Ich habe oft in einem solchen Kreis gesessen, wenn ein bestimmtes Stück der traditionellen mündlichen Literatur zitiert wird. Vielleicht kenne ich die Geschichte dann nicht und frage, worum es sich handelt. Dann sagt jemand: ›der Älteste Soundso kennt die Geschichte.‹ Die sozial oder intellektuell ranghöchste Person wird dann fortfahren, die Geschichte stolz zu erzählen. Im Gegensatz dazu gibt es beim Vortragen von formeller und kontrollierter mündlicher Tradition einen klar identifizierbaren Lehrer mit einem anerkannten Titel und einen klar identifizierbaren Studenten.« 102 Zwar gibt es in einer solchen arabischen Dorfversammlung keinen offiziellen und immer wieder tätigen Erzähler. Jedoch ist es alles andere als beliebig, wer von einem Gruppenmitglied autorisiert und als Erzähler einer bestimmten mündlich tradierten Geschichte berufen und anerkannt wird. Selbst eine solche Gruppe mit jeweils wechselnder Zusammensetzung folgt damit gewissen formalen Regeln. Die Versammlung übt eine Kontrollfunktion aus, die den Vortrag überwacht und bei Bedarf korrigierend eingreifen kann. Welche Traditionsgüter kommen für eine »informelle«, aber »kontrollierte« Traditionsweitergabe in Frage? Bailey nennt Sprichwörter, Rätselgeschichten, Gedichte, Gleichnisse, Erzählungen oder historische Berichte (etwa von bedeutenden Personen der Dorfgeschichte). Dabei müsse im Einzelnen noch ein unterschiedlicher Grad an Flexibilität unterschieden werden, den die Gemeinschaft für einzelne Gattungen für akzeptabel halte. So sei für Sprichwörter und Gedichte eine wortgetreue Wiedergabe unabdingbar. Die Zuhörer würden bei diesen Texten jeden Fehler korrigieren. Eine durchaus flexiblere Wiedergabe lasse sich dagegen bei historischen Berichten feststellen. Bailey veranschaulicht dies an dem Beispiel einer Geschichte, die über drei Hauptszenen und eine Pointe am Ende verfügt: »Das Sprichwort, das innerhalb der Geschichte vorkommt, musste wortwörtlich wiedergegeben werden. Die drei Hauptszenen konnten nicht verändert werden, aber die Reihenfolge konnte umgedreht werden, ohne dabei den Widerspruch der Gemeinschaft hervorzurufen. Der grundlegende Ablauf der Geschichte und deren Schluss mussten derselbe bleiben. Die Namen konnten nicht verändert werden. Die zusammenfassende Pointe war unantastbar. Aber der Erzähler konnte die Tonlage der emotionalen Reaktion (...) [einer der in der Geschichte vorkommenden Personen gegenüber einer anderen] variieren, und der Dialog innerhalb des Ablaufs der Geschichte konnte an jedem Punkt den Stil und die Interessen des jeweiligen Erzählers widerspiegeln. Das heißt, der Geschichtenerzähler hatte eine gewisse Freiheit, die Geschichte in der ihm eigenen Weise zu erzählen, solange der zentrale Tenor der Geschichte nicht verändert wurde. So gab es Kontinuität und Flexibilität. Nicht Kontinuität und Veränderung.« 103 Festzuhalten ist die Beobachtung Baileys, dass einige Teile einer vorgegebenen mündlichen Überlieferung absolut unveränderbar sind, während für andere Teile eine gewisse Flexibilität möglich ist. Es stellt sich sicherlich die Frage, inwieweit Baileys Modell einer »informellen« und doch »kontrollierten« Traditionsweitergabe, wie es sich in der Erzählkultur einer modernen arabischen Dorfversammlung findet, mit den Verhältnissen im antiken palästinischen Judentum zur Zeit Jesu und seiner Jünger vergleichbar ist. Wichtiger erscheint jedoch der, wie wir gesehen haben, von N.T. W RIGHT und noch stärker von J AMES D.G. D UNN von Bailey übernommene Perspektiv- 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 13 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% 14 ZNT 20 (10. Jg. 2007) Neues Testament aktuell wechsel. Mündliche Überlieferungsmechanismen folgen anderen Gesetzmäßigkeiten als die editorische Aufnahme und Überarbeitung verschrifteter Überlieferungen. Auch wenn Baileys in der neueren Jesusforschung sehr einflussreichen Ausführungen stark anekdotisch geprägt sind und einer Einbindung und kritischen Reflexion im Kontext der Oralitätsforschung bedürfen, so ist doch bereits jetzt ein deutlicher Erkenntnisgewinn für die Rekonstruktion der mündlichen Überlieferung zwischen dem historischen Jesus und den neutestamentlichen Evangelien zu verzeichnen. 4. Resümee und Standortbestimmung E RNST K ÄSEMANN hatte 1953 die neue Rückfrage nach dem historischen Jesus aus theologischen Gründen eingeleitet. Erscheint heute die damit ausgelöste »New Quest« gelegentlich als Anfang einer neuen Phase historischer Jesusforschung, so ist in aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass auch Käsemann beim christologischen Kerygma und damit theologisch einsetzte. Ganz entsprechend hat J AMES M. R OBINSON in seiner Darstellung »A New Quest of the Historical Jesus«, 104 die in der englischsprachigen Welt dieser Phase ihren Namen gab, Themen wie »Die Relevanz einer theologischen Neubesinnung« und »Die theologische Berechtigung einer neuen Frage nach dem historischen Jesus« 105 behandelt. Eben diese theologische Fixierung der Jesusforschung stieß in der »Third Quest« auf erheblichen Widerstand. So offenbart E.P. S ANDERS bereits in der Einleitung zu seinem Jesusbuch in expliziter Abgrenzung von Käsemann: »Wenn ich das für einen Moment mal persönlich sagen darf: Ich interessiere mich für die Diskussion um die Bedeutung der Theologie für den historischen Jesus in der Weise eines Menschen, der sich für etwas interessiert, das er früher einmal faszinierend fand.« 106 Noch deutlicher trägt Sanders seine Position und sein Anliegen gegen Ende des Werkes vor: »Die Beziehungen zwischen Geschichte und Theologie sind sehr komplex, und ich werde keinen ärmlichen Versuch unternehmen, in ein riesiges und schwieriges Gebiet einzutauchen. Ich habe mich seit einigen Jahren gemüht, Geschichte und Exegese von der Kontrolle der Theologie zu befreien.« 107 Da Sanders sich damit auch als Exeget zu erkennen gibt, geht es ihm nicht darum, die Theologie innerhalb der neutestamentlichen Schriften zu bestreiten. Lediglich gegen die Vorherrschaft einer Theologie, die der Exegese ihre Ergebnisse diktieren wolle, wehrt er sich mit Recht. Weit über dieses Ziel hinaus ist die »Third Quest« jedoch zu einer recht un-theologischen Phase der einseitig historischen Jesusforschung geworden. Hatte Bultmann sich einseitig auf den kerygmatischen Christus konzentriert, so ging es der »Third Quest« meist nur um den historischen Jesus. D ALE C. A LLISON hat dieses »Säkularisieren Jesu« durch die neuere Jesusforschung jüngst in seinem Buch »Resurrecting Jesus« 108 beschrieben, auch wenn er dabei nicht die theologischen Motivationen etwa eines M ARCUS B ORG oder N.T. W RIGHT übersieht. 109 Dieser Trend der »Third Quest« scheint jedoch in neuesten Jesusbüchern aufzubrechen. So setzt etwa Dunn beim »Eindruck« an, den bereits der historische Jesus auf seine Jünger gemacht habe. Und auch Hurtado widmet sich bereits für Q (das heißt eben für jene Texte, die Q-Forscher gemeinhin als dem historischen Jesus am nächsten stehend ansehen) der Untersuchung christologischer Termini. Gilt sein Interesse vorwiegend der Jesusverehrung, so scheut er sich doch nicht, das irdische Wirken Jesu (»Jesus ministry«) und den daraus auf seine Nachfolger resultierenden »Eindruck« (»impact«) als Ausgangspunkt zu wählen. War E RNST K ÄSEMANN aus theologischen Gründen zur Frage nach dem historischen Jesus zurückgekehrt, so verdichtet sich der Eindruck, dass sich die gegenwärtige historische Jesusforschung auf den Weg zu einem vorösterlich christologischen und damit theologischen Jesus gemacht hat. »... [es] verdichtet sich der Eindruck, dass sich die gegenwärtige historische Jesusforschung auf den Weg zu einem vorösterlich christologischen und damit theologischen Jesus gemacht hat.« 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 14 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% ZNT 20 (10. Jg. 2007) 15 Carsten Claußen Vom historischen zum erinnerten Jesus Ob mit dieser Bewegung bereits eine neue Phase der historischen Jesusforschung eingeleitet worden ist, etwa im Sinne einer »Fourth Quest«, - dies werden zukünftige Betrachter im Rückblick vielleicht einmal klarer sehen. Einstweilen sind nur Bewegungen und Perspektivwechsel erkennbar, die nicht selten frühere Ansätze wieder aufgreifen und weiterentwickeln. Insofern damit gegenwärtig die Identität des irdischen mit dem auferstandenen Jesus stärker in den Blick tritt, wird deutlich, dass sich die Entwicklung der frühchristlichen Christologie nicht nur und erst aus der Deutung der Ostererfahrung erklären lässt, sondern bereits aus dem Eindruck, den der irdische Jesus bereits bei seinen Jüngern und Jüngerinnen und darüber hinaus hinterlassen hat 110 und an deren Erinnerung auch spätere Generationen durch das Zeugnis der neutestamentlichen Schriften partizipieren. l Anmerkungen 1 [H.S. Reimarus], Von dem Zwecke Jesu und seiner Jünger. Noch ein Fragment des Wolfenbüttelschen Ungenannten [Fragment 7], hg. v. G. E. Lessing, Braunschweig 1778. 2 M. Kähler, Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus, neu hg. v. E. Wolf, München 1953. 3 Kähler, Jesus, 16. 4 Kähler, Jesus, 21. 5 Die erste Auflage erschien unter dem Titel: Von Reimarus zu Wrede. Eine Geschichte der Leben-Jesu- Forschung, Tübingen 1906. Seit 2 1913 erschienen alle weiteren Auflagen unter dem Titel »Geschichte der Leben-Jesu-Forschung«. 6 Vgl. R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 1948-1953, 9 1984, 1-2. 7 J. Jeremias, Neutestamentliche Theologie. Erster Teil: Die Verkündigung Jesu, Gütersloh 1971, 4 1988. 8 E. Käsemann, Das Problem des historischen Jesus (1954), in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen, Bd. 1, Göttingen 1970, 187-214. 9 P. Müller, Neue Trends in der Jesusforschung, ZNT 1 (1998), 2-16. 10 Müller, Trends, 3. 11 S. Neill / T. Wright, The Interpretation of the New Testament. 1861-1986, Oxford / New York 2 1988, 379. 12 Wright, Interpretation, 379; dort im englischen Original: »a quite different movement (...) in a variety of places and with no unified background or programme.« 13 B.F. Meyer, The Aims of Jesus, London 1979. 14 A.E. Harvey, Jesus and the Constraints of History. The Bampton Lectures 1980, London 1982. 15 M.J. Borg, Conflict, Holiness and Politics in the Teachings of Jesus, Lewiston / Lampeter 1984. 16 E.P. Sanders, Jesus and Judaism, London 1985. 17 So die Kritik von Wright, Interpretation, 386, an Harvey, Jesus. 18 Borg, Conflict, 260f. 19 J. Klausner, Jesus von Nazareth, hebr. 1907, deutsch Berlin 1934. 20 C.J.G. Montefiore, The Synoptic Gospels, 2. Bde, London 1909, 2 1927. 21 R. Eisler, IHSOUS BASILEUS OU BASILEUS (Jesus ein König, der nicht König wurde) 2 Bde. Heidelberg 1929 / 30. 22 D. Flusser, Jesus, Reinbek bei Hamburg 1968. 23 G. Vermes, Jesus der Jude. Ein Historiker liest die Evangelien, Neukirchen-Vluyn 1993 (engl. Erstauflage: London 1973). 24 J. Wellhausen, Einleitung in die ersten drei Evangelien, Berlin 2 1911, 102. 25 D.C. Allison, Resurrecting Jesus. The Earliest Christian Tradition and Its Interpreters, New York / London 2005, 1-26. 26 So fragt etwa Paul F.M. Zahl, Jesus the First Christian. Universal Truth in the Teachings of Jesus, Grand Rapids 2003, 12: »whether a fourth quest, building on the second, might not now be possible.« 27 Allison, Jesus, 13. Dies mag vor allem die Flut der Jesusliteratur im englischsprachigen Raum erklären, zu der Allison - nebenbei bemerkt - einen nicht geringen Teil beiträgt. 28 J.D.G. Dunn, Altering the Default Setting: Re-envisaging the Early Transmission of the Jesus Tradition, NTS 49 (2003), 139-175; in überarbeiteter Form abgedruckt in: ders., A New Perspective on Jesus. What the Quest for the Historical Jesus Missed, Grand Rapids 2005, 79-125. Der Vortrag wurde ursprünglich als »presidential address« auf der 57. Jahrestagung der Studiorum Novi Testamenti Societas in Durham, UK (6.-10. August 2002) gehalten. 29 J.D.G. Dunn, Jesus Remembered (Christianity in the Making Bd. 1), Grand Rapids / Cambridge 2003. Vgl. auch den kleinen Band zum selben Thema: ders., New Perspective. 30 Dunn, Jesus, 332. 335. 31 Dunn, Jesus, 132.498-505. 32 Dunn, Jesus, 126: »The idea that we can see through the faith perspective of the NT writings to a Jesus who did not inspire faith or who inspired faith in a different way is an illusion. There is no such Jesus.« 33 Kähler, Jesus, 16. 34 Dunn, Jesus, 209: »In particular, the paradigm of literary editing is confirmed as wholly inappropriate: in oral tradition one telling of a story is in no sense an editing of a previous telling; rather, each telling is a performance of the tradition itself, not of the first, or third, or twenty-third ›edition‹ of the tradition. Our expectation, accordingly, should be of the oral transmission of Jesus tradition a sequence of retellings, each starting from the same storehouse of communally remembered events and teaching, and each weaving the common stock together in different patterns for different contexts.« 35 Dunn, Jesus, 130-132. 36 Bauckham, Jesus, 5-8 et passim. 37 Bauckham, Jesus, 12-38. 38 Bauckham, Jesus, 30-38. 39 Bauckham, Jesus, 39. 40 Bauckham, Jesus, 97. 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 15 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% 16 ZNT 20 (10. Jg. 2007) Neues Testament aktuell 41 Eusebius Kirchengeschichte III 39,15. 42 Eusebius, Kirchengeschichte II 15,1. 43 G. Theißen, Das Neue Testament (C.H. Beck Wissen in der Beck’schen Reihe), München 2002, 3 2006. 44 Theißen, Neue Testament, 21-32. Wer es ausführlicher haben möchte, wird fündig bei G. Theißen / A. Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen 3 2001. 45 Vgl. im Einzelnen G. Theißen, Die Jesusbewegung. Sozialgeschichte einer Revolution der Werte, Gütersloh 2004. 46 Mt 4,13; 9,1; Mk 1,21 / Lk 4,31. 47 W. Bousset, Kyrios Christos. Geschichte des Christusglaubens von den Anfängen des Christentums bis Irenaeus, Göttingen 1913, 2 1921. 48 L.W. Hurtado, Lord Jesus Christ. Devotion to Jesus in Earliest Christianity, Grand Rapids / Cambridge 2003, 53f.: »I propose that the only reasonable factor that accounts for the central place of the figure of Jesus in early Christianity is the impact of Jesus’ ministry and its consequences, especially for his followers.« Siehe auch S. 60. Vgl. ders., How on Earth Did Jesus Become a God? Historical Questions about Earliest Devotion to Jesus, Grand Rapids / Cambridge2005. 49 A. v. Harnack, Beiträge zur Einleitung in das Neue Testament II. Sprüche und Reden Jesu. Die Zweite Quelle des Matthäus und Lukas, Leipzig 1907. 50 Harnack, Beiträge, 159. 51 Harnack, Beiträge, 163. 52 Harnack, Beiträge, 163-170. 53 Theißen / Merz, Jesus, 45. 54 Theißen / Merz, Jesus, 45. Theißen / Merz weisen dabei auf die von B.L. Mack vorgenommene Rekonstruktion Jesu als eines galiläischen Kynikers hin. Beziehe man dagegen die apokalyptischen Worte als jesuanisch mit ein, so ergebe sich ein ganz anderes Bild. 55 Dem widersprechen: J. Jeremias, Zur Hypothese einer schriftlichen Logienquelle Q, in: ders., ABBA, Göttingen 1966, 90-92; H.Th. Wrege, Die Überlieferungsgeschichte der Bergpredigt (WUNT 9), Tübingen 1968. 56 A. Lindemann, Die Logienquelle Q. Fragen an eine gut begründete Hypothese, in: ders. (Hg.), The Sayings Source Q and the Historical Jesus (BEThL 158), Leuven u.a. 2001, 3-26: 14. 57 Den wohltuend abgewogenen Überlegungen von Lindenmann, Logienquelle Q, 3-26, verdanke ich dabei wichtige Anregungen. 58 U.a.: A Harnack, Sprüche und Reden Jesu. Die zweite Quelle des Matthäus und Lukas, Beiträge zur Einleitung in das Neue Testament 2, Leipzig 1907; A. Polag, Fragmenta Q. Textheft zur Logienquelle, Neukirchen- Vluyn 1979; J. M. Robinson / P. Hofmann / J.S. Kloppenborg, The Critical Edition of Q. Synopsis including the Gospels of Matthew and Luke, Mark and Thomas with English, German and French Translations of Q and Thomas, Leuven / Minneapolis 2000; P. Hofmann / Christoph Heil: Die Spruchquelle Q. Griechisch und Deutsch, Darmstadt / Leuven 2002. 59 Lindemann, Logienquelle Q, 8; vgl. so bereits D. Lührmann, Die Redaktion der Logienquelle. Anhang: Zur weiteren Überlieferung der Logienquelle (WMANT 33), Neukirchen 1969, 56. 60 So weist Kloppenborg, The Formation of Q. Trajectories in Ancient Wisdom Collections (Studies in Antiquity and Christianity), Philadelphia, Pa. 1987, 317, die Versuchungsgeschichte der Endredaktion zu. Ebs. Kloppenborg Verbin, Excavating Q, 153, wo er diese Redaktionsschicht Q 3 nennt. 61 So Kloppenborg Verbin, Excavating Q, 144. 62 Kloppenborg Verbin, Excavating Q, 150-152; 379-398. 63 Lk 4,1-13; 11,42c; 16,17. 64 P. Hoffmann, Mutmaßungen über Q. Zum Problem der literarischen Genese von Q, in: Lindemann, Sayings Source, 255-288. Weitere neuere Rekonstruktionsversuche liegen vor bei: A.D. Jacobsen, Wisdom Christology in Q, Ph.D. Dissertation, Claremont, Calif. 1978; ders., The Literary Unity of Q, JBL 101 (1982), 365-389; ders., The First Gospel. An Introduction to Q, Sonoma, Calif. 1992; M. Sato, Q und Prophetie. Studien zur Gattungs- und Traditionsgeschichte der Quelle Q (WUNT 2 / 29), Tübingen 1988, 28-62; H.T. Fleddermann, Q.A Reconstruction and Commentary (Biblical Tools and Studies1), Leuven u.a. 2005, 172- 180, dort auch ein ausführlicher Forschungsüberblick: 3-39. 65 Theißen, Neue Testament, 27. 66 Theißen / Merz, Jesus, 44. 67 Vgl. Sato, Q und Prophetie, 375-381. 68 Vgl. bereits P.D. Meyer, The Community of Q (unveröffentlichte PhD-Dissertation, Universität Iowa, [ohne Ort]) 1970; S. Schulz, Q. Die Spruchquelle der Evangelisten, Zürich 1972; in neuerer Zeit: Kloppenborg Verbin, Excavating Q, 166-213. 69 So M. Frenschkowski, Welche biographischen Kenntnisse von Jesus setzt die Logienquelle voraus? , in: From Quest to Q (FS J. M. Robinson), hg. v. J.M. Asgeirsson / K. De Troyer / M. W. Meyer, (BEThL 146), Leuven 2000, 3-42: 36. 70 Vgl. den Bezug von Ps 117,27 zur Passionsgeschichte in Mk 11,9; Joh 12,13. 71 So Theißen / Merz, Jesus, 44. 72 So etwa Lindemann, Logienquelle Q, 16; Kloppenborg, Formation, 262: »Q is (...) still primarily a speech or sayings collection.« 73 Gg. A.D. Jacobson, The First Gospel. An Introduction to Q (Foundations and Facets), Sonoma 1992, 31. 74 Vgl. die Kritik bei: B. Ehrman, Jesus. Apocalyptic Prophet of the New Millenium, New York 2002, 133. 75 Vgl. etwa das Polykarpmartyrium 17-18, wo erstmals die Aufbewahrung von Gebeinen eines Märtyrers an einen besonderen Ort berichtet wird. 76 Die Texte sind leicht zugänglich bei: H. Donner, Pilgerfahrt ins Heilige Land. Die ältesten Berichte christlicher Palästinapilger (4.-7. Jahrhundert), Stuttgart 1979. 77 So etwa noch bei W. Bösen, Mehr als eine freundliche Gesprächspartnerin. Zur Bedeutung der Archäologie für die neutestamentliche Exegese, in: M. Küchler / K.M. Schmidt (Hgg.), Texte - Fakten - Artefakte. Beiträge zur Bedeutung der Archäologie für die neutestamentliche Forschung, Fribourg und Göttingen 2006, 161-195; vgl. bes. seine zusammenfassende Einschätzung: »Indem sie [sc. die Archäologie] die Texte veranschaulicht und verlebendigt, ergänzt und präzisiert, korrigiert und verteidigt, erhellt und bestätigt, erwies sie sich auf überraschend vielfache Weise als Helferin, die der Exegese einen neuen Schwung zu geben vermag.« 78 P. Pilhofer, Die frühen Christen und ihre Welt. Greifs- 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 16 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100% ZNT 20 (10. Jg. 2007) 17 Carsten Claußen Vom historischen zum erinnerten Jesus walder Aufsätze 1996-2001. Mit Beiträgen von J. Börstinghaus und E. Ebel (WUNT 145), Tübingen 2002, 6. 79 J.D. Crossan / J. L. Reed, Jesus ausgraben. Zwischen den Steinen - hinter den Texten (Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Krülls-Hepermann), Düsseldorf 2003. 80 Crossan / Reed, Jesus, 119. 81 Crossan / Reed, Jesus, 119. 82 Mt 26,3.57; Lk 3,2; Joh 18,14 u.ö. 83 S. Alkier / J. Zangenberg (Hgg.), Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments (TANZ 42), Tübingen 2003. 84 Küchler / Schmidt (Hgg.), Texte. 85 J.H. Charlesworth, Jesus and Archaeology, Grand Rapids / Cambridge 2006. 86 Vgl. ferner: J. Zangenberg / D.W. Attrige / E.B. Martin (Hgg.), Religion, Ethnicity and Identity in Ancient Galilee. A Region in Transition (WUNT 210), Tübingen 2007; C. Claußen / J. Frey (Hgg.), Jesus und die Archäologie Galiläas (BThSt 87), Neukirchen-Vluyn, vorauss. 2007 (im Druck). 87 J.G. Herder, Vom Erlöser der Menschen. Nach unsren drei ersten Evangelien, in: B. Suphan (Hg.), Herders sämtliche Werke, Bd. 19, Berlin 1880, 211. 88 J.C.L. Gieseler, Historisch-kritischer Vergleich über die Entstehung der schriftlichen Evangelien, Leipzig 1818. 89 Vgl. Theißen / Merz, Jesus, 25. 90 B. Gerhardsson, Memory & Manuscript. Oral Tradition and Written Transmission in Rabbinic Judaism and Early Christianity (1961) with Tradition & Transmission in Early Christianity (1964). Forword by Jacob Neusner, Grand Rapids, Mich. / Livonia, Mich. 1998. 91 Vgl. die Rezension von: M. Smith, A Comparison of Early Christian and Early Rabbinic Tradition, JBL 82 (1963), 169-176; und das neue Vorwort von Jacob Neusner zum Nachdruck von Gerhardsson, Memory, xxv-xlvi. 92 Aufgenommen und weiterentwickelt wurde Gerhardssons Ansatz jedoch v.a. von S. Byrskog, Jesus the Only Teacher. Didactic Authority and Transmission in Ancient Israel, Ancient Judaism and the Matthean Community, Stockholm 1994; ders., Story as History - History as Story. The Gospel Tradition in the Context of Ancient Oral History, Tübingen 2000; R. Riesner, Jesus als Lehrer. Eine Untersuchung zum Ursprung der Evangelien-Überlieferung, Tübingen 3 1981. 93 Asia Journal of Theology 5 (1991), 34-51. Nachgedruckt in Themelios 20 (1995), 4-11 und jetzt im Internet zugänglich unter: http: / / www.biblicalstudies.org. uk/ article_tradition_bailey.html 94 Baileys Modell einer »informal controlled oral tradition« hat in der neueren Exegese v.a. bei N.T. Wright, Jesus and the Victory of God, Minneapolis 1996, 133- 137, und bei J.D.G. Dunn, Jesus, 205-210, positive Aufnahme erfahren. Eine kritische Auseinandersetzung mit Bailey, Wright und Dunn findet sich dagegen bei R. Bauckham, Jesus and the Eyewitnesses. The Gospels as Eyewitness Testimony, Grand Rapids / Cambridge 2006, 252-263. 95 Vgl. auch: C. Claußen, Die Verkündigung der frühen Zeugen. Von mündlicher Überlieferung zur Entstehung der neutestamentlichen Evangelien, Theologisches Gespräch 2 (2007), 55-74. 96 R. Bultmann, Geschichte der synoptischen Tradition. Mit einem Nachwort von Gerd Theißen (FRLANT NF 12), Göttingen 10 1995, 4, zitiert hier einen anderen Begründer der klassischen Formgeschichte, M. Dibelius, mit dem er sich im Ansatz ganz einig weiß. Vgl. M. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, Tübingen 6 1971. 97 Bultmann, Geschichte, 4. 98 R. Bultmann, Jesus, Tübingen 1926 (Nachdruck 1964), 11. 99 Bultmann, Jesus, 11. 100 Bailey, Tradition, 36. 101 Bailey, Tradition, 38f. 102 Bailey, Tradition, 40. 103 Bailey, Tradition, 44. 104 J.M. Robinson, A New Quest for the Historical Jesus (Studies in Biblical Theology 25), London 1959, 2 1961. 105 J.M. Robinson, Kerygma und historischer Jesus, Zürich / Stuttgart1960, 2 1967, 147.152. 106 Sanders, Jesus, 2: »To speak personally for a moment, I am interested in the debate about the significance of the historical Jesus for theology in the way one is interested in something that he once found fascinating.« 107 Sanders, Jesus, 333: »The relationships between history and theology are very complex, and I shall make no poor effort to delve into a vast and difficult subject here. I have been engaged for some years in the effort to free history and exegesis from the control of theology.« 108 Allison, Jesus, 19-23. 109 Allison, Jesus, 13. Vgl. M. Borg, Jesus. A New Vision. Spirit, Culture, and the Life of Discipleship, San Francisco 1987; N.T. Wright, Jesus and the Victory of God, Minneapolis 1996. 110 Vgl. J. Frey, Der historische Jesus und der Christus der Evangelien, in: J. Schröter / R. Brucker (Hgg.), Der historische Jesus. Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung (BZNW 114), Berlin / New York 2002, 273-336: 323f. 061607 ZNT 20 03.10.2007 7: 32 Uhr Seite 17 User: Steffen Hack Lpi: 175 Scale: 100%
