eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 13/26

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
1201
2010
1326 Dronsch Strecker Vogel

»Verlangen die Schriften des Neuen Testaments danach, den Kanon des Alten Testaments an der LXX auszurichten?«

1201
2010
Manuel Vogel
znt13260050
Die Bibel Alten und Neuen Testaments, wie sie landauf, landab in vielen Millionen Exemplaren in den Bücherregalen steht, verdankt sich einer bestimmten biblisch-theologischen Grundentscheidung, die beide Kanonteile, aus ihrer jeweiligen Ursprache Hebräisch und Griechisch übertragen, unmittelbar zueinander ins Verhältnis setzt und durch zahllose Einzelverweise hin und her zu einem festen intertextuellen Gewebe verbindet. Historisch betrachtet ist dieses Verfahren insofern anfechtbar, als zwischen der Hebräischen Bibel und dem Neuen Testament die Ära des Hellenistischen Judentums liegt, eines Judentums, das sich schon lange vor der Entstehung des Christentums der Kultur der hellenistischen Welt geöffnet und dem Christentum in vieler Hinsicht den Weg bereitet hat, nicht zuletzt durch die beispiellose Übersetzungsleistung der Septuaginta (LXX), christlich gesprochen: des griechischen Alten Testaments. Muss also der erste Teil der christlichen Bibel völlig neu übersetzt werden, und ist, so gesehen, dem NT ein ganz anderer Text voranzustellen? Diese Frage entscheidet sich daran, ob und in welchem Maße die neutestamentlichen Texte von der Gedanken- und Textwelt der LXX herkommen und in ihrem Schriftbezug überhaupt nur von dort her zu verstehen sind. Um es vorwegzunehmen: Für diesen Fall ist vorgesorgt, denn die LXX liegt seit 2009 in deutscher Übersetzung vor (LXX.D). Aber die Problemlage ist kompliziert und keinesfalls im Handstreich zu entscheiden. Hat Stefan Schorch recht, der den bleibenden Verweischarakter des LXX-Griechisch auf seinen hebräischen Referenztext betont? Dann wäre das Griechisch des AT ein Phänomen in ständiger Sichtweite des Hebräischen, ein Behelf geradezu, der dem Hebräischen seinen Rang nicht nur nicht streitig macht, sondern es darin bestätigt. Dagegen macht Adrian Schenker geltend, dass die neutestamentlichen »Schriftbeweise« häufig nur im Wortlaut der LXX funktionieren, dass mithin die frühchristlichen Bezugnahmen auf die jüdische Bibel elementar auf ihre griechische Sprachgestalt angewiesen sind. Beide Beiträge positionieren sich mit gewichtigen Argumenten in einer Diskussion, die hoch spannend ist und gewiss noch lange andauern wird. Die LXX.D ist aber, soviel wird man jetzt schon sagen dürfen, in jedem Fall eine sinnvolle und lohnende Anschaffung. Manuel Vogel Einleitung zur Kontroverse »Verlangen die Schriften des Neuen Testaments danach, den Kanon des Alten Testaments an der LXX auszurichten? « 50 ZNT 26 (13. Jg. 2010) 074910 ZNT 26 - Inhalt 22.09.10 14: 14 Uhr Seite 50