ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
61
2016
1938
Dronsch Strecker VogelEditiorial
61
2016
Eckart Reinmuth
Stefan Alkier
Manuel Vogel
znt19380001
Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 1 - 3. Korrektur ZNT 38 (19. Jg. 2016) 1 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, das aktuelle Heft der ZNT ist einem Paulusbrief gewidmet, dem in der Forschung seit einiger Zeit eine gesteigerte Aufmerksamkeit widerfährt. Zum 2. Korintherbrief sind binnen zweier Jahrzehnte eine ganze Anzahl an Aufsätzen, Monographien und Sammelbänden erschienen, ebenso mehrere Kommentare, in deutscher Sprache zuletzt der zweibändige Kommentar von Thomas Schmeller im Evangelisch-Katholischen Kommentar (EKK), erschienen 2010 und 2015. Weitere Kommentare sind in Arbeit und in den nächsten Jahren zu erwarten. Stand der zweite Brief lange Zeit im Schatten des ersten, der zumal für sozialgeschichtliche Forschungen ein reiches Feld eröffnete, erfreut sich heute längst auch der 2. Korintherbrief eines regen Interesses, denn mehr noch als sein Vorgänger vermittelt er ein anschauliches Bild von der höchst dynamischen, weithin aber auch dramatischen und konfliktreichen Beziehung zwischen Paulus und der von ihm gegründeten Gemeinde im achäischen Korinth. Liest man den 2Kor von Anfang an bis zum Schluss, erlebt man ein Wechselbad der Emotionen von gutem Zureden, werbender Zuneigung, ernster Ermahnung und manifester Drohung, und dies in einer Abfolge und Abruptheit, dass modernes psychologisches Empfinden regelmäßig seine liebe Not damit hat. Schon lange versucht die Literarkritik hier Ordnung zu schaffen und die versöhnlichen und die kritischen Töne dieses Briefes durch Umstellung einzelner Briefteile in eine nachvollziehbare Reihenfolge zu bringen. Andererseits reißen aber auch Versuche nicht ab, den 2Kor in seiner kanonischen Gestalt zu interpretieren und die mancherlei Wechsel in Tonlage und Stimmung als Ausdruck einer komplexen Argumentation und Situation zu verstehen. Der erste Beitrag des Heftes unter der Rubrik »NT aktuell« von Peter Arzt-Grabner votiert für diese zweite Möglichkeit. Arzt-Grabner, der 2014 in der Reihe Papyrologische Kommentare zum Neuen Testament den Band zum 2. Korintherbrief vorgelegt hat, stellt die Paulusbriefe in den Kontext antiker Privat- und Geschäftsbriefe und erschließt damit einen wichtigen Quellenbereich hellenistischer Epistolographie. Für die Diskussion um die literarische Einheitlichkeit des 2Kor sind die Papyrusbriefe nicht zuletzt deshalb von einiger Bedeutung, weil sie Vergleichstexte für die in 2Kor so auffälligen Stimmungswechsel bieten, die bei Teilungshypothesen stets eine wichtige Rolle spielen. Die beiden Beiträge unter der Rubrik »Zum Thema« betrachten den 2Kor im Licht antiker Rhetorik. Ivar Vegge untersucht den Paulusbrief auf briefrhetorische Stilmittel, die auch in Texten antiker Popularphilosophie, Psychagogik und Epistolographie eine Rolle spielen. Eine seiner Entdeckungen ist das »idealisierte Lob« (idealized praise), das in mahnender Absicht vorgetragen wird. Wo es in 2Kor vorliegt, kann es als ein Hinweis darauf gelesen werden, dass der Konflikt in den versöhnlichen Passagen der Kapitel 1-7 wider den ersten Augenschein noch keineswegs beigelegt ist. Dies eröffnet die Möglichkeit, die in der Tat sonderbare Abfolge von »Versöhnung« (Kap. 1-7) und »Streit« (Kap. 10-13) als Teil einer kohärenten Gedankenbewegung zu verstehen. Auch Laurence L. Welborn stellt den 2Kor in den Zusammenhang literarischer Rhetorik. Er fragt nach der Identität des rätselhaften »Unrechttäters«, auf den Paulus mehrfach zu sprechen kommt. Dass er ihn nicht mit Namen nennt, ist, so Welborn, Teil einer »emotionalen Therapie«, die Bloßstellung vermeiden und die Türen zur Versöhnung weit offen halten soll. Der Erkundungsgang durch die Korintherbriefe, ob es wohl gelingt, den »Unrechttäter« zu identifizieren, bietet reiche Einblicke in die Entstehungsgeschichte und Eigenart des korinthischen Konflikts. In der Kontroverse dieses Heftes geht es um die unerledigte Streitfrage, ob der 2Kor in seiner kanonischen Gestalt sinnvoll interpretiert werden kann, oder ob dies nur unter Zugrundelegung einer Briefteilungshypothese möglich ist. Mit Reimund Bieringer und Lars Aejmelaeus wird diese Kontroverse von zwei wichtigen Akteuren der neueren Forschung zum 2Kor bestritten, die ihre bis heute widerstreitenden Positionen immer wieder auch im gemeinsamen Gespräch artikuliert haben. Ganz unberührt von Fragen der Literarkritik ist der Beitrag von Thomas Schmeller unter der Rubrik »Hermeneutik und Vermittlung«. Am Beispiel der paulinischen Rede von Schwachheit und Kraft in 2Kor 12,7-10 fragt Schmeller, ob und inwiefern Aussagen des 2Kor für heutiges Christsein maßgeblich sein können. In der Durchführung ist die Behandlung dieser hermeneutischen Frage freilich durch und durch exegetisch, wenn nach der Extension der 1. Person Plural gefragt wird: Zeitschrift für Neues Testament_38 typoscript [AK] - 20.03.2017 - Seite 2 - 3. Korrektur 2 ZNT 38 (19. Jg. 2016) Editorial Wenn Paulus »Wir« sagt, wen meint er dann eigentlich? Nur sich selbst, sich selbst und seine Mitarbeiter, oder inklusiv auch die Adressaten? Die Frage, wo im 2Kor »wir« gemeint sind, wird also methodisch an die Frage geknüpft, wo Paulus mit diesen »Wir«-Aussagen seiner damaligen Gemeinde etwas sagen wollte. Der Buchreport von Manuel Vogel befasst sich mit einer Monographie aus dem Jahr 2015, die eindrücklich zeigt, dass es auch im intensiv erforschten 2Kor noch »neues unter der Sonne« geben kann: Christopher D. Land hat den 2Kor einer linguistischen Analyse unterzogen, die an nicht wenigen Stellen Aufsehen erregen dürfte. In eigener Sache ist zu berichten, dass seit Erscheinen des letzten Heftes zwei verdiente Mitglieder aus dem erweiterten Kreis der Herausgeberinnen und Herausgeber der ZNT ausgeschieden sind, nämlich Herr apl. Prof. Dr. Peter Busch und Herr Prof. em. Dr. François Vouga. Peter Busch, Gründungsmitglied der ZNT, ist durch neue berufliche Aufgaben beansprucht, und François Vouga, der mit Heft 14 zur ZNT hinzugestoßen ist, hat entsprechend den Statuten der ZNT mit Eintritt in den Ruhestand seine Mitarbeit bei der ZNT beendet. Beiden verdankt die ZNT über viele Jahre wichtige Impulse und gute Ideen. Beiden wünschen wir für ihre weitere Zukunft alles Gute, und wir freuen uns, wenn sie der ZNT weiterhin wohlwollend und interessiert verbunden bleiben. Nun wünschen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine anregende und ertragreiche Lektüre. Eckart Reinmuth Stefan Alkier Manuel Vogel
