eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 23/46

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
121
2020
2346 Dronsch Strecker Vogel

Editorial

121
2020
Susanne Luther
Christian Strecker
Manuel Vogel
znt23460003
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, das neue Heft der ZNT trägt mit dem Thema „Gabe und Handlungsmacht“ einem neueren Forschungsfeld Rechnung, das sich dem Interesse der neutestamentlichen Wissenschaft an philosophischen und anthropologischen Diskursen zum Phänomen der Gabe verdankt. Da die Begriffe „Gnade“ und „Gabe“ semantisch weitreichende Gemeinsamkeiten aufweisen, liegt die Relevanz des Themas für die neutestamentliche Rede von Gott auf der Hand: Gottes Gnade stiftet ebenso wie menschliche Akte des Schenkens bzw. Gebens eine Beziehung, und die Frage lautet, wie weit in den antiken Vorstellungszusammenhängen der neutestamentlichen Schriften die Analogien zwischen göttlicher Gnade und menschlichem Geben reichen. Steht Gottes Gnade für das (menschlich unerreichbare? ) Ideal der „reinen Gabe“, oder hat auch das göttliche Gnadenhandeln einen Verpflichtungs- und Machtcharakter? Michael Rydryck widmet sich unter der Rubrik Neues Testament aktuell dem Aspekt der Macht, den er mit Hilfe des Begriffs der agency („Handlungsmacht“) und des Habitus-Konzepts von Pierre Bourdieu erschließt und auf das paulinische Apostolatsverständnis anwendet. Die Beiträge Zum Thema werden von John Barclay eröffnet, ebenfalls anhand von Paulustexten, doch nun mit Bezug auf die paulinische Rede vom Gnadenhandeln Gottes und in hilfreicher Differenzierung des Gnadenbegriffs. Barclay zeigt, dass unterschiedliche Akzente innerhalb dieses Bedeutungsspektrums zu sehr unterschiedlichen Auffassungen von Gottes Gnade führen können. Lutz Doering ergänzt dieses Bild in einer eingehenden Sichtung der reichhaltigen Literatur des antiken Judentums vorrabbinischer Zeit, die ihrerseits ein facettenreiches Bild erkennen lässt. Der Beitrag von François Vouga zum Reich-Gottes-Verständnis im Matthäusevangelium lenkt unseren Blick auf die synoptischen Evangelien. Vouga ver- Zeitschrift für Neues Testament 23. Jahrgang (2020) Heft 46 4 Editorial steht das matthäische „Reich der Himmel“ als „den transzendenten Herrschaftsbereich der befreienden Umsonstheit der Gnade Gottes“ und formuliert damit einen weiteren wichtigen Aspekt eines gabetheoretisch reflektierten Gnadenbegriffs. Die von Christian Strecker eingeleitete Kontroverse zu Röm 3,25 - was genau bezeichnet der griechische Terminus hilastērion? - berührt die eingangs formulierte Frage nach Analogien göttlichen und menschlichen Gebens: „Gibt“ Gott Versöhnung in einer verblüffenden Umkehrung hellenistisch-römischer Konventionen des Umgangs mit dem Göttlichen oder ist für das Verständnis der Stelle ein biblisch-jüdischer Hintergrund aufzurufen? Unter der Rubrik Hermeneutik und Vermittlung trägt Veronika Hoffmann erhellende Beobachtungen zur Phänomenologie zwischenmenschlicher Praktiken des Gebens bei, reflektiert diese im Blick auf den Begriff der Anerkennung und eröffnet ein fruchtbares Gespräch mit Lk 14,12-14. Friederike Oertelt stellt schießlich im Buchreport eine aktuelle Monographie zum Wohltätigkeitskonzept des lukanischen Doppelwerks vor, die das Thema Gabe in einen sozial- und kulturgeschichtlichen Kontext stellt. Aus der Redaktion der ZNT ist mitzuteilen, dass Susanne Luther seit diesem Heft den Platz von Kristina Dronsch im Kreis der Hauptherausgebenden der ZNT einnimmt. Wir danken Kristina Dronsch, die wegen anderweitiger beruflicher Verpflichtungen wieder in den erweiterten Kreis gewechselt ist, für alle engagierte und ideenreiche Mitarbeit, und wir freuen uns auf die Impulse, die Susanne Luther der ZNT geben wird. Unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir nun eine anregende Lektüre. Susanne Luther Christian Strecker Manuel Vogel