eJournals ZNT – Zeitschrift für Neues Testament 27/53

ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
znt
1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
61
2024
2753 Dronsch Strecker Vogel

Editorial

61
2024
Jan Heilmann
Susanne Luther
Michael Sommer
znt27530003
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, das vorliegende Heft widmet sich einem, wenn nicht dem theologischen Schwergewicht des Neuen Testaments - dem Römerbrief. Er ist mit etwa 7100 Wörtern der längste Brief des Neuen Testaments und liegt damit noch weiter als die anderen authentischen Paulusbriefe (den Philemonbrief einmal ausgenommen) über der durchschnittlichen Länge antiker Briefe, deren Ide‐ almaß ein Papyrusblatt war. Mutmaßlich ist der Römerbrief auch der am intensivsten kommentierte und zumindest im Protestantismus wirkmächtigste Brief. Nicht zuletzt wegen der Bedeutung des Römerbriefes für die reformato‐ rische Rechtfertigungslehre sah Martin Luther in ihm das „rechte Hauptstück des Neuen Testaments und das allerlauteste Evangelium“, wie er es in der „Vorrede auf die Epistel Sanct Paulus zu den Römern“ im Septembertestament von 1522 formuliert. Die Beiträge des vorliegenden Heftes werfen Schlaglichter auf neuere Tendenzen und Themen der Römerbriefforschung. Dabei ist in der Summe festzustellen, dass z. B. die Eigenlogik der paulinischen Theologie gegenüber einer lutherischen Perspektive in den Vordergrund gerückt und das Verhältnis zu den übrigen Schriften des Neuen Testaments intensiv diskutiert wird. In der Rubrik NT aktuell gibt Konrad Schwarz anhand exemplarischer Themen einen Überblick über die neueren Forschungstendenzen und offenen Fragen zum Römerbrief. Im ersten Beitrag „Zum Thema“ bieten Stefan Alkier und Thomas Paulsen einen grundlegenden philologischen Beitrag zur Sprache des Römerbriefes. Ihre Analyse erwächst aus einem größeren Projekt, dem „Frankfurter Neuen Testament“. Dieses Projekt verfolgt das Ziel, das Griechisch der Texte des Neuen Testaments im Rahmen des Koine-Griechisch ihrer Entstehungszeit zu verstehen und sich bei der Übersetzung nicht mehr von Übersetzungstraditionen, die durch Vulgatismen und durch Hypothesen der Existenz eines distinkten neutestamentlichen Griechisch geprägt sind, leiten zu lassen. Jan Dochhorn führt in seinem Artikel in ausgewählte Thesen seiner jüngsten Monographie zum Adammythos bei Paulus ein, einer exegetischen Untersuchung von Röm 7,7-25, von der ausgehend Dochhorn die Theologie des Paulus neu systematisch zu erschließen sucht. Zentral für Dochhorns Monogra‐ phie ist die Hypothese, dass sich eine Abhängigkeit der paulinischen Theologie von der Apokalypse des Mose zeigen lasse. Im dritten thematischen Beitrag vergleicht Nadine Ueberschaer den Römerbrief mit den johanneischen Schriften und gibt damit einen Einblick in die Ergebnisse ihrer Dissertationsschrift zur „Theologie des Lebens bei Paulus und Johannes“. In der Kontroverse duellieren sich Douglas A. Campbell und Manuel Vogel. Streitpunkt ist die Frage, ob Röm 1,18-3,20 als schlechte Theologie („bad theo‐ logy“) zu bewerten sei. Dies behauptet Campbell, der die Passage als Widergabe einer gegnerischen Theologie versteht, von der Paulus sich abgrenzt. Vogel ver‐ steht die Passage als genuin paulinisch und kontert Campbells Argumentation mit der These, dass die identifizierbaren Widersprüche sich dialektisch in einen kohärenten Argumentationsgang einfügen. In der Rubrik „Hermeneutik und Vermittlung“ findet sich im vorliegenden Heft ein homiletischer Beitrag. Johannes Greifenstein skizziert Chancen und Herausforderung der Predigt über Perikopen aus der neutestamentlichen Brief‐ literatur am Beispiel des Römerbriefes. Den Abschluss bildet Markus Vinzents Rezension von Alexander Goldmanns publizierter Fassung seiner Dresdner Dissertationsschrift. In dieser Arbeit stellt Goldmann die für die neutestament‐ liche Exegese herausfordernde und textkritisch gut begründete These auf, dass Zentralkapitel wie Röm 4, große Teile von Röm 9-11 und die Schlusskapitel Röm 15 und 16 nicht von Paulus stammen, sondern als redaktionelle Ergänzung des 2.-Jahrhunderts anzusehen sind. Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine anregende Lektüre des vorliegenden Heftes. Jan Heilmann Susanne Luther Michael Sommer 4